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28 Facetten der Wissenschaftsorientierung

Seit knapp vier Jahren führen die PH Luzern und die HSLU gemeinsam ein Kooperationsprojekt durch, das auf eine stärkere Verbindung von Hochschulunterricht, Berufspraxis und Wissenschaft abzielt. Nun neigt sich die Projektlaufzeit dem Ende zu. Eine Abschlusstagung zeigte die eindrücklichen Ergebnisse der Projektarbeiten auf.

Der offizielle Projekttitel der Kooperation ist gleichermassen imposant wie sperrig: «Stärkung der Wissenschaftsorientierung: Reflexion von Forschung – Analyse von Berufspraxis». Das Projekt ist Teil des Förderprogramms zur «Stärkung des doppelten Kompetenzprofils» von swissuniversities. Mit dem Programm reagierte swissuniversities vor vier Jahren auf die langjährige Beobachtung, dass sich Forschung und Lehre an PHs und FHs zu oft auf unterschiedliche Köpfe verteilen, ohne sich gegenseitig zu inspirieren. Das Projekt, mit dem sich PH Luzern und HSLU 2020 um Fördermittel bewarben, erweiterte die Spannweite des Programms noch um eine dritte Dimension: Auch die Praxis der Berufsfelder, auf die PH und HSLU ihre Studierenden vorbereiten, sollte miteinbezogen werden.

Aus dem Kooperationsprojekt gingen insgesamt 28 Teilprojekte hervor, die in unterschiedlicher Form zu einer engeren Verbindung von Forschung, Unterricht und Berufsfeldern beitragen. Mit der Förderperiode von swissuniversities wird im Dezember 2024 auch die Laufzeit des Kooperationsprojektes enden. Die Projektverantwortlichen nahmen dies Ende August zum Anlass, an einer Abschlusstagung auf die Projektergebnisse, aber auch auf den Projektverlauf zurückzublicken.

Sichtbare Resultate

Sichtbares Resultat der Projekt-Aktivitäten an der Tagung war eine lange Reihe von Postern, mit denen die Vertreter:innen der Teilprojekte ihre Ergebnisse dokumentierten. Trotz der stattlichen Zahl erwies sich die Vorstellung der Teilprojekte als kurzweilig – einerseits deshalb, weil die Ergebnisse an sich so spannend waren, andererseits auch, weil die pure Vielfalt der Teilprojekte für Abwechslung sorgte. Beispielsweise verband ein Teilprojekt der HSLU-Design-Film-Kunst gleich alle drei Bereiche der Forschung, Lehre und pädagogischen Berufspraxis. Das Teilprojekt förderte den Austausch zwischen Forschenden und Praxislehrpersonen der Sek-II-Ausbildung im Fach Bildnerisches Gestalten: In Workshops, Vorträgen und Diskussionsrunden fanden Vertreter:innen der beiden Bereiche Möglichkeiten, aktuelle kunstpädagogische Diskurse mit der Lehrtätigkeit an den Mittelschulen zu verknüpfen. Ein anderes Teilprojekt an der HSLU-Wirtschaft kombinierte exemplarisch die Lehre in der Weiterbildung mit Forschung: Hier wurden Fallstudien aus Weiterbildungsprogrammen zu Beiträgen in wissenschaftlichen Zeitschriften erweitert. Weitere Teilprojekte an den Departementen Musik, Technik & Architektur und Informatik hatten ähnliche Stossrichtungen, während sich Lehrende und Forschende der PH Luzern unter anderem mit einem forschungsgestützten Ausbau der diagnostischen Kompetenzen von Lehrpersonen oder mit der evidenzbasierten Entwicklung curricularer Kernkonzepte auseinandersetzten.

