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Inverted Classroom zwischen Agilität und Nachhaltigkeit

Die zwölfte Tagung «Inverted Classroom and beyond» fand Mitte Februar erstmals an der FH-Graubünden statt. Unter dem Fokusthema Agile Didaktik für nachhaltige Bildung bot sie den Teilnehmenden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema sowie mit verschiedenen didaktischen Formaten für Deeper Learning.

Keynote «Traumbildung. Wo sich Agilität und Nachhaltigkeit küssen»

Mit Zauberhut und Zauberstab wandte sich Christof Arn zu Beginn seiner Keynote «Traumbildung. Wo sich Agilität und Nachhaltigkeit küssen» an das Publikum mit der Frage, welchen Wunsch er Lehrenden für ihre Module erfüllen sollte. Er forderte das Publikum auf, zu notieren, wo die Studierenden idealerweise am Ende ihrer Lehrveranstaltung stehen. Mit dieser unerwarteten, kreativen Aktivierung erlangte er die ungeteilte Aufmerksamkeit des Publikums für seine Ausführungen zur Nicht-Wegwerf-Bildung, die er auch als Kreislaufbildung bezeichnet. Diese kennzeichne sich durch folgende Prinzipien:

  • Lernen ist eine Aktivität! Wenn Lehrende dieses Prinzip beherzigen, stellen sie Lernende ins Zentrum ihrer Lehrhandlungen, ein nachhaltiges Lernen könne damit stattfinden.
  • Der Sinn von Präsenzveranstaltungen ist die Gelegenheit aufeinander eingehen zu können! Das didaktische Konzept des Inverted Classroom eigne sich, dieses Prinzip umzusetzen.
  • Sinn des Moments wahrnehmen! Das Gelingen einer Kreislaufbildung lässt sich daran messen, ob die Momente einer Lehrveranstaltung als sinnvoll wahrgenommen werden.

Zur konkreten Umsetzung der Kreislaufbildung regte Arn an, ausgehend von einem kraftvollen Ziel die Lernstände von Studierenden wahrzunehmen und mit einem lebendigen, kombinierbaren methodischen Repertoire sinnvolle Lerngelegenheiten zu ermöglichen. Klar, einfallsreich und im Dialog mit dem Publikum legte Arn seine Gedanken zur Kreislaufbildung dar und vermochte damit einen magischen Lernmoment für das Publikum zu schaffen. (Yolanda Martinez Zaugg)

Keynote «Agiles Arbeiten & Lernen im ICM – Wie können wir die Lehre heute gestalten, wenn wir nicht wissen, was morgen gebraucht wird?»

Weniger spektakulär startete Prof. Dr. Karsten Morisse seine Keynote. Ausgehend von den Herausforderungen & Chancen der Hochschulbildung erläuterte er seine Vorstellung von New Learning, um diese im Zusammenhang mit agiler Lehre weiter zu denken. Ein weiter Bogen – wie sich im Verlaufe der Keynote zeigen sollte. Hier einzelne Aussagen als Blitzlichter.

Die Corona-Krise zeigte uns die Chancen und Grenzen neuer Lernorte und damit verbunden der digitalen und hybride Lehre. Anstelle einer konstruktiven Weiterführung des damit angestossenen Prozesses nimmt er aber aktuell einen Reflex zurück zur Präsenz wahr. Lehre zukunftsfähig gestalten heisst, für die Zukunft benötigte Kompetenzen in die Lehre zu integrieren. Unter dem Stichwort Future Skills zeigte er verschiedene Zugänge und Modelle. Anknüpfend an Bergmanns Begriff  «New Work» sprach er über Freiheit, Selbstverantwortung, Sinnstiftung, Entwicklung und Verantwortung als Prinzipien auch für New Learning.  Freiheit braucht Experimentierräume für die Studierenden, Selbstverantwortung heisst, den eigenverantwortlichen Lernprozess der Studierenden in den Blick nehmen und so zu gestalten, dass Studierende ihren Sinn darin finden. Entwicklung braucht kollektive Lernstrukturen, welche die Fähigkeit zur Selbstreflexion fördern. Das Stichwort soziale Verantwortung verweist darauf, dass ökologische und soziale Nachhaltigkeit zunehmend stärker beachtet werden müssen. Derart gestaltete Studiengänge integrieren Zukunftskompetenzen  und könnte mithilfe agiler Lehre umgesetzt werden. Ein Beispiel für die Umsetzung agiler Lehre zeigte er im folgenden Workshop (Hilde Krug)

DisQspace Inverted Classroom Method – student generated content im Mathematikunterricht

Im DisQSpace Format «Inverted Classroom Methode» berichtete Regula Krapf von der Universität Bonn vom Einsatz von interaktiven Videos für geflippte Mathematikvorlesungen. Ziel des Inverted Classrooms ist eine studierendenzentrierte Lehre, bei denen die Studierenden eine aktive Rolle in der Präsenzveranstaltung übernehmen. Um dies zu ermöglichen, erfolgt die Inhaltsvermittlung in der Selbststudienphase. Dies kann in Form von Videos, Texten, Lernmodulen,… erfolgen, die von Dozierenden erstellt werden.

Doch auch in der Lernphase der Wissensvermittlung können Studierende eingebunden werden. Generell wird dafür der Begriff «student generated content» verwendet. An der Uni Bonn geht es noch einen Schritt weiter: von Studierenden für Studierende. Im Rahmen des «eLearning-Praktikums» konzipieren fortgeschrittenen Mathematiklehramtsstudierenden digitale Lernmodule, die im Erstsemester-Pflichtmodul «Grundzüge der Mathematik» des Wintersemesters 2022/2023 mit der Inverted Classroom Methode eingesetzt wurden. Im Rahmen des Praktikums entstanden eine Vielzahl an Lightboard-Videos, die mit Verständnisfragen sowie ergänzenden Aufgaben in die Selbstlernphase eingebettet sind.

Die Videoerstellung erfolgt folgendermassen: die Studierenden erstellen zuerst ein mathematisches Konzept, das mit der Lehrperson besprochen wird. Danach geht es ins Videostudio, wo die Studierenden auf einer Glasscheibe die verschiedenen Schritte erklären, dabei werden sie durch die Glasscheibe hindurch frontal gefilmt. Dadurch können die Studierenden gleichzeitig in Richtung der Kamera schauen, etwas schreiben und erklären. Bei der Produktion hat sich herausgestellt, dass die Glasscheibe eine Art Schutz ist und es den Studierenden leichter macht, vor der Kamera zu sprechen.

Das Ergebnis der Lightboard-Lernvideos? Regula Krapf ist hochzufrieden mit den Lernvideos von den Studierenden, auch kommen diese gut bei den Erstsemestern an. Durch das Modellieren und Externalisieren der Gedanken während des Rechnungsprozesses fühlen diese sich abgeholt und können die Schritte besser nachvollziehen.

Der Aufwand ist allerdings beachtlich für die Dozentin: exakte mathematische Erklärungen zu konzipieren braucht Zeit und mehrere Feedbackschlaufen, damit die Videos letztendlich inhaltlich und didaktisch makellos sind. Da diese Erklärmethode in der Mathematik häufig eingesetzt wird und die Videos zudem sehr professionell sind, ist nun die Überlegung, diese als OER anzubieten. Dies hätte zwei Vorteile: die angehenden LehrerInnen auf die Thematik «Open Education Ressources» zu sensibilisieren und anderen Hochschulen gute Lernmaterialeien zur Verfügung zu stellen. (Frederike Hanke)

 

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