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Bunte Mischung von Legosteinen

Modulare Möbel-Systeme als Vorbild für die Hochschul-Weiterbildung

Was kann man vom Schweizer Möbel-Hersteller USM Haller für die Gestaltung von flexiblen Weiterbildungsprogrammen lernen? Antworten darauf gab die Herbsttagung des Zentrums für Universitäre Weiterbildung ZUW der Universität Bern. Ein Tagungsbericht.

Seit über 10 Jahren richtet das Zentrum für Universitäre Weiterbildung der Uni Bern jeweils im Herbst eine kompakte Tagung zu aktuellen Fragen der Hochschullehre aus – diesmal stand die „Flexibilisierung der Hochschulweiterbildung“ im Fokus. Die Tagung bot den anwesenden Vertreter*innen der Schweizer Hochschul-Gemeinschaft eine sinnstiftende Kombination aus theoretischen Konzepten und konkreten Praxisbeispielen.

Als inspirierenden Auftakt stellte die Direktorin des ZUW, Dr. Christina Cuonz, Parallelen zu Programmen ausserhalb des Bildungssektors vor: Worauf achten erfolgreiche Unternehmen, die flexible Möbelprogramme oder modulare Gebäudeprogramme anbieten oder die hochwertige Fahrräder nach individuellen Bedürfnissen zusammenstellen? Cuonz hatte Vertreter der Möbelmarke USM-Haller, des Baubüros In Situ und des Fahrradherstellers Design Your Bike befragt und präsentierte die Ergebnisse mit pointiert zusammengestellten Ausschnitten aus den Interviews. Als aufschlussreiches Ergebnis schälte sie das Zusammenspiel von „Flexibilisierung“ und „Modularisierung“ heraus – zwei Begriffe, die auf den ersten Blick synonym erscheinen mögen, deren Unterscheidung in den Ausführungen des USM-Haller-Experten aber essentiell ist: Eine konsequente Modularisierung sei Voraussetzung für eine weitreichende Flexibilisierung. Erst eine sinnvoll gestaltete Palette von Modulen erlaube es, daraus flexibel ganz unterschiedliche Möbel zusammenzustellen. Entscheidend sei dabei, dass diese Grundmodule bis ins Detail durchdacht seien und dass man eine einmal gewählte Systematik „mit extremer Sturheit“ verfolgen und umsetzen müsse. Ansonsten büsse man die Kombinierbarkeit und damit die eigentliche Stärke der Flexibilisierung ein. Ob eine Mehrheit der Kunden nicht von der schieren Zahl von Kombinationsmöglichkeiten überfordert sei, fragte Cuonz im Interview den Vertreter von Design Your Bike. Die lapidare Antwort: Ja, die meisten Kunden seien überfordert. Deshalb sei es wichtig, einige wenige Grundmodelle zu haben, die entweder schon beim Kauf modifiziert oder später erweitert oder umgebaut werden könnten.

Eine theoretische Annäherung ans Thema stellte Prof. Dr. Eva Cendon, Professorin für Wissenschaftliche Weiterbildung und Hochschuldidaktik an der FernUniversität Hagen vor. Sie verglich Weiterbildung u.a. mit Bausteinen verschiedener Grösse und Ausprägung, wie man es von Lego kennt. Anhand von protoypischen Weiterbildungsteilnehmer*innen zeigte sie auf, dass die Erwartungen an eine Weiterbildung explizit oder implizit von den Erwartungen an die eigene berufliche Entwicklung abhängen. Zu solchen Erwartungen zählten etwa die nachträgliche theoretische Fundierung und Kontextualisierung von bereits erworbenem berufspraktischem Wissen, die Vernetzung in der Berufspraxis (auch) mit Blick auf weitere Karriereschritte oder eine „Fahrkarte“ für eine berufliche Neuausrichtung. Die bewusste Berücksichtigung dieser – oft unbewussten oder unausgesprochenen – Erwartungen wurde in Cendons Referat als wichtige Orientierung für die Gestaltung von Weiterbildungsprogrammen sichtbar. Zwei weitere Impulsreferate von Dr. Martina Arioli, wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZUW, und Dr. Nicolas Reum, Projektmanager am CHE Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh, griffen weitere Aspekte der Flexibilisierung auf. Arioli zeigte, wie sich Weiterbildung entlang der Dimensionen Inhalt, Zeit und Format / Raum flexibel gestalten lässt; Reums Referat liess eindrücklich erkennen, dass die Hochschul-Weiterbildung im benachbarten Deutschland gänzlich anders funktioniert: Im Gegensatz zur Schweiz hat sich hier weder ein normiertes System analog zu CAS-, DAS- und MAS-Abschlüssen mit entsprechenden gesetzlichen Rahmungen und Qualitätskriterien noch eine trennscharfe Abgrenzung von Aus- und Weiterbildung etabliert.

Praktische Einblicke in die Weiterbildung ermöglichten die Präsentationen von Dr. Pascale Anderle, stellvertretende Direktorin und Studienleiterin der Sitem-Insel-School in Bern, und von Prof. Dr. Christoph Negri, Institutsleiter am Institut für Angewandte Psychologie (IAP) der ZHAW. Die Sitem-Insel-School bringt als Weiterbildungsanbieterin an der Schnittstelle von medizinischer Forschung, medizinischer Praxis am Berner Insel-Spital und Medizinalbranche Personen aus der Universität, der Klinik und der Privatwirtschaft zusammen, und zwar sowohl seitens der Lehrenden als auch seitens der Weiterbildungsteilnehmenden. Das IAP zählt zu den ältesten und grössten Weiterbildungsanbietern im Schweizer Hochschul-Weiterbildungsmarkt und deckt mit seinen Angeboten ein breites Themenfeld ab. Die Beispiele von Anderle und Negri zeigten erneut auf, dass einer konsequenten Flexibilisierung eine klare Planung zugrunde liegen muss. Zudem wurde deutlich, dass Flexibilisierung buchstäblich ihren Preis hat: Am IAP sind die hochflexiblen Angebote teurer als stärker standardisierte Programme – Geld, das einerseits in die Koordination und andererseits in die engere individuelle Begleitung der Lernenden fliesst. Die hohe Bedeutung von individuellen Ansprechpartnern, welche die Lernenden als Coach und Begleiter durch die Kombinationsmöglichkeiten lotsen, strich auch Anderle von der Sitem-Insel-School hervor. Die Rolle der Lehrenden in der Weiterbildung, so die beiden Referent-innen einstimmig, entwickle sich in flexibilisierten Weiterbildungsprogrammen noch stärker hin zum Lernbegleiter – eine Erkenntnis, die auch für die Ausbildung zutreffen dürfte und die Hochschuldidaktik in den nächsten Jahren weiter beschäftigen dürfte.

Bild: Adobe Stock (194261326)

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