stART campt im Historischen Museum Basel

Wie können soziale Medien zum erweiterten Raum einer Kulturinstitution werden? Wie sieht eine digitale Strategie für ein Museum aus? Kann man mit WhatsApp Geschichte lebendig vermitteln? Solche und ähnliche Fragen wurden am ersten stARTcamp auf Schweizer Boden diskutiert. Vorab sei gesagt: Es war eine sehr erfolgreiche Veranstaltung. Das war zumindest der Tenor der rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer grossteils aus der Schweiz vereinzelt aber auch aus Österreich und Deutschland, die sich am Montag, den 07.09 im Historischen Museum in Basel trafen. Das Ziel der stARTcamps, die es seit einigen Jahren in Deutschland und Österreich gibt, ist die Förderung des Dialogs über den Einsatz von sozialen und digitalen Medien im Kulturbereich.

Beim stARTcamp wird nicht nur über Social Media gesprochen sondern natürlich auch heftigst gepostet. Hier geht es zu einer Zusammenfassung der Berichterstattung auf Twitter und Co.
Beim stARTcamp wird nicht nur über Social Media gesprochen, sondern natürlich auch heftigst gepostet. Hier geht es zu einer Zusammenfassung der Berichterstattung auf Twitter und Co. zusammengestellt von Daniele Turini.

In der Tradition der sogenannten Barcamps wurde das Programm am morgen gemeinsam im Plenum entwickelt. Das heisst jeder kann ein Thema eingeben. Zugegeben: wir hatten etwas geschummelt, in dem wir vorab einige Leute gebeten hatten, etwas vorzubereiten. Camps unterscheiden sich zudem von klassischen Tagungen, in dem auch die Formate sehr unterschiedlich sein dürfen, vom Vortrag über die offene thematische Diskussion bis hin zu Workshops. In kürzester Zeit stand ein hochinteressantes Programm, mit dem einzigen Wermutstropfen, dass wir die vielen Angebote in drei parallelen Tracks organisieren mussten: die Qual der Wahl! Das Überthema „Kultur digital erzählen“ bot einigen Freiraum und so war die Spannbreite der Themen auch sehr gross. Hier einige Beispiele:

Marco de Mutiis sprach über die neue digitale Strategie des Fotomuseums Winterthur  – Ich erinnere mich an einen Workshop von vor drei Jahren in Basel als keines der anwesenden Museen eine offiziellen Strategie vorzuweisen hatte. Es hat sich also einiges geändert – Früher, so de Mutiis war die Publikation etwas, dass am Ende der Ausstellung passiert. Heute werden alle Objekte und die damit zusammenhängenden Informationen zu „digital assets“ die ständig zugänglich sind. Publikation wird zu einem konstanten, nicht-endenden Strom, der die Ausstellungstätigkeit begleitet und überlagert. Digital Asset Management ist also das Schlagwort.

Im Jahre 1944 zerstörte die Royal Airforce in die Stadt Pforzheim zu grossen Teilen. Der Deckname der Operation lautete damals Sawfish. Daniel Stahl berichtete wie die Zeitung „Die Stimme“ diese tragischen Ereignisse mit Hilfe des Nachrichtenapps WhatsApp nacherzählte.

Das Merianjahr läuft bereits und auch das historische Museums Basel erinnert an den grossen Kartographen allerdings nicht mit einer Ausstellung. Das Museum bereitet derzeit ein digitales Lernspiel, ein so genanntes Serious Game vor, in dem man mit den Zeitgenossen Merians vertraut gemacht wird und hoffentlich auch die Pest überlebt. Für mich hochinteressantes Detail: Das Durchschnittsalter von Gamern liegt bei 32 – 38.

Die Fondation Beyeler setzt sich zunehmend mit der Frage auseinander, wie man Ausstellungen mit interessanten medienspezifischen Inhalten und Aktionen spiegeln und erweitern kann. Mirjam Baitsch zeigte einige Beispiele aus der im Sommer zu Ende gegangenen Gaugain-Ausstellung. Gauguin liebte Musik und so wurden Im Rahmen des Projekts Gaugain-Sounds 45 Playlists zu seinen Bildern angeboten, die wiederum vom Publikum erweitert werden konnten. Auch eines der ersten Museeums-Instameets auf Schweizer Boden fand zur Gauguin-Ausstellung statt: 20 ausgesuchte Nutzer der Fotoplattform durften ausserhalb der Öffnungszeiten von der Ausstellung berichten. Es lohnt sich, kurz die Erfahrungen der Fondation aus den verschiedensten Projekten zusammen zu fassen:

