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Sketchnote Curb cut effekt

Was abgesenkte Bordsteinkanten mit digitaler Lehre zu tun haben

Beim Thema «Barrierefreiheit» denken viele von uns zuerst an Aufzüge, Rollstuhlrampen und Menschen mit Behinderung, die genau auf diese angewiesen sind. Oft wird übersehen, dass Barrieren alle Menschen betreffen können, und eine barrierefreie Umgebung allen nützt. Abgesenkte Bordsteinkanten beispielsweise erleichtern nicht nur Rollstuhlnutzer:innen das Leben, sondern auch Reisenden mit schwerem Gepäck und Eltern mit einem Kinderwagen. Dieses Phänomen wird Curb-Cut-Effekt genannt: Produkte, die ursprünglich für Menschen mit Behinderungen entwickelt wurden, werden von allen Menschen genutzt und geschätzt.

Was nicht vergessen werden darf: Während Barrieren wie nicht funktionierende Aufzüge für manche Menschen nur ein ärgerliches, aber überwindbares Hindernis sind, werden andere dadurch komplett ausgeschlossen. Um also allen Menschen eine aktive Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen, ist Barrierefreiheit nicht die Kirsche auf dem Sahnehäubchen, sondern eine grundlegende Anforderung in allen Lebensbereichen – und damit auch für die Tätigkeitsbereiche des ZLLF wichtig.

Barrierefreiheit gilt nicht nur für physische, sondern auch für digitale Angebote. Wer schon einmal daran gescheitert ist, auf dem Smartphone bei hellem Sonnenlicht an wichtige Informationen auf einer Webseite zu kommen, ist auf eine klassische vermeidbare Barriere gestossen. Ausreichende Kontraste zwischen Schrift und Hintergrund lassen diese Barriere verschwinden und erfordern nur eine kleine Anpassung. Mit einem Kontrastrechner (z.B. auf leserlich.info) kann geprüft werden, ob die verwendeten Farben für Schrift und Hintergrund im Verhältnis zueinander passen, oder ob hellere bzw. dunklere Schattierungen genutzt werden sollten.

Die ILIAS-Community, vor allem die Special Interest Group (SIG) Barrierefreiheit, arbeitet intensiv daran, das Lernmanagementsystem ILIAS barrierefrei zu machen. Ein wichtiges Ziel dabei ist die Zertifizierung nach den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) und der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV).

Die WCAG definieren vier Prinzipien für die Barrierefreiheit von Webangeboten:

  • Perceivable (wahrnehmbar) – Die bereitgestellten Informationen können auf verschiedene Weise (z.B. lesen oder hören) und unabhängig von der verwendeten Technologie (z.B. Smartphone oder Screenreader) wahrgenommen werden.
  • Operable (bedienbar) – Das Webangebot kann auf unterschiedliche Weise genutzt werden, z.B. mit Maus, Keyboard oder Spracheingabe.
  • Understandable (verständlich) – Sowohl Inhalte als auch Bedienung des Webangebots (z.B. Navigation und Formulare) sind verständlich.
  • Robust – Das Webangebot funktioniert unabhängig vom verwendeten Browser, der Bildschirmgrösse oder genutzter unterstützender Technologien.

Diese Prinzipien zeigen, dass es nicht nur darum geht, Softwares wie Blog- oder Lernplattformen barrierefrei zu machen, sondern auch die damit bereitgestellten Inhalte. Dafür braucht es den Einsatz von allen Nutzer:innen. Für das Prinzip «Wahrnehmbar» kann man sich z.B. am «Zwei-Sinne-Prinzip» orientieren: Informationen sollten nicht nur über einen der drei Sinneskanäle Sehen, Hören und Fühlen erfasst werden können, sondern über zwei. Das bedeutet beispielsweise, Alternativtexte für Bilder zu verfassen, Videos mit Untertiteln zu versehen und Transkripte von Audiodateien anzubieten. Zum Prinzip «Verständlich» gehört unter anderem, eine möglichst einfache, der Zielgruppe angemessene Sprache einzusetzen, und Abkürzungen direkt beim ersten Auftauchen zu erklären.

Bei der Umsetzung hilft die kürzlich von der ILIAS-Community veröffentlichte «Toolbox Digitale Barrierefreiheit». Neben grundlegenden Informationen zu Barrieren und Barrierefreiheit gibt es auch Umsetzungstipps – nicht nur auf ILIAS und digitale Medien bezogen, sondern auch zur Durchführung von Lehrveranstaltungen und Sprechstunden.

Es ist also gar nicht so schwer, «digitale Bordsteinkanten» abzusenken, um die digitale Lehre für alle zugänglich und damit besser zu machen, und jede:r kann mithelfen.

Links:

 

Image: the curb-cut effect at sketchplanations.com

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