Als Vertreter einer Schweizer Hochschule ist man mitleidige Blicke nicht gewohnt. Sagt man, wo man arbeitet, löst dies oft Anerkennung und Sehnsucht aus. Nennt man spezifisch die Hochschule Luzern als Arbeitgeberin, folgen oft auch noch Urlaubserinnerungen und die Frage, was man neben Tourismus in Luzern denn sonst noch studieren könne.
Nicht so an der Learntec, der nach eigenen Angaben grössten Veranstaltung für digitale Bildung in Europa. An der Messe stellen mehr als 400 Unternehmen Produkte oder Dienstleistungen vor, die Lernen in Unternehmen, Schulen oder Hochschulen unterstützen. Die Bandbreite reicht von Programmen und Portalen zur Produktion von Lernvideos über Learning-Management-Systeme oder Sitzkapseln für ruhiges Arbeiten bis zu VR-Ausrüstungen, mit denen Baggerfahrer ihre neuen Fahrzeuge kennenlernen.
Stellt man sich als Vertreter einer Hochschule vor, wissen viele der ansonsten redefreudigen Gesprächspartner zuerst nicht so recht, was sie sagen sollen. Ihr Angebot richte sich eher an Unternehmen oder Bildungsanbieter, die Innovationen umsetzen könnten, weniger an Hochschulen. «Hochschulen sind schwierig», heisst es da etwa: «lange Entscheidungswege», «niemand, der entscheidet», «keine Kooperationskultur» und Leute, «die sich lieber gegenseitig im Weg stehen». Man schluckt leer, während der Gesprächspartner nicht ohne einen Anflug von Mitleid im Gesicht langsam einen Weg sucht, das Gespräch zu beenden. Zum Trost gibt’s dann immerhin ein paar Info-Broschüren mit auf den Weg, manchmal sogar einen Kugelschreiber.
Beim Besuch der diesjährigen Learntec in Karlsruhe Anfang Juni wird deutlich, dass bei der Einführung und Weiterentwicklung von digitalem Lernen die Musik nicht im Schul- oder Hochschulbereich, sondern in der Privatwirtschaft spielt. Für die Weiterbildung von Mitarbeitenden oder die Schulung von Auszubildenden stehen umfangreiche Technologien zur Verfügung, um Lerninhalte didaktisch aufzuarbeiten und in ansprechenden Lernumgebungen zu präsentieren. Die Systeme passen standardisierte Inhalte an die jeweiligen Bedürfnisse eines Unternehmens an oder schlagen einzelnen Lernenden individuelle Lernpfade vor.
Beeindruckend ist dabei die Verwendung von Künstlicher Intelligenz. Die KI-unterstützte Entwicklung von digitalen Lernwelten, die an Hochschulen bisher als Möglichkeit besprochen oder mit improvisierten Prozessen ausprobiert wurde, ist in einzelnen Programmen bereits weitgehend implementiert. So können bestehende Lehrmaterialien in KI-unterstützte Applikationen geladen werden, die dann daraus Vorschläge für eine didaktische Darstellung und für Kontroll- oder Prüfungsfragen erarbeiten. Die Vorschläge können dann von Lehrenden überprüft und überarbeitet werden. Auch wenn sich die aktuellen Fragen zu Datenschutz und Urheberrecht rund um KI auch für diese Anwendungen stellen, zeigen diese Entwicklungen sehr konkret, wie KI das Lehren und Lernen in Zukunft verändern und vereinfachen könnte. Erfreulich scheint, dass sich beim Thema Datenschutz ein Sinneswandel abzeichnet: Wurden Fragen nach Datenschutz und Server-Standorten vor vier Jahren noch mit Floskeln zur Seite gewischt, scheint die EdTech-Branche nun verstanden zu haben, dass sie dafür in Europa ohne Wenn und Aber rechtskonforme Antworten bereithalten muss.
Für die ZLLF-Delegation, welche die diesjährige Learntec besuchte, war die Messe ein eindrückliches Manifest, wie digital unterstütztes Lernen und Lehren aussehen kann. Freilich fanden wir nach einigem Suchen in der hinteren Halle auch Anbieter, deren Produkte sich auch oder ausschliesslich für Hochschulen eignen. Auf unserer Suche nach Prüfungssoftware, Learning-Management-Systemen oder Autorentools, mit denen sich Lerninhalte erstellen lassen, führten wir letztlich auch anregende und aufschlussreiche Gespräche. Dazu zählten auch Kontakte zu Plattform-Anbietern, deren Module zu Themen der Hochschulbildung sich nahtlos in bestehende Aus- und Weiterbildungsprogramme der HSLU einbinden liessen. Vor allem war der Besuch der Learntec aber auch eine Erinnerung daran, dass sich die Hochschulen im deutschsprachigen Raum auf die Hinterbeine stellen müssen, wenn sie den digitalen Anschluss nicht verpassen möchten.
Die zitierten Aussagen sind wörtliche Zitate von Unternehmensvertretern an der Learntec 2024.
Foto: Kim Jonas Meier, ZLLF