In diesem fünften und letzten Blog-Beitrag unserer Lernvideo-Serie geben wir einen Überblick über verschiedenen Videoformate und zeigen, wie man bei der Planung eines Lernvideos vorgeht.
Videoformate sind Herstellungstechniken, mit denen ein Video produziert wird. Verschiedene Modelle (Wolf; Hansch et al.; Persike) versuchen eine Kategorisierung von Videoformaten, welche jedoch oft sehr komplex und nicht unbedingt tauglich für den Hochschulalltag sind. Für den Hochschulkontext scheinen uns folgende Videoformate relevant:
1. Videoformate, die am Bildschirm entstehen
Dieser ersten Kategorie ordnen wir Lernvideos zu, die nicht mit einer externen Kamera aufgenommen werden, sondern am Bildschirm entstehen.
- Screencast: dazu gehören Slidecast als vertonte PowerPoint, die mit einer Software auf dem Computer aufgenommen wird, Pencasts als Zeichnungen mit Stift, die mit einem digitalen Tablet aufgezeichnet und vertont werden sowie Tutorials als Screencast mit vertonter Bildschirmaufnahme, die mit einer Software auf dem Computer aufgenommen wird als eine Art filmische Gebrauchsanleitung
- Digitale Animationen: vertone Aufzeichnung von graphischen Elementen, die mit einer Software auf dem Computer aufgenommen wird.
2. Videoformate, die mit einer Kamera entstehen
Dieser zweiten Kategorie ordnen wir Lernvideos zu, die mit einer Kamera oder einem Smartphone aufgenommen werden.
- Situationsaufnahme: dokumentarische Arbeiten, bei denen man einen Einblick in eine andere Arbeitswelt bekommt, z.B. Arbeit in der Werkstatt, Exkursionen
- Demonstrationsaufnahme: Laborarbeit, wo z.B. ein Experiment oder die Bedienung einer Maschine gezeigt wird,
- Talking Head: Aufnahmen einer oder mehrerer Personen, oftmals in einem Studio oder in der beruflichen Umgebung der Person, die sich direkt an die Kamera bzw. die Lernenden richten
- Interviews: Aufnahmen mehrerer Personen im Gespräch, welche die Lernenden nicht direkt ansprechen
- Legetechnikvideos: Videos, die mit ausgeschnittenen Zeichnungen entstehen
- Analoge Pencasts: Pendant zum Pencast mit dem Unterschied, dass die Zeichnungen an einem Flipchart oder auf einem Blatt Papier entstehen und abgefilmt werden.
Selbstverständlich können die Videoformate in der Post-Produktion beim Schnitt miteinander kombiniert werden, indem z.B. einem Screencast eine Situationsaufnahme einer Laborarbeit hinzugefügt wird. Vertiefte Informationen zu den verschieden Videoformaten finden sich ab Seite 24 in der Publikation Video and online learning: Critical reflections and findings from the field.
Die oben aufgeführte Liste an Videoformaten im Sinne von Herstellungstechniken ist nicht exhaustiv, sondern soll lediglich eine Orientierung geben. Darüber hinaus sind auch neue Videoformen, also ganzheitliche Überlegungen bei der Erstellung eines Videos zu Lerninhalten, Zielgruppen, Ressourcen und Wiederverwendbarkeit, in einem innovativen Raum, wie die Hochschule ihn repräsentiert, wünschenswert. Es geht vor allem darum, den Einsatz von Videos kritisch zu hinterfragen (siehe Blogbeitrag I, in dem die Vorteile des Mediums Video aufgezeigt wurden), einen eigenen Weg der Gestaltung zu finden und sich zu überlegen, wie der wissenschaftliche Charakter des eigenen Faches mit dem Lernvideo lernwirksam zum Tragen kommt.
Planung eines Lernvideos
Zu Beginn eines Videoprojekts stellt sich die Frage nach dem Mehrwert des Videos: werden die Potentiale des Mediums ausgeschöpft? Ist ein Video mit seinen multimodalen Charakteristiken für den gezeigten Inhalt geeignet oder würde eventuell ein Podcast (Audiobeitrag) oder ein Text ausreichen? Wenn die Wahl auf ein Video fällt, dann stellt sich wiederum die Frage, ob das Video neu erstellt werden muss oder ob auf ein bereits existierendes Video zurückgegriffen werden kann.