Videoaufzeichnungen für den Unterricht

Das Ziel, die Berufspraxis für die Lehre besser zugänglich zu machen, setzten gleich mehrere Projekte mit Hilfe von Videomaterial um. Forschende und Lehrende der PH erstellten mit 360°-Kameras Videoaufzeichnungen von Unterrichtssituationen in der Grundschule. Betrachter:innen der Videos sind somit nicht mehr an die selektive Ausrichtung einer einzigen Kamera bzw. einer filmenden Person gebunden, sondern können sich mit entsprechender Software virtuell im Schulzimmer bewegen – und so auch Blicke auf Tätigkeiten von Schüler:innen werfen, die in einem offiziellen Unterrichtsmitschnitt selten vorkommen. Am Departement Soziale Arbeit entstanden in einem anderen Teilprojekt Aufnahmen von Beratungsgesprächen in sozialen Einrichtungen oder auf Sozialämtern, in denen ausgebildete Sozialarbeiter:innen in alltäglichen Berufssituationen auf Klient:innen trafen. Die Gespräche wurden – anders als in Lehrvideos mit einem vorbereiteten Skript –spontan geführt; als Klient:innen traten allerdings Schauspieler:innen auf. So entstand für die Praxisausbildung an der HSLU Anschauungsmaterial, welches dank der «echten» Sozialarbeiter:innen möglichst authentisch ist, ohne die Persönlichkeitsrechte von Klient:innen zu verletzen. In einem ähnlichen Teilprojekt an der HSLU-Wirtschaft entstanden Lehrvideos von authentischen Gesprächen im beruflichen Kontext, die in Aus- und Weiterbildung für die Kommunikationsschulung genutzt werden können.

Zeit zum «Entrümpeln»

Nach der Vorstellung der Teilprojekte widmeten sich die Anwesenden der Abschlusstagung dem Projektverlauf selbst: Im Sinne eines Rückblicks und einer Standortbestimmung suchten sie nach Erfolgsfaktoren und Herausforderungen des Projektes. In den Diskussionsrunden immer wieder positiv erwähnt wurde die Möglichkeit, für grundsätzliche Fragen überhaupt Zeit und Raum zur Verfügung zu haben – Zeit, die Hochschulen vergüten, die jeder und jede sich aber auch individuell nehmen muss. Das Bild des «Entrümpelns», das ein Teilnehmer einwarf, fand dabei grossen Anklang: Man müsse den eigenen Terminkalender, aber auch die eigene Prioritätensetzung entrümpeln. Einen weiteren positiven Faktor identifizierten die Teilnehmenden auch darin, dass das Projekt überhaupt eine Struktur geschaffen habe, um sich mit grundlegenden Fragen zu befassen. Zugleich sei die Projektorganisation sehr schlank und zielführend gewesen, wie mehrere Anwesende feststellten. Projektleiterin Dorothee Brovelli von der PH Luzern verband diese Beobachtung mit einem grossen Dank an die beiden Projektkoordinatorinnen Melanie Elderton und Valeria Iaconis.

Ein imaginärer Kompetenzgraben?

Angesichts der vielfältigen Projektergebnisse und der positiven Bilanz zum Projektverlauf stellten sich die Teilnehmenden der Abschlusstagung immer wieder die Frage, welche Schwachstellen swissuniversities vor vier Jahren eigentlich zur Lancierung des Programms bewogen hatten. Es schien kaum mehr vorstellbar, dass der Austausch zwischen Forschung, Lehre und Berufspraxis durch ein einschlägiges Förderprogramm belebt werden müsse – so gut und selbstverständlich schienen die Bereiche in den Teilprojekten zusammenzuspielen. Der oftmals benannte Graben zwischen den Bereichen schien zumindest an der Abschlusstagung imaginär zu sein. Auch wenn die die Wirkungsbereiche der Hochschulen insgesamt wohl noch nicht so eng verwoben sind wie in den vorgestellten Teilprojekten und auch wenn es an der HSLU oder der PH Luzern nach wie vor Institute gibt, in denen sich Forschende und Lehrende bestenfalls den Pausenraum teilen – die Tagung zeigte, dass sich die Bereiche bestens verbinden lassen und alle Beteiligten daraus grossen Nutzen ziehen können.

Bild: Projektpräsentationen an der Tagung, hier von Sebastian Obermeier (HSLU Informatik) zur Integration von Forschungsergebnissen zur Cyber Security in die Lehre (Foto: PH Luzern).

 

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