Ende Januar fand die gemeinsame Tagung der drei Luzernern Hochschulen – Hochschule Luzern, Pädagogische Hochschule Luzern und Universität Luzern – zu Generativer KI in Lehr-/Lernprozessen statt. Dass trotz der kurzen Vorlaufzeit mehr als 130 Teilnehmende angesprochen werden konnten, zeigt, wie sehr das Thema die Hochschullehre beschäftigt und immer noch viele Fragen offen lässt. Auch daher passt die Zusatzfrage im Titel der Tagung Potenziale für die Weiterentwicklung der Hochschullehre? hervorragend.
Generative KI ist seit Herbst 2022 mitten in der Gesellschaft und damit auch in der Hochschullehre angekommen. Es gibt wohl kaum noch Studierende, welche ChatGPT nicht verwenden, um ihre schriftlichen Arbeiten flüssiger zu formulieren oder auch mehr. Wie die verschiedenen Praxisbeispiele der Tagung zeigten, setzen auch Dozierende KI ein, um bestimmte Aufgabenbereiche einfacher und effizienter zu gestalten oder neue Ideen zu generieren. Genau diese praktischen Erfahrungen zeigten aber auch die vielen damit verbundenen Fragen, für die während der Tagung eine Diskussion angeregt, aber noch keine Antwort gefunden werden konnte. Die Tagung bot parallel drei inhaltliche Schienen an; einerseits gaben verschiedene Dozierende kurz und prägnant Einblick wie sie KI auf unterschiedliche Weise in die Lehre integrieren und erläuterten die damit gemachten Erfahrungen. Im Track 2 wurde in drei verschiedenen Sessions zu je einem Themenschwerpunkt eine Diskussion angestossen. Der dritte Track «Werkstatt» liess nochmals praktisch eintauchen und verschiedene Tools unter fachkundiger Anleitung ausprobieren. Verschiedene ZLLF-Mitarbeitende geben blitzlichtartig Einblick in von ihnen besuchte Diskussionen und Workshops:
Ein rekurrentes Stichwort der Session 2 Lehrbeispiele/Prototypen war «Effizienz». Der Einsatz von KI in der Hochschullehre soll künftig dazu beitragen, dass Lern- und Lehrprozesse effizienter gestalten werden, sei es bei der Formulierung individualisierter Aufgabenstellungen seitens der Dozierenden – wozu bspw. Philipp Bachmann berichtete –, der Recherche seitens Lernende von Fachliteratur mit KI-gestützten Tools – das Fallbeispiel von Jessica Thompson –, oder der Unterstützung im Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten, welche zu einer Effizienzsteigerung für beide Parteien führt, wie von Bernhard Lange präsentiert. Die Kehrseite der Medaille kam allerdings in der anschliessenden Diskussion zum Ausdruck: Wie werden die Hochschulen auf dieser Effizienzsteigerung reagieren, welche neue Anforderungen an Lehrpersonal und an die Zeit, die Lehrenden dank KI «gespart» haben, werden sie formulieren? Abschliessenden Aussagen dazu können noch nicht gemacht werden: KI-Tools entwickeln sich rasant und ihre möglichen Ansätze sind noch nicht bis Ende exploriert worden. Anderseits sind Hochschulen komplexe Wissenschaftsorganisationen: Das ganze System und die Art und Weise, wie sie ihre Aufträge gegenüber der Gesellschaft (Bildung, Forschung und Transfer) erfüllen, wird durch KI-Technologien beeinflusst, so dass man den Einbruch nicht nur auf der Ebene der einzelnen Leistungsbereichen sondern auf der systemischen Ebene beobachten soll. (Valeria Iaconis)
