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Studierender meldet sich im Hörsaal

Ich interagiere, also lerne ich

Von der Lehrperson unvorbereitet zu einem Beitrag aufgefordert zu werden, ist für viele Lernende ein Schreckensszenario. Man hat Angst, etwas plump oder ganz falsch zu beantworten und somit einen schlechten Eindruck bei den Mitlernenden und v.a. der Lehrperson zu hinterlassen. Doch nicht nur für die Lernenden, auf für viele Lehrpersonen sind interaktive Sequenzen eine Herausforderung: Was, wenn sich niemand auf eine Frage meldet? Was, wenn sich immer nur die gleichen melden? Und wie soll man mit einer falschen Antwort umgehen? Ja dann – wenn es für beide Seiten angenehmer wäre, auf Interaktion zu verzichten, warum sollten man sich der Herausforderung trotzdem stellen?  

Denken ist der Anfang von allem – und damit auch die Basis für Lernen. Und Sprache ist das Werkzeug zum Denken. Damit eröffnete Andrea Reichmuth am 24. Oktober 2023 ihr Inputreferat im Rahmen des Netzwerktreffens des ZLLF. Sie sprach über die Relevanz von Interaktion im Unterricht und mögliche Strategien zu deren Förderung. Als Forscherin im Bereich Lehr-Lern-Gespräche und Dozentin am Zentrum für Innovative Didaktik der ZHAW School of Management and Law kennt sich Dr. Reichmuth mit dem Thema bestens aus. Eine grundlegende Erfahrung durfte das interessierte Publikum selbst machen: Wenn man Vorstellungen, Ideen und Informationen nicht nur im eigenen Kopf (gedanklich) bearbeitet, sondern laut ausspricht, wird eine tiefere Verarbeitung der Inhalte angeregt.   

Während Interaktion im Unterricht stattfinden soll, spielt deren Qualität ebenfalls eine wichtige Rolle. Es reicht nicht aus, im Unterricht eine oder zwei spontane Fragen einzubauen, um die Anforderungen an eine lernförderliche Interaktion zu erfüllen. Man muss die Lernenden mit der Überzeugung ansprechen, dass sie zum Thema einen substanziellen Beitrag liefern können. Ebenfalls ist wichtig, dass Fragen klar formuliert werden und genügend Denkzeit zu deren Bearbeitung eingeräumt wird. Weiter sollten die Lernenden mit ihren Beiträgen, Einfluss auf den weiteren Verlauf der Lehr-Lern-Gespräche nehmen können. Fühlen sich die Lernenden zu Stichwortlieferant:innen degradiert, schwindet die Lust an einer Beteiligung.  

Wenn im Unterricht eine Kultur der Wertschätzung und des gegenseitigen Respekts herrscht, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass gute Interaktionen in einer Klasse entstehen. Mögliche Strategien, die eine Lehrperson zur Gestaltung von lernförderlichen Dialogen einsetzen kann, sind z.B. nach Präzisierungen oder Begründungen einer Aussage zu fragen. Weiter können nach einer Wortmeldung andere Lernende eingeladen werden, den ersten Beitrag zu ergänzen oder ihre Meinung dazu zu äussern und zu begründen. Eine von Andrea Reichmuth gerne eingesetzte Strategie ist zudem, dass die Lernenden «den Ball weitergeben», dass also nicht die Lehrperson bestimmt, wer als nächstes etwas sagt, sondern sich die Lernenden gegenseitig aufrufen.  

Kommt es durch solche und andere Strategien zu einer Beteiligung aller am Unterricht, ist das Ziel des Lehr-Lern-Gesprächs erreicht: Es lehren und lernen dann alle gleichermassen und auf Augenhöhe voneinander.  

Diese Erkenntnisse teilte Andrea Reichmuth anlässlich des Netzwerkstreffen 2023 des ZLLF. Mit ihrer frischen Perspektive bereicherte sie den Anlass und regte sowohl beim inhaltlichen Teil als auch beim Apero einige spannende Diskussionen an.  

 

Lesetipp: Erkenntnisse zur Interaktion im Unterricht sowie Strategien ihrer Förderung sammelte Andrea Reichmuth in ihrer Dissertation (Open Access, verfügbar unter: https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/147333/ ). 

Um am Ball zu bleiben: Informationen zu didaktisch relevanten Themen publiziert das Zentrum für Innovative Didaktik regelmässig auf LinkedIn 

Image Student beantwortet Frage im Unterricht by Robert Kneschke at stockadobe

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