Soziale Arbeit in virtuellen Welten

von Mischa Bucher, Absolvent Minor Digitalisierung und Soziale Arbeit, Mai 2022

In diesem Beitrag wird das Konstrukt zukünftiger virtueller Welten und die Rolle der Sozialen Arbeit in ihnen behandelt. Durch das beigefügte Video erhalten Sie einen Eindruck in aktuelle, virtuelle Welten und bereits mögliche Handlungsfelder der Sozialen Arbeit.

Eine Welt die allen gehört, in der wir Regeln und Werte neu definieren, unser äusserliches Erscheinen frei gestaltbar ist und uns eine bis zuvor unvorstellbare Anzahl an Tätigkeiten geboten wird; dies verspricht uns das Konstrukt neuer virtueller Welten. Wie agiert die Soziale Arbeit, wenn virtuelle Welten auf einmal Lebenswelten ihrer Klientel sind? Handelt es sich bei dieser Vorstellung um eine unumgängliche Entwicklung sozialer Räume?  Offene Fragen, die es für unser Klientel zu klären gilt.

Das wohl am weit bekannteste Synonym für eine virtuelle Welt lautet Metaversum. Der Begriff stammt aus dem Science-Fiction-Roman «Snow Crash», welcher 1992 erschienen ist. Eine Geschichte, in der die Menschen von der eintönigen Wirklichkeit in eine virtuelle Welt flüchten, um sich eine neue und aufregendere Welt zu kreieren. Seit Jahren versucht die Tech-Branche diese Vorstellung zu verwirklichen, doch erst seit der Verkündigung von Mark Zuckerberg (Geschäftsführer Meta Platforms ehem. Facebook) sich einem eigenen Metaversum zu widmen, gewinnt die Thematik an Reichweite. Die Vorstellungen wie eine Metaverse genau aussehen sollte, auf welchen Grundlagen sie basiert und welche Möglichkeiten sie bietet, sind noch sehr unterschiedlich. Durch die Recherche wurde jedoch klar, dass das Konstrukt einer Metaverse als Ergänzung zum Web 3.0 betrachtet werden kann und sich bei einer erfolgreichen Durchsetzung in allen Bereichen des Lebens eines Menschen wiederfinden wird. Das Marktforschungsunternehmen Gartner Inc. hat hierfür, aus meiner Sicht, eine treffende Visualisierung der möglichen Elemente eines Metaversum erstellt (Siehe Abbildung).  Das Visionsvideo von Meta Platforms gibt zusätzlich einen grundlegenden Eindruck wie virtuelle Welten in der Zukunft aussehen und uns begegnen könnten.

Nun mag einem das Konstrukt zukünftiger virtueller Welten abstrakt und fremd erscheinen, doch betreten bereits heute erstaunlich viele Menschen Beta-Versionen. Künstler wie Travis Scott oder Justin Bieber bieten Konzerte in virtuellen Welten an, die von bis zu 12 Millionen Menschen live in diesen Welten besucht werden (Siehe Konzert Travis ScottKonzert Justin Bieber). In Applikationen wie Altspace VR gestalten Menschen tagtäglich Welten, in denen sie sich austauschen, unterstützen und beraten (Mehr dazu im Video). Das bedeutet, es entstehen bereits digitale Treffpunkte in denen Menschen die Möglichkeiten in virtuellen Welten erproben und aktiv mitgestalten, in erster Linie aber miteinander interagieren. Hier eröffnen sich einenteils Chancen zur Inklusion und Befähigung von Menschen, anderenteils  jedoch auch Risiken wie die aktive Reproduktion von diskriminierenden Strukturen und Gefährdung sensibler Daten.