Danach kommt die didaktische Planung. Soll mit dem Lernvideo eine Sensibilisierung auf ein Thema stattfinden, Wissen vermittelt werden oder dient es z.B. der Motivierung der Studierenden, um in eine Lehrveranstaltung einzusteigen? Was ist die Botschaft des Lernvideos, was sollen die Studierenden am Ende wissen, machen, können? Darüber hinaus sind Fragen zu Inhalt und Art der Erzählung, zur Zielgruppe, zum Kontext wann und wie das Video in der Lehrveranstaltung eingesetzt wird, zur eigenen Persönlichkeit und Vorlieben, finanzielle, technische Ressourcen, Zeit, Wiederverwendbarkeit, etc. relevant, um die passende Videoform auszuwählen. Koumi (2014) geht in seinem Design Framework for Videos von der Frage des Benutzers aus. Daraus ergeben sich für ihn drei grundlegende Fragen: welches ist die Zielgruppe, welches ist der Lernkontext und was ist das Ziel?
Wichtig erscheint, ein Videoformat oder eine Videoform auszuwählen, das einem persönlich zusagt und auf das man Lust hat, es auszuprobieren. Darüber hinaus spielen oben beschriebene Faktoren bei der Auswahl eine Rolle. Wie bei allen vielschichtigen Prozessen gibt es keine einzige und «richtige» Lösung. «There isn’t a one-size-fits-all approach» (Christel Boebel, MIT). Oder, um es mit den treffenden Worten von Richard Culatta, Ex-Director of the Office of Educational Technology, US Dept. of Education, zu sagen: «Content is easy, context is everything.»
Es gilt also einen eigenen Weg zu finden und eine Videoform, die zu der Lehrveranstaltung, zum Lerninhalt, zur Zielgruppe und der eigenen Persönlichkeit passt. Ein Video muss nicht professionell hergestellt werden, auch mit einfachen Mitteln können didaktisch hervorragende Lernvideos erstellt werden. Je mehr Kontrolle Lernende durch den Einsatz von Lernvideos über den eignen Lernprozess haben, je interaktiver Lernvideos sind, je mehr didaktische Einbettung in die Lehrveranstaltung das Lernvideo rahmt, je mehr didaktische Relevanz davon ausgeht, desto höher sind die positiven Effekte in Bezug auf Lernwirksamkeit sowie auf Motivation und Engagement der Studierende (vgl. Perseke, 2020, S. 32).
Lust bekommen?
Sie möchten gerne ein Lernvideo produzieren? Im August bieten wir wieder unseren 2-monatige Online Kurs «Konzeption und Produktion eines Lernvideos» an.
Wir beraten Sie aber auch gerne persönlich. Wenden Sie sich ans ZLLF: email hidden; JavaScript is required. Für die Produktion des eigenen Lernvideos kann die Infrastruktur des MediaLab genutzt werden.
Literatur:
- Perseke, M. (2020). Videos in der Lehre – Wirkungen und Nebenwirkungen. In: Niegemann, H.; Weinberger, A. (Hrsg.): Lernen mit Bildungstechnologien. Konzeption und Einsatz digitaler Lernumgebungen (S. 272 – 301). Berlin, Heidelberg: Springer
- Hansch, A., Newman, C., Hillers, L., Shildhauer, T., McConachie, K., & Schmidt, P. (2015). Video and online learning: Critical reflections and findings from the field.
- Koumi, Jack (2014): Potent Pedagogic Roles for Video, Educational Media Production Training
Photo by Sam McGhee on Unsplash
Hallo zusammen,
vielen Dank für diesen hilfreichen Artikel. Ich habe auch vor sowas in die Richtung zu machen, da ich gerade mein Studium abgeschlossen habe und Lust habe mein Wissen weiterzugeben.
Jetzt habe ich endlich einen Anhaltspunkt, wie ich vorgehe 🙂
LG,
Kai
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