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Innovative Lehrveranstaltungsformate – das Curriculum der Zukunft gestalten

Im Frühling verband die FH St. Pölten ihren Tag der Lehre rund um innovatives Lehren und Lernen mit der Konferenz Inverted Classroom and beyond als nicht mehr wegzudenkende Impulsgeberin für innovative Hochschuldidaktik im DACH Raum. Thema der kombinierten Veranstaltung war Innovative Lehrveranstaltungsformate – das Curriculum der Zukunft gestalten!

Die beiden Veranstaltungstage waren mit unzähligen Inputs und Workshops in vier parallelen Tracks zu zukunftsfähiger Curriculumsentwicklung, zu innovativen Lehr-/Lernformaten, zu Schlüsselkompetenzen der Zukunft und zu Lehrkompetenzen der Zukunft gefüllt. Die Beschreibung der verschiedenen Tracks versprach, dass Bekanntes und Traditionelles hinterfragt und neu gedacht werden sollte. Mit dem Track zukunftsfähige Curriculumsentwicklung zielte die Diskussion darauf, inwieweit Lernen zukünftig auch ausserhalb traditioneller Hörsäle oder Seminarräume stattfinden wird und stellte damit auch die Frage nach neuen methodischen Ansätzen, welche den wandelnden Bedürfnissen der Studierenden gerecht werden. Genau solche Lehr-/Lernformaten fokussierte Track 2 mit den Fragen, welche Kompetenzen und Haltungen Lehrende benötigen, um studierendenorientierte Lehr-Lernarrangements erfolgreich umzusetzen und wie diese die Interaktion und das Engagement der Studierenden fördern. Schlüsselkompetenzen der Zukunft und wie diese in ein Curriculum integriert werden können, thematisierte Track 3, während sich Track 4 fragte, wer in eine Curriculumsentwicklung eingebunden werden muss und wie Lehrende auf veränderte Anforderungen der Hochschulbildung vorbereitet werden können.

Ein blitzlichtartiger Einblick in verschiedene Workshops, Präsentationen und Diskussionen:

Qualitätskriterien für die Bewertung von Lernvideos

Im Workshop „What makes excellent explainer videos: learning about and applying a multidisciplinary quality criteria tool” stellte Stefan T. Siegel der Uni St. Gallen Qualitätskriterien für die Auswahl, Produktion und Bewertung von Lernvideos vor.

Das multidisziplinäre Raster beinhaltet 20 Qualitätskriterien und 15 Unterkriterien, welche in die vier Hauptbereiche pädagogisch-didaktische Kriterien, lernpsychologische Kriterien, filmanalytische und rechtliche Kriterien gegliedert sind. Im mediendidaktischen Bereich sind z.B. Kategorien wie «Zielgruppe und Zielgruppenorientierung», «Didaktische Aufbereitung», «Strukturierung des Inhalts», «Didaktische Reduktion» oder «Adäquate Veranschaulichung» zugeordnet. Zu den lernpsychologischen Kriterien zählen u.a. «Aktivierung der Lernenden», «Interaktionsmöglichkeiten» sowie Kriterien, die sich auf die Kognitive Theorie des multimedialen Lernens nach Mayer stützen. Alles in allem Kriterien, die auch für andere Lernressourcen herangezogen werden können.

Die jeweiligen Kategorien werden in einem Raster eingehend beschrieben und mit Umsetzungshilfen und Ressourcenverweise für die Praxis angereichert. Die Arbeit der Kolleg:innen aus St. Gallen gibt einen guten Überblick und ist ein sehr gutes Grundlagendokument, um ein eigen erstelltes oder ein fremdes Lernvideo zu evaluieren. Nichtdestotrotz würde wir Dozierenden empfehlen, eine Priorisierung vorzunehmen und sich zu Beginn auf ein paar Kriterien innerhalb der umfassenden Liste zu konzentrieren.

«Wenn ich könnte, wie ich wollte»

Angelika Thielsch der Uni Göttingen leitete trotz engem Zeitrahmen entspannt durch die Zukunftswerkstatt «Wenn ich könnte, wie ich wollte». Die Teilnehmenden waren eingeladen, ihre Lehre und ihre Erwartungen bezüglich Hochschullehre zu reflektieren, um daraus Überlegungen für ihrer zukünftige Lehre anzustellen.

Die Methode der Zukunftswerkstatt durchläuft dabei drei Phasen:

  • Die erste, sogenannte Kritikphase lädt dazu ein, gemeinsam eine kritische Bestandsaufnahme zu machen und Schwachstellen aktueller Lehrkonzepte im eigenen Fach bzw. an der eigenen Hochschule zu identifizieren. In einer Art «Speed Meeting» tauschten sich jeweils zwei Teilnehmende im 5-Minuten Takt mit der Frage «Was genau läuft gerade wieso nicht gut?» über Frust und Unzufriedenheit aus.
  • In der Utopie-Phase wird über eine ideale Welt sinniert, indem man sich von allen institutionellen und/oder fachlichen Beschränkungen löst und kreative Ideen sammelt, wie Hochschulehre der Zukunft aussehen könnte. Auch in dieser zweiten Phase wird mit unterschiedlichen Gesprächspartnern ab Ideen gearbeitet.
  • In der dritten und letzten Phase, der Realisierungsphase, arbeiten die Teilnehmenden kollaborativ Strategien aus, mithilfe derer die eigene Lehre bereits heute weiterentwickelt werden kann, um dem eigenen Lehranspruch sowie der Förderung zukunftsgerichteter Lernprozesse gerechter zu werden.

