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Make it work for you!

Malcom Shpeard Knowles Buch „Self-directed learning – a guide for learners and teachers” von 1975 und seine Thesen sind auch heute noch aktuell. Paradigmenwechsel bzgl. der Lehrenden- und Lernendenrolle, autonomes und selbstgesteuertes Lernen, Gestaltung des eigenen Lernprozesses, … all dies sind Begriffe bzw. Konzepte, die uns im aktuellen Hochschulkontext bekannt vorkommen müssten. Im Zuge der Digitalisierung und der Gestaltung von Online-Kursen (in welchem Format auch immer), nimmt die Kompetenz des selbstregulierten Lernens einen noch wichtigeren Stellenwert ein. So zeigen Franziska Perels und Laura Dörrenbächer in ihrem Artikel «Selbstreguliertes Lernen und (technologiebasierte) Bildungsmedien», dass selbstreguliertes Lernen einen positiven Einfluss auf effektives Lernen und somit den eigenen Lernerfolg hat. Beim Lernen mit neuen Medien wird dies noch wichtiger, da im digitalen Raum oftmals autonome Entscheidungen getroffen werden müssen. Hier müssen die Lernenden entscheiden, welche Lerninhalte sie wann, wie, wo, … erarbeiten. Kognitive, metakognitive und motivationale Lernstrategien der Lernenden sind dabei hilfreich.

Nun aber zu den Thesen zum selbstregulierten Lernen vom Malcom Shepard Knowles, die Eva Cendon und Sylvia Esser in ihrem Artikel «This is not a book to be read or reacted to». Malcolm Shepard Knowle’s Self-directed Learning als Wegweiser für hochschulisches Lehren und Lernen, darlegen und zusammenfassen.

Zwei Punkte waren für Knowles für das selbstregulierte Lernen besonders wichtig:

  • die individuelle Begleitung der Lernenden, in dem die Lernenden als ganzheitliche Person gesehen und ihre Biographie und Erfahrungen als wichtige Ressource für den Lernprozess miteinbezogen werden.
  • das Peer Lernen und der Ansatz des kollaborativen Problemlösens im Lernprozess. Lernen als soziale Aktivität, in dem der Austausch mit den Lehrenden sowie Lernenden wesentlich für den eigenen Lernprozess ist. Beim Aufbau der relationalen Beziehung stellt Knowles insbesondere die Bedeutung des Peer Learnings heraus.

Knowles sieht vier (optionale) Strategien vor, um die Lernenden zu unterstützen.

  1. Individuelle Besprechung, in der die Ziele und Inhalte für das Selbststudium definiert werden
  2. (freiwillige) Bildung von Kleingruppen oder Teams
  3. Durchführung von Workshops zur Evaluation der Bedürfnisse in Bezug auf den eigenen Lernprozess (Überarbeitung von Lernplänen, Wahl von Lernaktivitäten, Evaluation, …)
  4. Alternativ dazu, Durchführung einer Session zu Beginn des Kurses, um einen gemeinsamen Planungsprozess zu initiieren.

Grundvoraussetzung dabei ist eine gute Lernatmosphäre, in der Vertrauen, gegenseitiger Respekt und ein dialogisches Gespräch stattfinden kann.

Knowles verstand sich selbst als Facilitator des Lernens, mehr Lernförderer als Vermittler von Wissen. Der Ausgangspunkt des Lernprozesses sind die Lernenden. Dies bedeutet, so die beiden Autoren, «dass die Lernenden selbst die Initiative für ihre Lernprozesse ergreifen, dabei ihre Lernbedarfe eruieren, ihre Lernziele formulieren, die notwendigen materiellen und persönlichen Ressourcen für ihr Lernen identifizieren, adäquate Lernstrategien auswählen und einsetzen sowie, nicht zuletzt, ihre Lernergebnisse evaluieren.»