In dem Beitrag «Künstliche Intelligenz, wie geht das?» haben die zwei Referenten Urs Meier und Peter Rigert, beide Fachdidaktiker für Medien und Informatik, den Ansatz der drei Ebenen zur Vermittlung von Medienkompetenz gewählt. Diese Ebenen sind: Was ist KI, wie wirkt KI und wie nutze ich KI. Aufgrund von Zeitbeschränkungen konzentrierten sie sich auf die ersten beiden Ebenen. Um zu demonstrieren, wie KI funktioniert, begannen sie mit einer analogen Übung. Mit Hilfe eines Kartensets und der Bestimmung von Kriterien konnten wir in Zweiergruppen simulieren, wie ein Computer Entscheidungen trifft. Während die Sortierung von 32 Karten noch überschaubar ist, wird es bei Tausenden oder mehr Daten schnell unübersichtlich und kann von einem Menschen in kurzer Zeit kaum bewältigt werden. Im zweiten Teil des Beitrags wurde die Auswirkung von KI auf die Lehre thematisiert. Die Referenten illustrierten dies anhand von Geschichten aus dem Lehralltag mit fiktiven Personen und KI-Werkzeugen. Hierfür gibt es die Plattform Schule Chriesifeld. Man kann sich in eine Rolle hineinversetzen und eine Geschichte lesen oder anhören. Ich wählte die Geschichte «Zwischen Mensch und Maschine», die handelt vom Einsatz von KI-Bots, die von den Lernenden während des Unterrichts genutzt und befragt werden konnten. Mit der Zeit übernahmen diese KI-Bots zunehmend auch die Rolle der Vermittlung und Rückmeldung. Die Geschichte regt dazu an, über die zukünftige Rolle von Lehrenden nachzudenken und wie die Lehraufgabe zwischen «Maschine und Mensch» aufgeteilt werden kann. Ich fand die Arbeit mit Geschichten in diesem Sinne sehr gelungen. (Cinzia Gabellini)
Susanne Müller-Lindeque von der PH Luzern wählte einen anderen Zugang zur generativen KI. Sie widmete sich der Frage, wie über KI gesprochen und geschrieben wird, und identifizierte dabei drei grundlegend unterschiedliche Narrative, die von unterschiedlichen Akteur:innen in den einschlägigen Diskurs eingebracht werden: Das technozentrierte Innovationsnarrativ sehe KI-Tools als Motor zur Optimierung der Lehre, das gestaltungsorientierte Entwicklungsnarrativ zeige didaktische Potenziale auf, weise aber gleichzeitig auf Risiken hin, während das Verlustnarrativ kulturpessimistisch geprägt sei und KI-Entwicklungen generell als Bedrohung betrachte. Lukas Züblin von der HSLU-Musik plädierte für einen reflektierten Umgang mit KI, der ethische Aspekte besonders hervorhebe. Er verwies darauf, dass der Umgang mit KI auch einen sorgfältigen Umgang mit «epistemischen Ungerechtigkeiten» erfordere und die bestehenden Machtungleichgewichte bei Wissensproduktion und weiteren Wissenspraktiken nicht blindlings perpetuieren dürfe. Hochschulen als öffentliche Institutionen seien einem ethischen Umgang mit KI in besonderem Masse verpflichtet, und vermeintlich «technikferne» Bereiche wie Künste oder Soziale Arbeit, denen eine ausgeprägte Sensibilisierung für Machtgefälle inhärent sei, könnten hier wertvolle Impulse liefern. (Stefan Jörissen)
