Mit Dingen erzählen 3: Wie erzähle ich eine Ausstellung?

Wie entwickle ich eine Dramaturgie, die das Publikum fesselt? Im folgenden möchte ich drei Vorgehensweisen zeigen, die von Referenten der Tagung „Mit Dingen erzählen“ in Bregenz vorgestellt wurden.

1. User Experience Design (Jakob Messerli, Landesmuseum Bern)
Messerli ist erst seit kurzem im Landesmuseum Bern tätig, weswegen sich sein Vortrag vor allem auf Projekte an seinem früheren Arbeitsplatz, dem Museum für Kommunikation in Bern konzentrierte. Das Museum für Kommunikation versuchte im Redesign seiner Dauerausstellungen „den Zugang zu den Objekten vom Publikum her zu denken“, so Messerli und er zitiert ein kanadisches Handbuch aus den 90igern: „museums seem to be about objects in buidlings, they’re really about people“. Unter Designern würde man hier von User Centred Design oder User Experience Design sprechen.

Man hatte im Museum für Kommunikation eine Zeit lang überlegt, ob man die Briefmarkenausstellung aus Mangel an Besucherinteresse überhaupt beibehalten will. Letztendlich entschied man sich für ein radikales Redesign der Ausstellung. Der wohl interessanteste Aspekt: philatelistisiche Kriterien sollten keine Rolle spielen und Philatelisten sind auch nicht das Zielpublikum. Man war nicht an der Briefmarke als blossem Wertzeichen und Sammlerobjekt interessiert, sondern an seiner vielfältigen Funktion als Bild und Zeitzeuge. So gesehen spiegelt sich in Briefmarken die Geschichte und Kultur von Staaten und ganzen Epochen. Sie dient als politische Propaganda und andererseits als wohlfeile Werbefläche zur Devisenbeschaffung.

museum_f_kommunikation_briefmarken

Bilder die haften: Eine Briefmarken-Dauerausstellung im Museum für Kommunikation in Bern. Wenn Sie genau hinschauen,  finden Sie links im Bild den Autor dieses Artikels, der sich als Wilhelm Tells Sohn Walter fast nahtlos in die Briefmarkenlandschaft einpasst.

Die grosse Frage war, wie man mit solch kleinen und delikaten Objekten eine Ausstellung schaffen kann, die zum Anfassen und zur Interaktion anregt. Das Museum für Kommunikation entschied sich kurzerhand dafür, einige der Briefmarken um ein Vielfaches zu vergrössern und damit eine regelrechte Landschaft zu gestalten, welche Besucher in die Ausstellung hineinzieht. Die klassischen Schieberschränke mit Originalbriefmarken dürfen natürlich auch nicht fehlen. Durch beigestellte Lupen jedoch, wird auch das Betrachten dieser Marken durch eine sinnvolle interaktive Komponente erweitert. Des weiteren können die Besucher am Computer eigene Briefmarken zusammenstellen und ausdrucken sowie in einem Spiel Briefmarkenmotive den verschiedenen Ländern zuordnen.

2. Das Radio als Metapher (Wolfgang Kos, Landesmuseum Wien/Wien Museum)
Wolfgang Kos kommt ursprünglich vom Radio. Die Rundfunkmedien haben auch seine Vorgehensweise bei der Konzeption von Ausstellungen im Wien Museum geprägt. Er benutzt Begriffe wie Staging, Storyline, Moderation und Einstieg. Er spricht davon, dass das Ausstellungsdesign die Strukturierung der Ausstellungserzählung moderieren muss.

Die Nähe zu den Rundfunkmedien ist durchaus auch in den Ausstellungsthemen des Wien Museums zu erkennen: Diese sind sehr fokusiert, haben prägnante Titel wie „Baby an Bord“ oder „Wien war Anders“ und finden sich im übrigen auf sehr schön gestalteten Plakaten. Aber auch im Bemühen, Historie vor allem durch den Alltag von Menschen zu erzählen, zeigen sich die journalistischen Wurzeln. Die Ausstellungen selber haben oft einen Erzählstrang, der immer wieder durch Einschübe und Wiederholungen sowie Vorinformationen gebrochen wird, um „langweiliges Chronologisieren zu vermeiden und die Objekte selbst nicht mit Faktenaufgaben zu überladen“.