Infolgedessen orientiert sich die inhaltliche Gestaltung der Lehrveranstaltung an den Lernenden. Anstatt Wissen zu vermitteln, begleiten die Lehrenden den Lernprozess. Dieses neue Rollenverständnis ist alles andere als selbstverständig, so Knowles, da sich sowohl Lehrende als auch Lernende neu definieren müssen. Er unterscheidet zwischen proaktiven und reaktiven Lernenden: die einen warten auf Anweisungen und nehmen eher eine passive Haltung ein, die anderen übernehmen Verantwortung für ihren eigenen Lernprozess, mit einem hohen Grad an Motivation und Eigeninitiative. Bei Zweiteren findet nach Knowles ein nachhaltigeres und anwendungsbezogeneres Lernen statt.

Herausfordernd ist diese Rollenänderung auch für die Lehrenden. Die Lehrperson stellt sich in diesem neuen Rollenbild als ganzheitliche Person dar, die Fehler und Schwächen hat und vielleicht auch nicht auf alle Fragen eine Antwort bieten kann. Der Lehrende wird, so Knowles, zum «Co-Learner» und ist nicht mehr der allwissende Experte. Um sich auf diese neue Situation und Beziehung einzulassen, braucht es Mut. Dazu gehört auch, die eigene Rolle und Haltung zu hinterfragen und zu reflektieren. Klarheit über die eigenen Ressourcen für diese neue Rolle zu haben, ist dabei ebenso wichtig. Nur so kann die Rolle des Facilitators authentisch eingenommen werden. Authentizität heisst für Knowles, kohärent zu den eigenen Werten und Haltung zu sein.

Zusammenfassend halten die Autorinnen vier Punkte von Knowles Verständnis als Facilitator eines Selbstregulierten Lernens fest:

  1. Die Lernenden als ganzheitliche Personen mit eigenen Interessen und Erfahrungen sehen und wertschätzen. Die Erfahrungen der Lernenden sind grundlegende Ressource und Ausgangslange des Lernprozesses.
  2. Der Fokus liegt auf dem Individuum und der Lerngruppe, das individuelle ist dabei genauso wichtig wie das kollaborative Lernen.
  3. Lehrende stehen dabei nicht mehr im Zentrum. Das bedeutet, neben der Unterstützung von selbstgesteuertem Lernen, dass Lehrende den Lernenden Eigenverantwortung für ihren Lernprozess zusprechen.
  4. Ein situativer Wechsel findet für die Lehrenden statt mit der Einnahme von unterschiedlichen Rollen: Lernprozessbegleiter:in, Wissensvermittler:in, Gestalter:in des gemeinsamen Lernens…

Knowles appelliert auch beim Lesen seines Buches an autonome und selbstverantwortliche Leser und Leserinnen, wo jeder und jede die eigene Handlungsempfehlung (Knowles hat 15 Lernressourcen entwickelt, die sowohl Lehrende als auch Lernende mit Methoden und Übungen unterstützen) für sich und den eigenen Kontext ableiten sollte. Zum Vertiefen und Nachlesen:  Self-directed learning: A guide for learners and teachers. Englewood Cliffs: Prentice Hall/Cambridge, 1975.

Literatur:

Perels, F. & Dörrenbächer, L. (2020). Selbstreguliertes Lernen und (technologiebasierte) Bildungsmedien. In: H. Niegemann & A. Weinberger (Hrsg). Handbuch Bildungstechnologien – Konzeption und Einsatz digitaler Lernumgebungen, Springer

Knowles, M. S. (2020). This is not a book to be read and reacted to. Self-directed Learning als Wegweiser für hochschulisches Lehren und Lernen. In: P. Tremp, E. Balthasar (Hrsg.). Auszug aus Klassiker der Hochschuldidaktik? Kartografie einer Landschaft, Springer

 

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Ein Gedanke zu „Make it work for you!“

  1. Erstaunlich, dass der Ansatz des selbstgesteuerten Lernens (Shpeard Knowles) schon 1975 diskutiert wurde – und stellenweise erst nach nunmehr bald 50 Jahren in die Realisierung geht! Die hervorgehobene Bedeutung der Begleitung des individuellen und kollaborativen Lernens ist nicht zu unterschätzen und heisst eben gerade nicht, Studierende im „Selbststudium“ sich selbst zu überlassen.

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