Zum Inhalt springen

University:Future Festival – Heads Up!

Ein digitale Konferenz-Erfahrung / ein Tagungsbericht mit verschiedenen Puzzleteilen

Ende April findet unter dem Motto Heads Up! das University:Future Festival rund um die Zukunft der Hochschulbildung statt – als hybride Veranstaltung sowohl in Präsenz auf drei Stages in Berlin, Bochum und Heilbronn sowie im digitalen Raum. Mit dem Festival wird die Auseinandersetzung mit den Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation in einem breiten Themenspektrum rund um KI, Architekturen, Technik, Strategieentwicklung, Kompetenz, Didaktik thematisiert.

Die erste und grösste Herausforderung des Festivals ist es, das Programm mit über 300 (!) verschiedenen Vorträgen, Workshops, Diskussionen und Mikrofortbildungen zu überblicken und das «Richtige» auszuwählen. Zum Glück wird alles aufgezeichnet und im Anschluss an die Tagung online zur Verfügung gestellt. Daher kann man sich auf ein Thema oder einen Input fokussieren und – zumindest theoretisch – parallel stattfindende Veranstaltungen zu einem späteren Moment besuchen. Als Online-Teilnehmer:in findet man sich in der digitalen Konferenzumgebung zum Glück problemlos zurecht – ein Verdienst der holländischen Plattform Let’s Get Digital, die hinter dem Konferenz-Auftritt steht. Von den mindestens 1000 Tagungsteilnehmenden ist eine Mehrheit online dabei. Einzelne Referate werden jedoch live von den drei Tagungsorten übertragen, wo auch ein reales Publikum zuhört. Stimmung und Authentizität realer Tagungen werden dabei auch in den Übertragungen sicht- und hörbar. So ergibt sich eine spannende Verschränkung von digitaler und physischer Präsenz.

Die Tagung einberufen hatten mit dem Hochschulforum Digitalisierung, der Stiftung Innovation in der Hochschullehre und dem deutschen Stifterverband drei grosse und wichtige Player der deutschen Hochschul-Landschaft. Acht inhaltliche Tracks bieten bei der Auswahl der besuchten Veranstaltungen Orientierung: Spaces & hybrid concepts, Learning & Skills, Empowerment & Sustainability, Openess & Vision, Strategie & Management, Exams & Legal, AI & Technology, Knowledge Transfer & Communities. Hier ein Einblick in ausgewählte Veranstaltungen, die Vertreter:innen des ZLLF am Festival verfolgt haben:

In der Veranstaltung «Behind the Scenes: Future Skills als Pflichtmodul im Curriculum – Ein Erfahrungsbericht» berichteten Annette Ott und Yvonne Weber passend zum Track Learning & Skills darüber, was und wie Hochschulen bei der Entwicklung von Future Skills bei ihren Studierenden unternehmen bzw. mitwirken können. Dazu wurde im Center of Advanced Studies der dualen Hochschule Baden-Württemberg ein Modul für fachübergreifende bzw. Schlüsselkompetenzen entwickelt und als Pflichtmodul über die verschiedenen Fachbereiche ins Curriculum integriert. Das Modul (5 ETCS) umfasst einen Auftaktworkshop mit Übungen zur persönlichen Standortbestimmung sowie dem Blick in die Zukunft während des Masterstudiums und die Zeit danach. Anschliessend wählen die Studierenden zwei Seminare aus einem Angebot von 40 möglichen entsprechend der individuellen Zielsetzung aus. Jedes der Seminare umfasst zwei Tage mit Inputs und vielen Übungssequenzen. Ein abschliessender Reflexionsprozess wirft den Blick zurück auf den Lernprozess. Die mit dem Modul verbundene «Lernreise» wird mithilfe eines ePortfolios über die Plattform Mahara dokumentiert und über speziell geschulte Dozierende begleitet; sie zählt gleichzeitig als Leistungsnachweis. Für das fachübergreifende Modul wird mit vielen externen Dozierenden mit vielfältiger beruflicher Erfahrung zusammengearbeitet, welche auch als Role-Modell fungieren, ihre breite Lebenserfahrung teilen und zur Netzwerkbildung anregen sollen. Mit dem Modul wird ein latenter Bedarf gedeckt, auch wenn die Studierenden den Nutzen oder Bedarf häufig erst nach dem Studium richtig einschätzen können, da für ein Studium an der dualen Hochschule immer erst der fachliche Aspekt im Vordergrund steht, später aber von der persönlichen Weiterentwicklung überholt wird. Mit dem Modul erfüllt die Hochschule ihren Bildungsauftrag – Schlüsselkompetenzen sind expliziter Bildungsauftrag einer Hochschule – und ermöglicht maximale Freiheit für die Gestaltung des eigenen, individuellen Lernweges, der von den Studierenden im Spannungsfeld von Freiheit vs. Zumutung erlebt wird.

