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„Wenn man es einmal gemacht hat…“

Wie sieht Selbststudium im 3. Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts aus? Dieser Frage widmete sich unter dem Titel «Everything, anytime and anywhere» der achte Tag der Lehre der Universität Bern. Die Universität versammelte zum traditionellen Anlass über 200 eigene Lehrende und Gäste von zahlreichen weiteren Hochschulen.

Die Impulsvorträge mehrerer Lernforscher/-innen machten deutlich, dass auch im Bereich der Hochschulbildung mittlerweile viel empirische Evidenz zu gutem Lernen besteht. Frank Fischer von der Ludwig-Maximilians-Universität München zeigte zum Beispiel auf, dass digitale Medien das Lernen nicht automatisch verbessern – im Gegenteil: Zu viel des Guten kann hier zu einer Überdosis führen, die kontraproduktiv ist. Lernförderlich sind interaktive Settings, bei denen die Lernenden selbst aktiv Lernwege suchen und beschreiten. Insbesondere Übungsanlagen, die realitätsnahe Anwendungsfälle simulieren, haben einen hohen Lerneffekt. Zudem geht, so Fischer, ein höherer Lerneffekt nicht immer mit einer höheren Zufriedenheit der Studierenden einher – hier zeigt sich wohl, dass Lernen in jeder Form anstrengend ist und sich ein engmaschig angeleitetes Selbststudium deshalb auf die kurzfristigen Einschätzungen von Studierenden niederschlagen kann. Lucia Malär und Bettina Nyffenegger von der Uni Bern wiesen zudem darauf hin, dass Blended-Learning-Ansätze bei Studierenden beliebter sein können als reines Distance-Learning. Auch Studierende schätzen also offenbar den sozialen Austausch vor Ort.

Beispiele aus unterschiedlichen Disziplinen ermöglichten neben dem theoretischen auch einen praktischen Zugang zum Thema. Lehrende mehrerer Hochschulen zeigten, wie sie Studierende in unterschiedlichen Lehrveranstaltungen – vom eng betreuten Laborunterricht in den Umweltwissenschaften bis zur Massenveranstaltung in der BWL – zum Selbststudium anleiten und dieses an den Präsenzunterricht anbinden. Allen Beispielen gemeinsam war die Tatsache, dass das Selbststudium didaktisch sehr sorgfältig ausgestaltet war und den Studierenden beim selbständigen Lernen klare inhaltliche und z. T. auch organisatorische Leitlinien bot.

Ebenso klar ging aus den Vorträgen und Beispielen auch hervor, dass weder Selbststudium noch digitalisiertes Lehren und Lernen die Arbeit der Lehrenden einfacher oder die Hochschullehre günstiger machen. Insbesondere der Initialaufwand bei der Umstellung von einem klassischen Unterricht auf einen Unterricht mit hohen Anteilen eines digital unterstützten Selbststudiums ist hoch, und auch danach ist der Betreuungsaufwand nicht unbedingt geringer. Doch der Aufwand lohne sich, so die einhellige Meinung der Rednerinnen und Redner. Severin Pinilla, Forscher und Dozent bei den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern, meinte dazu lapidar: «Wenn man es einmal gemacht hat, hat ein digitales Selbststudium viele Vorteile» – für das Lernen der Studierenden genauso wie für die Lehrenden.

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