  • Die Inhalte müssen relevant sein.
  • Es gibt kurzfristig relevante Inhalte und sogenannten Evergreen-Content. Z.B.:
    • kurzfristig: Infos zur laufenden Ausstellung
    • langfristig/Evergreen: Interview mit einem Kurator zu einem Werk
  • Ich muss dem Nutzer einen Mehrwert in Aussicht stellen
  • Es braucht kontinuierlichen Input (also nicht so wie von mir derzeit auf diesem Blog praktiziert!)
  • Es braucht einen Mix von Posts (Engagement, Information, Sharing, Emotions).
  • Inhalte müssen zielgruppenspezifisch und plattformgerecht sein.
  • Multimediale Inhalte (Text, Bilder, Videos) Vunktionieren sehr gut
  • Es erfordert Ressourcen (Budget und Personell
  • kontinuierliches Monitoring und Anpassung sind wichtig
  • Keine Angst vor Experimenten

Wir, meine Kolleginnen Bettina Minder, Barbara Kummler und ich haben ebenfalls in zwei Sessions unsere Arbeit vorgestellt. Dabei ging es vor allem um einen neuen Leitfaden zum Storytelling mit digitalen und sozialen Medien im Museum, den wir im nächsten Jahr herausbringen wollen. Bettina und Barbara sprachen eher die strategische Seite an, denn alle Museumsarbeit, auch in den Social Media, sollte immer strategiegetrieben sein. Bei mir ging es eher um Fallbeispiele und den Versuch einer Kategorisierung der diversen erzählerischen Möglichkeiten mit diesen Medien im Museumskontext. Die Slides hierzu folgen.

Da ich noch nicht in der Lage bin, mich an mehreren Orten gleichzeitig aufzuhalten, habe ich natürlich einige interessante Runden verpasst. Frank Tentler, gemeinsam mit Christian Holst einer der Mitbegünder der stART-Bewegung wird noch über seinen eigenen Beitrag berichten und hat hier schon mal seine Gesamteindrücke gesammelt. War natürlich hervorragend, dass wir mit ihm und Christian so viel geballtes Know How aus der stARTCommunity dabei hatten und umso schöner wenn man auch aus der Ecke so viel Lob bekommt. Ohne die Unterstützung des Historischen Museums und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wäre das natürlich nicht zu Stande gekommen. Und dass Roger Aeschbach von elementdesign gesagt hat “Kommt, wir machen das, ich übernehm die Organisation” und es nicht bereut hat, freut mich auch sehr.

Anhand des stARTcamps lässt sich die Entwicklung in der Schweiz in den letzten Jahren eigentlich recht gut ablesen. Ich finde es hat sich einiges getan seit meine Kollegin Bettina Minder und ich uns in 2009 erste Gedanken über Audience+ gemacht haben. Social Media gehören für viele Museen der Schweiz heute zum Tagesgeschäft. Man spricht mittlerweile nicht nur über museale Strategien sondern auch über digitale Strategien. Es hat sich auch der Gedanke durchgesetzt, dass Social Media nicht nur Sache von Marketing und Kommunikation sind, sondern sich von dem Wissen und den Geschichten aller Mitarbeitenden nährt. Allerdings kam auch immer wieder durch, dass das nur funktionieren kann, wenn es breite Unterstützung von “ganz oben” gibt und das ist noch längst nicht der Fall. Bei manchen Medien wie z.B. Twitter klemmt es auch. Twitter wird in der Schweiz genauso wenig flächendeckend genutzt wie in Deutschland. Und wie sehr man das Publikum einbinden kann, ist immer auch eine Frage der Mentalität und da sind die Schweizer eben etwas vorsichtiger als das Publikum in den USA oder Korea. Insofern muss man auch die Erwartungen entsprechend richtig kallibrieren.

Ach ja und jetzt rede ich schon wieder so viel über Museen. Wir nehmen das Feedback ernst, dass das nächste stARTcamp etwas weniger museumslastig sein sollte. Das liegt aber auch an Euch! Bis spätestens zum nächsten stARTcamp! Und wers nicht erwarten kann, sollte schleunigst unserer neuen Schweizer stARTcamp FB-Gruppe beitreten.

PS: Es liegt auch schon ein Presseartikel der BZ über das stARTCamp vor. Herzlichen Dank, Susanna!


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