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Lehrentwicklung als Organisationsentwicklung

Lehrentwicklung wird nach wie vor oft als punktuelle Tätigkeit verstanden. Hochschuldidaktische Konzepte zielen auf die Gestaltung einzelner Lehrveranstaltungen oder Lehreinheiten ab, und hochschuldidaktische Qualifikationsprogramme adressieren die individuellen Kompetenzen von Lehrenden. Die Hochschule Luzern investiert im Vergleich zu anderen – insbesondere universitären – Hochschulen viel in diese persönlichen Qualifikationen ihrer Lehrenden. Lehrende an der HSLU zeichnen sich nicht nur als Expert:innen ihres Fachgebiets aus, sondern können sich auch über didaktische Aspekte professionell austauschen und ihre diesbezüglichen Kompetenzen zur Gestaltung der Aus- und Weiterbildung nutzen.

Neben dieser individuellen Ebene kann Lehrentwicklung aber auch Hochschulen als Ganzes in den Fokus nehmen und damit auf eine Ebene abzielen, die in der hochschuldidaktischen Fachdiskussion bedeutend seltener thematisiert wird. Der vorliegende Blogbeitrag plädiert deshalb dafür, Lehrentwicklung zunehmend auch als Organisationsentwicklung aufzufassen.

Einen ersten Grund dafür könnte man als «relatives Potenzial» bezeichnen. Geht man von einer Schichtung der Hochschullehre in eine Mikroebene (einzelne Lehrveranstaltungen und Module), eine Mesoebene (Studiengänge und Weiterbildungsprogramme) und eine Makroebene (gesamte Hochschule) aus, so stehen auf der Mikroebene und der Makroebene tendenziell mehr Ressourcen zu einer systematischen Weiterentwicklung der Lehre zur Verfügung als auf der Mesoebene. Ein solches Ungleichgewicht betrifft nicht nur finanzielle und personelle Ressourcen, sondern auch Unterstützungsangebote und allgemeiner Konzepte und Modelle, die sich auf diese Mesoebene beziehen. Expert:innen, die auf dieser Ebene als Studiengang- oder Programmverantwortliche tätig sind, verfügen zwar über ausgewiesene Kompetenzen, sind aber oft zu sehr in operative Tätigkeiten eingebunden, um Lehrentwicklungen anzustossen und umzusetzen. Das Entwicklungspotenzial auf dieser Mesoebene erscheint deshalb besonders hoch.

Ein zweiter Grund liegt in der zunehmenden Komplexität und Arbeitsteilung, mit der Hochschullehre verbunden ist. In klassischen Formen der Hochschullehre lag die Verantwortung für einzelne Lehrformate jeweils bei einer einzelnen Person, Lehrentwicklung konnte sich also auf eine individuelle Ebene beschränken. Moderne Aus- und Weiterbildungsprogramme sind hochgradig verzahnt, kombinieren die Förderung von fachlichen und überfachlichen Kompetenzen, bringen wissenschaftliches Wissen und praktische Anwendungen zusammen und leben vom interdisziplinären Hintergrund der Lehrenden. Digitale Lehrformate bringen zudem neue Darbietungs- und Vertiefungsmöglichkeiten, deren professionelle Erstellung die didaktischen und technischen Kompetenzen (und zeitlichen Verfügbarkeiten) von Hochschullehrenden überschreiten. Lehrentwicklung muss also dieser Komplexität und der zunehmenden Arbeitsteilung gerecht werden, wozu individuell ausgerichtete hochschuldidaktische Konzepte oft nicht ausreichen.

Schliesslich verlieren Hochschulen zunehmend den Sonderstatus, der ihnen in der öffentlichen Wahrnehmung und im Selbstbild lange zugesprochen wurde. Ihr (gesellschaftlicher) Auftrag, aber auch ihre Strukturen und Abläufe nähern sich zunehmend anderen grossen Expert:innen-Organisationen wie Krankenhäusern oder privaten Forschungszentren an. Damit geht einher, dass Hochschulen nur noch teilweise einen «Sonderfall» darstellen. Für strukturelle Aspekte und organisationale Prozesse können damit zunehmend Modelle herangezogen werden, die sich allgemein auf grosse Organisationen beziehen. Möchte man also Entwicklungen in der Lehre anstossen und umsetzen, können dazu bewährte Modelle der Organisationsentwicklung herangezogen werden – etwa zu Veränderungsprozessen, zur Personalentwicklung, zu Leadership und Führung oder zur Organisationskultur.

Will sich Lehrentwicklung ihrerseits weiterentwickeln, sollte sie sich also für Fragestellungen und Lösungsansätze der Organisationsentwicklung öffnen. Sie würde dort auf ein breites Feld an Erfahrungen, Konzepten und empirischen Befunden stossen, die sie mit ihren genuinen Anliegen kombinieren kann. Die individuelle Lehrentwicklung auf der Ebene einzelner Lehrender und einzelner Veranstaltungen würde dadurch nicht obsolet, aber um das sprichwörtliche «nächste Level» ergänzt werden.

Bild: Kanhaiya Sharma / Unsplash

 

 

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