Mehrere Referate beschäftigten sich auch mit Räumen an Hochschulen. Eine Gruppe um Jona Piehl von berichtete vom Reallabor «Innovatives Lernraumdesign» an der HTW Berlin. Im Rahmen des Projektes wurden mehrere Lehrräume mit flexiblem Mobiliar ausgestattet. Mit verschiedenen Anordnungen konnten Unterrichtsräume für unterschiedliche – auch hybride – Unterrichtssettings genutzt werden. Die Erfahrungen mit den Räumen waren insgesamt sehr positiv. Die Auswertung des Projekts führte daneben auch zu Ergebnissen, die über Fragen der Möblierung hinausreichen. Die Autor:innen des Beitrags wiesen etwa darauf hin, dass neue Unterrichtsräume auch die Lehrveranstaltungsplanung anspruchsvoller mache: Diese könne sich nicht mehr nur an der Grösse der Lerngruppen orientieren, sondern müsse auch die didaktische Intention einer Lehrveranstaltung berücksichtigten. Bei der Ausstattung von Räumen sollten zudem Möblierung und Technik aus einer Hand kommen – allerdings gebe es bisher kaum Unternehmen, die dies anbieten könnten. Ein weiteres Referat einer Gruppe um Katja Ninnemann betrachtete die Bedeutung von informellen Lernumgebungen am Hochschulcampus. Im Fokus stand die Bedeutung von Lernorten, die Studierende auf dem Flur, in der Mensa, in der Bibliothek oder an anderen Orten ausserhalb der eigentlichen Unterrichtsräume nutzen können. Das Autor:innen-Team mit Expert:innen aus der Arbeits- und Organisationspsychologie und aus der Bildungswissenschaft untersuchte, wie sich Verfügbarkeit und Erreichbarkeit von informellen Lernumgebungen auf das Wohlbefinden und die soziale Integration der Studierenden auswirken. Ihre Befragung von ca. 1000 Studierenden zeigte auf, dass ein Zugang zu genügend informellen Lernumgebungen einen messbaren direkten Einfluss auf das wahrgenommene Wohlbefinden der Studierenden haben. Zudem stärken informelle Lernumgebungen das Zu- und Zusammengehörigkeitsgefühl der Studierenden, was indirekt ebenfalls einen positiven Einfluss auf deren Wohlbefinden habe. Das sei nicht nur nett für die Studierenden, sondern bringe auch handfeste Vorteile in Form von geringeren Abbruchquoten mit sich. Die Autor:innen wiesen dabei auch darauf hin, dass der Zugang zu informellen Lernräumen in der Regel weniger durch physische als durch administrative Hürden eingeschränkt sei: Die Studierenden wüssten oft nicht, ob und wann sie bestimmte Räume nutzen dürften, oder es fehlten Reservierungs- und Suchmöglichkeiten für informelle Lernorte – Hindernisse also, die Hochschulen mit gutem Willen und entsprechenden Prozessen vergleichsweise einfach aus dem Weg räumen könnten.

In seinem Vortrag «Rethinking our education infrastrucutre using open technologies of the future» zeigte Martin Dougiamas, Gründer des Open Source Softwareprojekts Moodle, auf, wie offene Bildungstechnologien das Lehren und Lernen auf menschliche Art und Weise am besten unterstützen können. Ausgehend von globalen Trends der Digitalisierung und der Tatsache, dass sich der digitale und analoge Bereich immer mehr in unserem Alltag überschneiden, wies er auf die Wichtigkeit des «alignment» hin. «Alignment» der Technologien mit menschlichen, gesellschafts-relevanten Werten. Im Zuge der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz und dessen Einfluss auf unser Leben werde diese Frage immer relevanter. Weder Tech-Firmen, die von Profit gesteuert seien, noch Politiker, die oftmals nur kurzfristige Ziele verfolgten, würden die grossen Probleme unsere Zeit lösen. Daher, so Dougiamas, brauchen wir Bildungsinstitutionen, die die 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der UNO (Sustainable Development Goals) auf ihre Agenda schreiben und umsetzen. Dies bedeutet unter anderem, dass Bildungsinstitutionen aktiv, in Einklang mit den 17 Zielen, an der Entwicklung von Bildungsressourcen, Technologien und deren Infrastruktur mitwirken. Das Prinzip der «Openess» sei dafür entscheidend. Um diese «healty education» voranzutreiben, gründete Dougiamas 2019 die Open EdTech. Übergeordnete Ziel ist es, anhand von Cloud Hosting mit einer offenen Infrastruktur, qualitativen offenen Bildungsmaterialen, kollaborativen Lernräumen, ethischen edubots,… eine Generation auszubilden, die die nachhaltigen Entwicklungsziele der UNO erfüllen und die Probleme unserer Zeit konstruktiv angehen kann.

Abschliessend: eine gelungene hybride Veranstaltung mit einem tatsächlich gut funktionierenden Online Format, in dem es nur wenige, kaum beachtenswerte technische Einschränkungen gab; Kompliment an das Hochschulforum Digitalisierung, die Stiftung Innovation in der Hochschullehre und den Stifterverband als Organisatoren.

 

Link zu Online-Beiträgen

Beitrag teilen in