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Blended Learning – eine Auslegeordnung mit vielen Fragezeichen

Viele Hochschulen möchten ihre Studiengänge stärker auf Blended Learning, also die durchdachte Kombination von Präsenz- und Online-Lehre ausrichten. Doch wie? Balthasar Eugster, Claude Müller und Franziska Zellweger bieten mit ihrem Überblicksartikel «Blended Learning – Implikationen für die Gestaltung an Hochschulen» (1) eine wertvolle Orientierungshilfe. Ihr Beitrag liefert zwar keine Antworten, formuliert aber die richtigen Fragen – und bietet so eine wichtige Grundlage, damit Hochschulen, Studienprogramme und Lehrende einen passenden Umgang mit Blended Learning finden.

Ausgangspunkt des programmatischen Artikels von Eugster, Müller und Zellweger ist eine umfassende Metastudie, die Claude Müller zusammen mit Thoralf Mildenberger zu Blended Learning vorgelegt haben (2). Die Studie kam zum Schluss, dass Blended Learning im Vergleich zu einer herkömmlichen Präsenzlehre keine Einbussen bei den Lernergebnissen mit sich bringt. In gut konzipierten Blended-Learning-Formaten erreichen Studierende die gleichen Lernergebnisse, selbst wenn der Präsenzanteil einer Lehrveranstaltung um 30 bis 79% reduziert wird. Hochschulen könnten also, so Eugster, Müller und Zellweger, guten Gewissens ihre Lehre auf Blended Learning ausrichten, um den Studierenden grössere zeitliche und örtliche Flexibilität beim Lernen zu ermöglichen.

Allerdings weisen die drei Autor:innen nachdrücklich darauf hin, dass es (auch) bei Blended Learning keine Standardlösungen gibt. Je nach Hochschultyp, strategischen Zielsetzungen oder Hintergrund der Studierenden ist die Frage, ob und in welcher Form Blended Learning an einer Hochschule zum Tragen kommen solle, unterschiedlich zu beantworten. Die Autor:innen bieten daher eine modellhafte Orientierung, die Hochschulen heranziehen können, um für sich einen sinnvollen Umgang mit Blended Learning zu finden.

Zentral scheint dabei die Einsicht, dass erfolgreiches Blended Learning ein gutes Zusammenspiel auf drei Ebenen bedingt:

  • Auf Ebene der Hochschule müssen u.a. passende rechtliche und technische Rahmenbedingungen geschaffen und passende Vergütungssysteme gefunden werden.
  • Auf Ebene der Studienprogramme müssen curriculare und lernorganisatorische Entscheidungen getroffen werden: In welcher zeitlichen Abfolge wechseln sich Präsenz- und Onlinelehre ab? Welche verbindlichen Anforderungen an Präsenz oder Mitwirkung bestehen? Welcher Rahmen gilt für Prüfungen?
  • Auf Ebene der einzelnen Lehrveranstaltung geht es schliesslich um die konkrete didaktische Ausgestaltung: Wie werden fachliche Inhalte in Präsenz- oder Online-Formaten umgesetzt? Welche digitalen Formate – Texte, Lehrvideos etc. – kommen zum Einsatz?

Die Autor:innen schreiben der mittleren Ebene der Studienprogramme eine Schlüsselfunktion zu: Die Konzeption von Blended Learning solle auf dieser Ebene konzipiert und von hier aus «den anderen Ebenen zugänglich gemacht» werden. Dies bedinge auf allen Ebenen eine sorgfältige Koordination. Die Etablierung von Blended Learning auf Ebene der einzelnen Lehrveranstaltung könne zudem das historisch tief verankerte Bedürfnis nach Autonomie der Dozierenden tangieren. Hier gelte es, eine gute Balance zu finden. Die Autor:innen beobachten auch, dass sich die Diskussion um Blended Learning oft auf didaktische Fragen konzentriere, obwohl es nur teilweise um Didaktik im engeren Sinne gehe. Die übergeordneten Ebenen des Studienprogramms und der Hochschule gingen oft vergessen.

Der Beitrag bietet daher eine wertvolle Hilfestellung, um in der konkreten Diskussion zu Blended Learning auch diese beiden Ebenen zu adressieren. So formulieren die Autor:innen für alle Ebenen Leitfragen, die Hochschulen bei der Implementierung von Blended Learning heranziehen können. Von Fragen nach Bildungsverständnis, Zielgruppen, Rollenverständnis der Lehrenden, physischen und digitalen Räumen oder Prüfungsreglementen (Ebene Hochschule) über Fragen zur zeitlichen und örtlichen Lernorganisation, Autonomie der Lehrenden oder notwendigen Schnittstellen (Ebene Studienprogramme) zu Fragen zur inhaltlichen Sequenzierung, zur Interaktion und zur Herstellung oder dem Erwerb von Lehrmaterialien (Ebene der Lehrveranstaltung) nennt der Beitrag insgesamt 38 Leitfragen. Die Sammlung bietet also viele Fragezeichen – aber es sind wichtige und genau die richtigen Fragen für Hochschulen, die sich derzeit mit Blended Learning auseinandersetzen. Wenn eine Hochschule klare Antworten auf diese Fragen findet, kann sie die eigene Lehre mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich in eine digitale Zukunft führen.

Literatur

(1) Eugster, B., Müller, C., & Zellweger, F. (2024). Blended Learning: Implikationen für die Gestaltung an Hochschulen. In: C. Axelsson & D. Blume, & B. Volk. (Hrsg.), Bildung, Praxistransfer und Kooperation (S. 29-52). transcript. https://doi.org/10.1515/9783839471807-003

(2) Müller Werder, C., & Mildenberger, T. (2021). Facilitating flexible learning by replacing classroom time with an online learning environment: a systematic review of blended learning in higher education. Educational Research Review,. 34 (100394). https://doi.org/10.1016/j.edurev.2021.100394

Positionspapier ZLLF: Blended Learning an der HSLU.

 

Image: Generiert mit Adobe Firefly

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