Durch die Recherche wurde mir auf zwei Ebenen klar, warum sich aus meiner Sicht die Soziale Arbeit mit dem Konstrukt virtueller Welten beschäftigen muss:

Laut Marc Witzel sind Digitale Räume bereits Teil der Lebenswelten. Die Auseinandersetzung mit digitalen Räumen ist laut ihm einerseits die Grundlage, um zukünftig im digitalen Raum sozialpädagogisch zu agieren und andererseits bereits die Bedingung um die Lebens- und Umwelten unserer Klientel umfassend zu verstehen (2021, S. 76–77). Betrachten wir die Bestimmung der Sozialpädagogik als Ortshandeln, wie es uns Michael Winkler erklärt, wird es laut Herrn Witzel ohnehin unumgänglich das Verhältnis des sozialpädagogischen Ortes zum digitalen Raum einzuordnen, um die Rolle und Bedeutung des sozialpädagogischen Handelns in virtuellen Räumen zu benennen (2021, S. 69). Riskieren wir demnach durch Abwarten nicht nur die Kompetenz zu zukünftigen Lebensweltorientierungen, sondern auch die Fähigkeit den Handlungsbedarf der Sozialen Arbeit in virtuellen Räumen zu begründen?

Durch das Minor-Nugget Ethik und Recht wurde mir bewusst, wie viele ethische und rechtliche Knacknüsse virtuelle Welten mit sich bringen. Welchem Recht unterliegen virtuelle Welten? Durch VR-Brillen werden Gestik und Mimik aktiv verarbeitet und somit entsteht in kürzester Zeit eine Unmenge an sensiblen Daten. Wie handhaben wir demnach den Datenschutz? Was geschieht, wenn die Teilnahme an virtuellen Welten unumgänglich wird? Hierzu erläutert Armin Grunwald: «Denn während Technik auf der einen Seite die Freiheit des Menschen steigert und unsere Handlungsmöglichkeiten erweitert, erzeugt sie auf der anderen Seite Druck bis hin zum Zwang zur Anpassung» (2020, S. 86). Fördern wir also durch die aktive Nutzung virtueller Welten die potenzielle Abhängigkeit unserer Klientel? Was geschieht mit den Menschen, die aus persönlicher Überzeugung virtuelle Welten nicht nutzen wollen?

Im folgenden Video sehen Sie mich in der Applikation AltspaceVR. Sie erhalten einen ersten Eindruck von bereits bestehenden virtuellen Räumen und ich zeige Ihnen einige Chancen in der Nutzung von virtuellen Welten auf, die ich im Verlauf meiner Recherche erkannt habe.

Abschliessend kann zurzeit also nur eine der zwei zu Beginn gestellten Fragen beantwortet werden. Soziale Räume werden in virtuellen Welten entstehen und die Soziale Arbeit wird sich mit dem Handlungsfeld digitaler Raum beschäftigen müssen. Wie sich dies gestaltet ist noch nicht geklärt doch fordert uns das Positionspapier der Sozialen Arbeit und Digitalisierung in allen sieben Thesen dazu auf. Mit unserem Fachwissen könnten wir dazu beitragen, dass sich virtuelle Welten nicht zu einer Belastung, sondern zu einer Ergänzung für die Gesellschaft entwickeln.

 

Literaturverzeichnis

Grunwald Armin. (2020). Digitalisierung. Zwischen Fortschrittsoptimismus und Technikdämonisierung. In Mathias Lindenau & Marcel Meier Kressig (Hrsg.), Sozialtheorie: Band 6. Schöne neue Welt? Zwischen technischen Möglichkeiten und ethischen Herausforderungen (S. 77–99).

Witzel Marc. (2021). Sozialpädagogische Orte im digitalen Raum. In Maik Wunder (Hrsg.), Digitalisierung und Soziale Arbeit: Transformationen und Herausforderungen (S. 68–79). Verlag Julius Klinkhardt.

 

Weiterführende Informationen

Schöner leben im Metaverse? Der philosophische Stammtisch | Sternstunde Philosophie | SRF Kultur: https://www.youtube.com/watch?v=mdL28hhFK-g

Hype um digitale Parallelwelt – Liegt unsere Zukunft im Metaverse? | SRF Impact: https://www.youtube.com/watch?v=cz_TdUXUjQo

Social work in metaverse: addressing tech policy gaps for racial and mental health equity: https://policyreview.info/articles/news/social-work-metaverse-addressing-tech-policy-gaps-racial-and-mental-health-equity/1619

Chalmers, David J. (2022). Reality+: Virtual worlds and the problems of philosophy. Allen Lane.

 

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