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Eindrücke von den Eduhub Days 2020 – Videos in der Lehre

Das Thema «Video in der Lehre» stand im Mittelpunkt der diesjährigen «Eduhub Days 2020». Die «Eduhub Days» sind eine von SWITCH organisierte Veranstaltung, bei der ein für die Hochschulen relevantes Thema vertieft wird und Inputs in Form von Vorträgen und Workshops angeboten werden. Zudem ist es für die Mitarbeitenden der Schweizer Hochschulen aus dem E-Learning- und Didaktikbereich eine gute Gelegenheit, sich zu treffen, auszutauschen und zu vernetzen.

Zac Woolfitt von der Inholland University of Applied Sciences eröffnete die Tagung mit seinem Vortrag «Continuing the transition into the age of video». Durch seine Eingangsfrage, wie wir als 10-Jährige im Vergleich zu den heutigen 10-Jährigen gelernt haben, machte er dem Publikum die grossen Veränderungen bewusst. Mit einer 2004 beginnenden Timeline (Gründung von Facebook im Jahr 2004, dann Youtube 2005 gefolgt von Smartphones, MOOC,…) veranschaulichte er deutlich, dass die heutigen Studierenden mit dem Medium Video aufgewachsen sind. Und spätestens bei der Frage nach der Anzahl der vorhandenen Kameras im Hörsaal verstanden alle, dass wir im Zeitalter von Videos angekommen sind: geschätzte 500 Kameras in einem Hörsaal mit circa 180 Teilnehmenden …

Auch wenn Videos heute nicht mehr aus der Lehre wegzudenken sind, so ermöglichen diese alleine noch keinen Wissenserwerb. Wichtig ist, dass sich die Studierenden aktiv mit den Videos auseinandersetzen und diese nicht nur passiv konsumieren.

In den darauffolgenden Barcamps, Workshops und Tutorials kam dieses Thema immer wieder auf und es wurde über Möglichkeiten diskutiert, wie das passive Konsumieren von Videos vermieden werden kann und wie Studierende mit Videos aktiv und effizient lernen können. So könnte man z.B. eine Art «Model learning» machen und im ersten Kurs im Semester ein Video mit den Studierenden anschauen, um ihnen die Vorgehensweise zu zeigen. Oder Studierende könnten Videoinhalte im Präsenzunterricht ihren Peers präsentieren. Ein andere einfache Lösung wäre das Einfügen von interaktiven Fragen oder Reflexionsübungen auf ILIAS.

Wie so oft, gibt es nicht DIE eine Lösung oder die «One-size-fits-it-all-Lösung», wie es mehrmals während den zwei Tagen erwähnt wurde. Es müssen immer die Kontexte und die festgelegten Lernziele und Lernresultate angeschaut werden, um die «passende» Lösung zu finden.

Während der Eduhub Days 2020 spielten auch Animationsvideos eine Rolle und erfuhren grosses Interesse. Letztendlich ist es nicht schwierig, einfache Animationsvideos zu erstellen, es stehen heutzutage viele Tools mit ausführlichen Bilderbibliotheken im Netz zur Verfügung. In einer Barcamp Session haben Teilnehmende gemeinsam eine umfangreiche Sammlung von Software und webbasiertern Plattformen für die Arbeit mit Animationen zusammengestellt. Die Schwierigkeit liegt – wie so oft – nicht in der Technik, sondern in der Aufarbeitung bzw. Präsentation der Lerninhalte. Hier gilt es, sich gut zu überlegen, wie man ein Konzept oder eine Idee verständlich erklärt und die passenden Bilder dazu auswählt. Die eingesetzten Bilder oder Ikone, die während des Gesagten erscheinen, helfen dann die Informationen leichter aufzunehmen, wie die Multimediatheorie nach Mayer bereits belegt.

In seinem Vortrag «What makes a good instructional video – insights from educations psychological research» vertiefte Martin Merkt vom Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen den lernpsychologischen Aspekt des multimedialen Lernens und gab einen Überblick über Design-Prinzipen. Vorerst merkte er jedoch an, dass Studierende allgemein Videos schätzen, diese aber oft mit ihrer Freizeit assoziieren. Dies führe dazu, dass sie diese oberflächlich anschauen würden und nicht immer die richtige Einschätzung ihres Lernverständnis hätten («illusion of knowledge»).