3. Spiegeltricks des 18. Jahrhunderts (Prof Harald Meller/Landesmuseum für Vorgeschichte Halle)
Meller ist nicht nur Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle, sondern auch gleichzeitig Direktor des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Damit, so Meller, kann er bei der Ausgrabung die Ausstellung gleich mitdenken.

Kuratoren, so Meller, informieren nicht, sondern „vermitteln assoziative Bilder, die die Quintessenz der Forschung darstellen und die Kenntnisse der Menschen abrufen“. Im Landesmuseum für Vorgeschichte, wird dies vor allem durch die Art der Inszenierung der Objekte erreicht. Z. B. werden Vorzeitmenschen aufgrund ihrer Skelette als Skulpturen oder in Bildern rekonstruiert. Sie werden aber nicht  in möglichst realistischen Szenarien ausgestellt, wie man das aus den Dioramen naturhistorischer Museen gemeinhin kennt, sondern auf eine Art und Weise inszeniert, die die Phantaise und das Denken der Besucher anregt. Dabei wird in der Regel auf drei inhaltlichen Ebenen gearbeitet und kommuniziert: Die erste und zweite Ebene, so Meller, sind für den Besucher erkennbar, die dritte oftmals nur vom Spezialisten zu verstehen. Diese Inszenierungen sind keine statischen Bilder. Meller spricht in diesem Zusammenhang lieber von Filmschnitten und glaubt, dass gute Museumsdesigner wie Filmemacher denken müssen. So gibt es zum Beispiel die Nachbildung eines Schamanen der in seinem Grab liegt: unter ihm fliegt ein Vogel weg, der dem Mythos nach, die Seele des Schamanen wegträgt. Das Spannende daran ist, dass nur Kinder bis zu einer bestimmten Grösse diesen Vogel sehen können. Erreicht wird das durch einen Spiegeltrick.

Meller meint dazu, die Zaubertricks des 18 Jahrhunderts würden noch immer am Besten funktioneren. „Das kennen die Leute nicht. “ Das kann ich im übrigen nur bestätigen. Mir fällt hierzu mein Besuch bei der diesjährigen Shift in Basel ein, einem Festival für Medienkunst. Zwei der Stücke die mir am meissten gefielen, bezogen ihren Charme aus einem raffinierten Umgang mit analogen Medien und Phänomenen (z.B.: Aram Bartholl: Random Screen). Die Magie welche die digitalen Medien vielleicht vor 10 Jahren noch verströmt haben, ist verflogen. Man weiss heute, dass mit Computern alles möglich ist und insofern kann einen nichts mehr wirklich überraschen.

Wichtig ist für Meller jedoch auch der Respekt vor der Vergangenheit. Wir neigen dazu die Geschichte immer als eine kontinuierliche Progression zu sehen, an deren Kulminationspunkt sich die Gegenwart befindet. Deswegen haben wir die Neigung, diskriminierend auf die Vorgeschichte zu schauen. Dementsprechend ist eines der Aushängeschilder des Museums eine ungewöhnliche Rekonstruktion eines Neanderthalers. In der Pose von Rodins Denker und mit intelligentem Blick fordert er das übliche Image dieses Urmenschen heraus.

Alles in allem drei sehr spannende Modelle, die im übrigen auch sehr erfolgreich sind. Interessant wäre noch die Überlegung, inwieweit solche Konzepte auch in der Ausstellung von zeitgenössischer Kunst eine Rolle spielen könnten?

Hier gehts zu:
Mit Dingen erzählen 1: Von Folterkammern und Mumien
Mit Dingen erzählen 2: zur Bilderzähltheorie im Sammlungskontext
Mit Dingen erzählen 3: Wie erzähle ich eine Ausstellung
Mit Dingen erzählen 4: Möglichkeiten und Grenzen der Narration


Beitrag veröffentlicht

in

von