Unterstützt wurde die Zukunftswerkstatt durch kurze Inputs zwischen den jeweiligen Phasen über bereits existierende kollaborativ-kreative Lehrkonzepte, die Lernende auf das Handeln in einer unbekannten Zukunft vorbereiten.

Dabei waren der Referentin drei Kristallisationspunkte wichtig:

  • die Kreation eines flexiblen Raums durch den partizipativen Ansatz «Student as Partners»;
  • der Einsatz der «Challenged Based Learning» Methode, bei der Studierende relevante gesellschaftliche Themen bearbeiten, im Sinne von «engage-investigate-act». Studierende suchen sich hier aktuelle Themen aus und verfolgende diese, ausgehend von ihrer Fragestellung, weiter.
  • das Einrichten von «Brave Spaces», um ein mutiges Miteinander innerhalb der Lerngruppe und der Lehrperson zu fördern.

Am Ende des Workshops kamen folgende Utopien bzw. realistische Wünsche heraus:

  • Mehr formative Lernkontrollen und die nötige Zeit diese zu betreuen
  • Anstelle von klassischen summativen Prüfungen mit Artefakten arbeiten und dabei die Reflexion des Lernens einbeziehen
  • Lernanlässe als Ausgangspunkt des Lernprozesses ermöglichen, schaffen, nutzen
  • Curricula entsprechen dem aktuellen Stand der Wissenschaft und werden gemeinsam mit Fachpersonen der Lern- und Kompetenzforschung entwickelt
  • Verantwortung der Studierenden für ihren Lernprozess ernst nehmen, heisst, auf Begriffe wie Vorlesung, Lehrende, Lehre zu verzichten
  • Austauschmöglichkeiten auch über Hochschulgrenzen hinweg schaffen, nutzen

Masterstudium Plus – flexible Modulcurricula als Plus für Studierende

Katharina Deman und Elisabeth Hillebrand-Augustin der Uni Graz stellten die mit Masterstudium Plus verbundene überfachlichen, interdisziplinären Mastermodule vor, welche Studierenden flexible Lernpfade ermöglichen. Bereits 1/5 aller Masterstudiengänge hätten inzwischen ein solche Modul in ihren Studiengang integriert. Die Mastermodule Plus möchten mit dem Fokus auf zukunftsrelevante Kompetenzen nicht nur die Arbeitsmarktfähigkeit der Studierenden, sondern durch ihre flexible Umsetzung auch die Vereinbarkeit von Studium und Beruf verbessern, da in Österreich 70% der Masterstudierenden mit über 20Wochenstunden berufstätig sind.

Mit den interdisziplinäre ausgerichteten Mastermodulen reagiert die Uni Graz auf die mit ökologischen, gesellschaftlichen und digitalen Entwicklungen verbundenen Veränderungen. Deman und Hillebrand-Augustin sagen, dass sich Universitäten kritisch mit dem Spagat zwischen akademischer Bildung, universitärer Lehre und Arbeitsmarktbezug stellen müssten. Entscheidend wäre die Förderung der Kompetenzen der Studierenden, um diese zu befähigen, verantwortungsbewusst und angemessen mit den vielfältigen Anforderungen umzugehen. Dies wäre mit den überfachlichen, interdisziplinären Mastermodulen Plus möglich. Sie greifen als kompaktes Modul mit 24 ECTS gesellschaftspolitisch relevante Themen auf wie z.B. Klimawandel, Peacebuilding, Digitalisierung & Data Science Kommunikation, Entrepreneurship, Medien und Öffentlichkeitsarbeit. Das 4K-Modell mit Kritischem Denken und Problemlösen, Kommunikation, Kooperation, Kreativität und Innovation fungiert als Hintergrundframework für die didaktische Gestaltung der Module und soll den Studierenden die Verbindung von Theorie und Praxis erleichtern. Diese überfachlichen, in unterschiedlichen Fakultäten angebotenen Module können von den Studierenden anstelle eines Fachlichen Moduls gewählt werden, was zu einer durchmischten, heterogenen Teilnehmendengruppe mit unterschiedlichem Vorwissen und damit vielfältigen Herausforderungen für die Lehrenden führt.

Die Module werden zeitlich befristet angeboten und fortlaufend aktualisiert. Um dem Qualitätsanspruch gerecht zu werden, wurde der Prozess dafür an die bestehenden Prozesse zur Entwicklung regulärer Curricula angelehnt, aber zeitlich gestrafft, um eine gewisse Flexibilisierung für curriculare Weiterentwicklungen zu ermöglichen. Die Integration der Mastermodule Plus in die einzelnen Fachcurricula erfolgt pragmatisch mit einem Verweis.

Die positiven Evaluationsergebnisse von Studierenden und Lehrenden sprechen für die Mastermodule Plus, auch wenn damit einige Herausforderungen und v.a. viel Kommunikation verbunden sind. Ein ansprechendes Beispiel, wie man über verschiedene Fakultäten hinweg gemeinsame Module entwickeln und erfolgreich umsetzen kann, wenn man die entsprechende Vision mitbringt und Passion dafür hat.

Die Inhalte und Ergebnisse der verschiedenen Workshops und Diskussionen sind auf der Tagungswebsite beschrieben.

 

image innovation by Michal Jarmoluk at pixabay.com

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