Hier ein paar Design-Prinzipien, die Martin Merkt aus seinen eigenen und fremden Forschungsresultaten ableitet:

  • Zugänglichkeit: Videos können nicht mal kurz durchgeblättert werden wie Texte. Daher empfiehlt es sich, Inhaltsverzeichnisse einzubauen, sowie eine Suchfunktion.
  • Optimierung der kognitiven Prozesse: am bestehenden Vorwissen anknüpfen und kurze Lerneinheiten gestalten, da unser Gehirn eine beschränkte Kapazität besitzt, Informationen aufzunehmen. Um die Aufmerksamkeit der Lernenden zu lenken und den Fokus auf die wesentlichen Elemente zu richten, ist das Hervorheben von Elementen hilfreich.
  • Sich in einer informellen Sprache direkt an die Lernenden zu richten, verbessert die Lernergebnisse.
  • Das Setting bzw. der Hintergrund eines Lernvideos hat keinen nachweisbaren Effekt auf das Lernen, solang dies nicht ablenkt und der Hintergrund statisch ist.
  • Das Videoformat „Talking Head“ führt zu besseren Evaluationen, ändert aber nichts am Lernergebnis.
  • Bei der Kamera-Position sind frontale Aufnahmen für den Lernerfolg besser als Kameraeinstellungen von der Seite.

Aber rechtfertigt die Tatsache, dass Videos zur heutigen Zeit gehören den Einsatz von Lernvideos? Laut Zac Woolfit sind 86 % der 12 bis 19-jährigen Personen regelmässig auf Youtube, und 50 % nutzen Youtube-Videos, um sich Wissen anzueignen oder dieses zu vertiefen. Wann sind Videos nun sinnvoll?

Nach den Forschungsarbeiten von Martin Merkt sind Videos besonders geeignet, wenn dynamisch, visuelle Repräsentationen aufgezeigt und erklärt werden. Auch haben vor allem Videos, die psychomotorische Fähigkeiten aufzeigen, einen grossen Lerneffekt. Ausserdem hilft die Kombination aus auditivem und visuellem Kanal, die Informationen besser aufzunehmen und abzuspeichern.

Der Einsatz von Videos in der Lehre kann aber auch mit sozialen Argumenten begründet werden, wie Emily Nordmann von der University of Glasgow in ihrem passionierten Vortrag «Study skills and strategic use of lecture capture» erläuterte. Selbst diejenigen, die bis dato eher skeptisch über gefilmten Vorlesungen waren, haben sicherlich interessante Erkenntnisse aus den von ihr präsentierten Forschungsarbeiten mitgenommen.

Bei der Untersuchung der traditionellen «Lecture Capture» (gefilmte Vorlesungen) identifiziert Emily Nordmann drei Phasen:

  1. Phase: Akademische Apokalypse oder das Ende der Hochschulen?
    Gefilmte Vorlesungen bedeuten nicht das Ende der Hochschulen. In der Regel hat das Bereitstellen von gefilmten Vorlesungen keinen Einfluss auf die Präsenzrate der Studierenden im Hörsaal. Die Kombination von Anwesenheit während der Vorlesung und Nachbearbeitung mit der Vorlesungsaufzeichnung führt zu besseren Lernerfolgen, vor allem bei schwächeren Studierenden.
  2. Phase: Tipps und Ratschläge zur effizienten Nutzung
    Gefilmte Vorlesungen sind ein Werkzeug wie viele andere und wie bei allen Werkzeugen können sie effizient oder ineffizient genutzt werden. Lehrende sollten daher Studierenden Tipps geben, z.B. über effizientes Mitschreiben oder über die Wichtigkeit der Anwesenheit bei der Vorlesung für den Lernerfolg. Zusammenfassend kann man sagen, dass die clevere Nutzung von gefilmten Vorlesungen zu besseren Lernerfolgen führt. Solche Tipps und Ratschläge führen auch dazu, dass Studierende gezielter agieren und ihr eigenes Lernen besser steuern können.
  3. Phase: Gefilmte Vorlesungen als zweite Chance
    Für die sozial schwächeren, arbeitenden, betreuungsbedürftigen  und physischen eingeschränkten Studierenden (etc.) sind Vorlesungsaufzeichnungen enorm wichtig. Sie können die oft noch bestehende akademische Wand zum Einsturz oder diese zumindest zum Wackeln bringen. Die Chancengleichheit und Inklusion an Hochschulen wird gefördert. So schloss Emily Nordmann ihren Vortrag mit einem Appell an die Hochschulen: «We have a responsibility for the well-being of our students!»

Zac Woolfit fand seine ersten Lernvideos furchtbar. Heute nutzt er das Medium ganz selbstverständlich und routiniert. Es lohnt sich, einfach mal auszuprobieren und sein Ego auf die Seite zu schieben, ganz nach dem Motto: «Must it be perfect or ready by Tuesday»? Oder vielleicht hilft es auch, an den Appell von Emily Nordmann zu denken, dass wir als Hochschulen einen gesellschaftlichen Auftrag haben.

Alle drei Keynote-Vorträge befinden sich auf dem Internetportal von Switchtube: https://tube.switch.ch/channels/8469e6fd

Für eine kurze Zusammenfassung der Vorträge lohnen sich die Animationsvideos von Michael Mittag: https://tube.switch.ch/channels/ef818c96

 

 

 

 

 

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