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Warum noch (Hoch-)Schulen? – Bildungsbier Nr. 6


Den Grossteil dessen, was uns privat wie beruflich hilft, haben wir ausserhalb von (Hoch-)Schulen gelernt: aufrecht gehen, die Muttersprache, Empathie, Fahrradfahren, Steuererklärung, Bewerbungen schreiben, usw. Auch in der Gegenwart lernen wir in der «wirklichen Welt» mehr als in Weiterbildungen: im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen, durch Übung, aus Fehlern und Erfolgen, wenn wir ein Problem mit Freundinnen oder Freunden teilen, usw.
Im sogenannten «Bildungssystem» passiert viel Nicht-Bildung. Was für eine Note hätten wir in einer Mathe-, Geografie- oder Geschichtsprüfung gemacht, wenn man den Stoff zwei Jahre später nochmals geprüft hatte? Zudem: Wie viel von dem, was wir zwei Jahre später noch gewusst hätten, ist in unserem Leben bedeutsam? Gewiss, es ist nicht nichts, und darum gibt es in der obigen Grafik auch eine Schnittmenge: Kopfrechnen brauche ich fast täglich, rechtschreiben auch. Im Studium habe ich Dinge über religiösen wie politischen Fundamentalismus gelernt, die mir heute noch viel helfen. Aber bei weitem nicht alle Zeit, die ich im «Bildungssystem» verbracht habe, kann ich sinnvoll als Bildung sehen.
Schon diese beiden Beobachtungen laden dazu ein, das Wort «Bildungssystem» anders zu verstehen: Wenn es so heisst, müssten alle Bereiche, in denen Bildung passiert, dazugehören; und alle Bereiche bzw. Tätigkeiten nicht, die nicht zu Bildung führen. Damit stellt sich indirekt die Frage, welche Funktion so gesehen (Hoch-)Schulen haben sollen; und mitunter auch die Gretchenfrage: Braucht es sie überhaupt?
Man kann diese Gretchenfrage als Polemik einschätzen, gar als Affront empfinden. Muss man aber nicht. Ab und an die Grundsatzfrage zu stellen tut gut – und da ich selbst mich so gut wie ganz vom Bildungssystem ernähre, meine ich, diese Frage stellen zu dürfen. Sie hält uns fit.
Aktuell kommt eine zweite grundlegende Infragestellung des Bildungssystems aus einer ganz anderen Richtung hinzu: In der offenen, digitalisierten Wissensgesellschaft ist Wissen (und teilweise Können) prinzipiell allgemein verfügbar. Wer wirklich Wissen (oder eben Können) aufbauen will, kann sich die Dinge oft selbstgesteuert holen – und zudem weltweit Fachpersonen aufstöbern, die manchmal gerne weiterhelfen, und dies nicht selten unentgeltlich, aus Leidenschaft.
Gewiss, das Bildungssystem vergibt Papiere: Zeugnisse, Abschlüsse, Zertifikate. Aber reicht das als Daseinsberechtigung? Zudem: Sind diese Papiere weiterhin genügend aussagekräftig, plausibel?
Am 14. Dezember, 17 bis 19 Uhr stellen wir die Gretchenfrage im Bildungsbier Nr. 6. Verschiedene Fachpersonen sind dabei – teils physisch, teils zugeschaltet.
Herzlich eingeladen! (Getränke und Musik gibt es auch, wie immer 😉 )

Flyer

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