In einem begeisternden Auftritt gab Nino Richizzi unter dem Titel „Das war eine gute Frage! Das habe ich mit ChatGPT gelernt“ Einblick in seine verschiedenen Versuche zur Arbeit mit ChatGPT im Unterricht. Im Studiengang ICS stellte er die ca. 60 Studierenden vor die Herausforderung, eine unbekannte Aufgabenstellung in einem neuen Themengebiet zu präsentieren, indem sie sich zuerst forschend mit der Aufgabenstellung auseinandersetzten und dabei auch ChatGPT einsetzen konnten. Die Interaktion mit ChatGPT in Verbindung mit einer Gruppendiskussion wurde von den Studierenden als effektiv für das Lernen erkannt. Als er bei der nächsten Aufgabenstellungen die Studierenden in drei Parallelgruppen einteilte und sie mit unterschiedlichen Lernmöglichkeiten versorgte (Bücher & Texte, ChatGPT, ChatGPT mit kurzem Prompt-Input), zeigt sich als überraschendes Ergebnis, dass alle drei Gruppen den abschliessenden Test genau gleich gut lösten. Die von ihm angestellten Vermutungen dazu mündeten in eine rege Diskussion mit den Zuhörenden und weiterführenden Ideen für seine „Versuchsreihe“. (Hilde Krug)
Der Beitrag «Strukturierte Prompts für individualisierte Aufgabenstellungen» von Philipp Bachmann vom Departement Wirtschaft der HSLU fand eine breite Resonanz im Publikum. Um individualisiertes Lernen zu fördern, setzt Philipp Bachmann in seinem Modul «Strategische Kommunikation» ChatGPT ein. Die Studierenden teilen ihm im Vorfeld über eine Umfrage ihre individuellen Präferenzen mit, ausgehend davon bekommen sie, von ChatGPT ausgespuckt, ihre «persönliche» Aufgabenstellung für eine Kommunikationsstrategieanalyse. Die Struktur ist bei jeder Aufgabe gleich, der Text muss allerdings nochmals auf Genauigkeit überprüft werden. Auch hier zeigt sich, dass ChatGPT gute Vorlagen liefern kann, es braucht allerdings noch die Expertise einer Fachpersonen. Der Beitrag zeigte einmal mehr, wie ChatGPT auf kreative Weise eingesetzt werden kann. Kreativ waren auch die Firmen- und Markennamen, die dabei herauskamen. So setzt das schweizerische Naschwarenunternehmen “SuessKlang AG” auf einzigartige Süssigkeiten, die lustige Geräusche beim Verzehr erzeugen, wie z.B. die pfeifenden “UfoWhistle”, der knackende “GummiBuzz” oder die “knisternden “SchnurZings”. Die Schweizer Tee Tradition AG bietet hingegen Teesorten an, die mit Sorten wie “Berns Blend”, “Basler Erwachen” oder “Luzerner Ruh” ein unvergleichliches Erlebnis schaffen. Die Rückmeldungen ist auch unter den Studierenden durchaus positiv: die individualisierten Aufgabenstellungen und Leistungsnachweise steigern nicht nur das Engagement und den Spass am Lernen, sie fördern auch eine intensivere Auseinandersetzung mit den Kursinhalten. Alle Studierenden arbeiten an ihren eigenen individuellen Herausforderungen, indem sie die Aufgabenstellungen, die für alle in der Lerngruppe identisch sind, auf ihren speziellen Fall anwenden. (Rike Hanke)
So vielfältig diese Blitzlichter – so vielfältig die Tagung! Sicherlich gibt es noch mehr Kolleginnen und Kollegen, welche mit KI in Lehr- und Lernprozessen arbeiten. Noch scheint der eine oder die andere zurückhaltend dies in einem grösseren Rahmen zu zeigen. Mit der Tagung sollten Erfahrungen zum Einsatz generativer KI in der Lehre geteilt, voneinander gelernt und gemeinsam Fragen diskutiert werden, welche sich durch den Einsatz generativer KI in der Lehre stellen. Diesem Anspruch wurde die Tagung gerecht und bot ergänzend Möglichkeit zum Austausch über die Hochschulgrenzen hinweg, wie der gut besuchte Abschlussapero zeigte. KI ist gekommen um zu bleiben – diese Aussage wurde im Verlaufe der Tagung immer mal wieder wiederholt. Also müssen wir anfangen, sie trotz aller Herausforderungen als Potential für die Hochschullehre zu nutzen.
image Kim Meier