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nebelige Wiesenlandschaft mit Wegweiser

Scholarship of Teaching and Learning

Professionalität in der akademischen Lehrtätigkeit steigern – mit diesem Fokus entwickelte sich Scholarship of Teaching und Learning – kurz SoTL –in den letzten Jahren zu einem viel diskutierten Konzept in der deutschsprachigen Hochschuldidaktik. Es beabsichtigt die wissenschaftliche Auseinandersetzung von Dozierenden mit ihrer Lehre und der Lehre ihrer Disziplin. Dahinter steckt die Überlegung, dass es für die Steigerung der Bedeutung von Lehre als akademische Tätigkeit und die Entwicklung einer Lehrprofessionalität das Gespräch über und die Auseinandersetzung mit der Lehre braucht. Dafür werden systematisch gewonnene Erkenntnisse einer interessierten Öffentlichkeit für eine Diskussion und einen Erfahrungsaustausch zugänglich gemacht. Obwohl im deutschsprachigen Raum erst in den letzten Jahren bekannt, ist SoTL in Nordamerika ein wichtiger Gegenpart zur klassischen Forschung (Huber et.al., 2014, S.7).

Ausgehend von Beobachtungen der eigenen Lehre entwickeln Lehrende eine Forschungsfrage, die sie zu einer vertieften Auseinandersetzung motiviert und auf die sie mit ihrem SoTL-Forschungsprojekt eine Antwort finden möchten («questioning»). Dies kann z.B. ein lehrbezogenes Problem oder die Einführung neuer didaktischer Methoden sein. Die Lehrenden bearbeiten diese Fragestellung so wissenschaftlich wie möglich und nötig, indem sie empirische Befunde aufgreifen, (sozial-)wissenschaftliche Forschungsmethoden umsetzen («gathering and exploring evidence») und die Ergebnisse auf ihre eigene Lehre transferieren («trying out and refining new insights»). Ergänzend berichten sie in angemessener Form, z.B. in Artikeln, bei Tagungen oder Erfahrungsaustauschrunden über ihre Ergebnisse und machen diese so für Kollegen*innen zugänglich («going public and sharing knowledge») (Huber 2011, S. 119).

Gleichwertig neben der Erforschung und Entwicklung der eigenen Lehrtätigkeit steht das zur Verfügung stellen der Erkenntnisse für eine vertiefte Diskussion in der Community anderer Lehrender. Genau dieser Schritt erweiterte das ursprüngliche Scholary of Teaching zum Scholarship of Teaching and Learning. Die vertiefte Auseinandersetzung und Diskussion der Lehre trägt zur Professionalisierung der Lehre auf wissenschaftlicher und akademischer Disziplinenebene bei.

Inhaltlich bezieht sich SoTL auf die Erprobung und Weiterentwicklung innovativer Lehr- und Lernformate auf der Ebene Lehrveranstaltung oder Studiengang bzw. Studiengangsentwicklung. Innovative Lehr- und Lernformate werden breit verstanden, bis hin zu innovativem Prüfen, und sollen die Förderung studentischen Lernens und Kompetenzerwerb ermöglichen. Auf der Ebene Lehrveranstaltung sind verschieden Typen oder auch Dimensionen von SoTL-Forschungsprojekten möglich. Innovationsberichte stellen innovative Konzepte mit den entsprechende Evaluationsergebnissen vor oder beschreiben einzelne Veranstaltungen und deren mikrodidaktische Umsetzung. Didaktische Diskussionen sichten, erörtern und diskutieren didaktische Befunde der (fach-)didaktischen Lehr- und Lernforschung oder spezifischer Lehrveranstaltungskonzepte. SoTL schafft immer auch die Möglichkeit für einen Austausch über die Unterschiede und Besonderheiten der Lehre in den verschiedenen Fächern und die Grundlage für die Entwicklung hochschulischer Fachdidaktiken.

Classroom Research, Practitioner Research, Teacher Research, Action Research, Praxisforschung oder Scholarship of Teaching and Learning (SoTL)… all diese Konzepte stehen für das Erforschen konkreter Situationen des Lernens und Lehrens an Hochschulen durch die Lehrenden selbst. Auch wenn das Vorgehen je nach Konzept differiert, geht es um das Geschehen im Hörsaal, Labor, Seminarraum, auf Exkursionen… die Bedingungen, Auswirkungen und daraus erarbeiteten Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des eigenen Lehrhandelns. Im Gegensatz zur traditionellen, meist (lern-)psychologisch geprägten akademischen Lehr-Lernforschung, bei der Lehrende lehren und Lernforschende forschen, erforschen bei SoTL Dozierende ihre eigene Unterrichtspraxis nach Grundsätzen wissenschaftlichen Arbeitens. Damit wird die Aufgabenteilung zwischen Forschenden und Dozierenden aufgehoben. SoTL zeichnet sich durch eine systematische Auseinandersetzung von Dozierenden mit und durch Reflexion zur Verbesserung der eigenen Lehre aus. Dies ist die Stärke von SoTL, auch wenn die Forschungsperson damit nicht unabhängig ist. Die Assoziation mit Forschung wertet Lehre und Hochschuldidaktik auf, auch wenn empirische Forschung durchaus eine umfassendere Dimension einnimmt. Forschen und der Austausch über die eigene Lehrtätigkeit trägt aber sicherlich zur Entwicklung von Unterrichtsqualität bei. Idealerweise wird SoTL dafür institutionell verankert und entsprechende Ressourcen zur Verfügung gestellt.

Lehre macht neben Forschung den wichtigsten Teil einer Hochschule aus. Ein Grossteil der aus der Praxis stammenden Lehrenden einer Fachhochschule startet ohne didaktische Ausbildung oder systematische Einführung in die Hochschullehre. Die Entwicklung der eigenen Lehrpersönlichkeit und des eigenen Unterrichtsstils findet fortlaufend, auch angeregt durch eine hochschuldidaktische Ausbildung, statt. Die eigene Lehrtätigkeit konkurriert dabei stets mit den weiteren Aufgaben einer Dozent*in. Gleichwohl gewinnt Erfahrung und Qualifikation in der Hochschullehre als Baustein eines akademischen Lebenslaufs an Bedeutung. Das Verstehen des Lernens der Studierenden und die Wirkung des eigenen Lehrangebotes sind dafür wichtige Vorbedingungen. SoTL ermöglicht, die eigene Lehre systematisch zu dokumentieren, zu evaluieren und damit das eigene Lehrhandeln zu verbessern. Durch den direkten Feldzugang und hohen Praxisbezug erweitert sich die Perspektive auf den eigenen Unterricht und ermöglicht gleichzeitig das direkte Erproben gewonnener Erkenntnisse. Damit ist SoTL ein Instrument zur Konsolidierung der eigenen Lehrleistung, -konzeption und -handlung und lässt so für herausfordernde Lehrsituationen Sicherheit gewinnen.

 

Literatur

 

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