Politische Partizipation

von Andrea Portmann, Absolventin Minor Digitalisierung und Soziale Arbeit, Mai 2022

Mit dem Ziel, politische Partizipation junger Stadtbewohner:innen zu fördern, führt die Jugendinfo Winterthur 2022 bereits zum zweiten Mal eine engage-Kampagne durch. Um den Zugang möglichst niederschwellig zu gestalten und der digitalen Lebenswelt Rechnung zu tragen, hat sie engage als digitale Schnitzeljagd aufbereitet. Aus der im Rahmen des Minors getätigten Zwischenevaluation liessen sich erste Empfehlungen ableiten, die in diesem Blogbeitrag festgehalten wurden.

Mit engage.ch stellt der Dachverband Schweizer Jugendparlamente [DSJ] ein Angebot bereit, um politische Partizipation für junge Menschen erlebbar zu machen und sie in der Aneignung entsprechender Kompetenzen zu fördern. In drei Phasen sollen nachhaltige Partizipationsstrukturen etabliert und eine Dialogkultur entwickelt werden (DSJ, ohne Datum).

Abbildung 1: Drei Phasen eines engage-Prozesses in Gemeinden (leicht modifiziert nach DSJ, ohne Datum)

In Winterthur wurde engage 2019 zum ersten Mal durchgeführt. Weil sie bereits etabliert war und in Bezug auf den Datenschutz zu überzeugen vermochte, setzte die Stadt auf die Jugendapp.

Innerhalb eines Monats gingen rund 80 Anliegen ein, doch der rege Austausch blieb aus. Nicht alle trauten sich, Eingaben zu machen, weil sie sich vor dem Exponieren oder allfälliger Repression fürchteten. Entsprechend schwierig gestaltete sich die Mobilisierung für den Abschlussevent (DSJ, 2019, S. 7-10). Für künftige Durchführungen wurden daher folgende Ziele festgehalten (Jugendinfo, 2020, S. 5):

  1. Engage Winterthur soll niederschwelliger werden.
  2. Moderator:innen sollen Austausch und weiterführende Beteiligung anregen.
  3. Anstatt eines grossen Abschlussevents sollen dezentrale Treffen zu spezifischen Themen einberufen werden.

Engage Winterthur wurde gamifiziert und als digitale Schnitzeljagd aufbereitet. In der aktuellen Durchführung besuchen die Jugendlichen nach einer kurzen Einführung Standorte, lösen Challenges, schalten dabei weitere frei und setzen sich mit ihrem Wohn- und Lebensraum auseinander, wie das nachfolgende Video zeigt. Die Jugendinfo begleitet die Gruppen virtuell, moderiert, stellt weiterführende Fragen und leistet Hilfestellung (ebd.).

Um einen möglichst breiten Zugang zu gewährleisten, richtet sich der engage-Parcours vorwiegend an Schulklassen. Einzige Zugangsvoraussetzung pro Gruppe ist 1 Smartphone mit mobilen Daten und funktionierender Kamera. In den bisherigen Klassen haben mind. ¾ aller Schüler:innen diese Voraussetzung erfüllt.

Nachfolgend werden die Ergebnisse der Zwischenevaluation von engage Winterthur 2022 aufgezeigt. Dabei wurden verschiedene Perspektiven berücksichtigt und Bezüge zu Nuggets aus dem Minor identifiziert (siehe Abbilung 2).

Abbildung 2: Evaluationsdesign und Bezüge zu den Minor-Nuggets (eigene Darstellung)

5 Überlegungen in Bezug auf die Implementierung

  1. Es lohnt sich, Kooperationspartner:innen für die Entwicklung von Challenges genügend Zeit einzuräumen, damit sie Aufgabenstellungen ausarbeiten und Material produzieren können.
  2. Durch die Produktion von zeitlosem Content, der sich in regelmässigen Turnussen reaktivieren lässt, kann der Initialaufwand längerfristig relativiert werden.
  3. Zur rechtlichen Absicherung empfiehlt sich ein Blick auf Urheberrechte und
  4. Die Standortwahl für QR-Codes bestimmt den Kontrollaufwand massgeblich mit.
  5. Ausgiebiges Testen beugt technischen Problemen bei der Umsetzung vor. Nach jeder Änderung sollte geprüft werden, ob Verlinkungen im Backend noch stimmen.

3 wesentliche Erkenntnisse in Bezug auf die Umsetzung

  1. Laufend Feedback einzuholen, ermöglicht ständige Optimierungen und beeinflusst die Zufriedenheit der Teilnehmenden. Je positiver gemachte Partizipationserfahrungen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie sich auch künftig wieder beteiligen (Stade, 2019, S. 61-62).
  2. Sollen Anliegen an einem zentralen Ort diskutiert werden und sich Gruppen finden, welche diese gemeinsam weiterentwickeln, ist es unabdingbar, Zeitfenster zur Strukturierung der Eingaben einzuräumen.
  3. Der Moderation kommt eine wichtige Rolle zu. Sie betreut Schulklassen, generiert weiterführende Infos, ebnet so den Weg für den Austausch mit Politiker:innen und stellt die zeitnahe Reaktion auf Anliegen sicher, indem sie über neue Anliegen informiert.

 

Weiterführende Gedanken

In mediatisierten Gesellschaften sind digitale Kompetenzen von besonderem Wert. Laut Steiner (2015) gelingt es nicht allen gleichermassen, sich solche anzueignen (S. 26-27). Will die Offene Jugendarbeit (OJA) als Bereich der Soziokulturellen Animation (SkA) ihrem Auftrag zur Förderung von Chancengleichheit gerecht werden (AvenirSocial, 2010, S. 12), muss sie Möglichkeitsräume schaffen, um den Kompetenzaufbau informell zu fördern und Verwirklichungschancen zu erhöhen (Steiner, 2015, S. 33-34). Mit dem engage-Parcours, der sich an der Schnittstelle von analog und digital verorten lässt, eröffnet sich ihr ein solcher Weg.

Die Aufbereitung von engage als digitale Schnitzeljagd macht Eingaben von Ideen erforderlich, um weiterzukommen. Nicht immer ist klar, welchen Stellenwert dem Anliegen ursprünglich eingeräumt wurde. Allenfalls liesse sich hier ein Zwischenschritt einbauen. Anstatt Jugendliche und Politik direkt zu vernetzen, könnte der Moderation dabei eine noch bedeutendere Rolle zukommen.

Niederschwelligkeit bleibt dabei eine zentrale Herausforderung. Möglichkeiten und Ziele von engage sollten möglichst verständlich aufgezeigt werden (DSJ, 2019, S. 10). In diesem Zusammenhang kommt die Wichtigkeit der Vermittlungsposition der SkA zum Vorschein (Hangartner, 2013, S. 299). Potenzial liegt hier sowohl im stärkeren Einbezug der Schulen sowie der OJA.

Transparenz ist ebenfalls wichtig. Nicht alle Anliegen lassen sich kommunal umsetzen. Engage an eine Kampagne politischer Bildung zu knüpfen und den Möglichkeitsrahmen für Veränderung aufzuzeigen, hat sich als wesentlicher Bestandteil für die Vertrauensbildung und Etablierung einer nachhaltigen Partizipationskultur im analogen sowie digitalen Raum offenbart (DSJ, 2019, S. 10).

Dieser Blogbeitrag ist unter der Creative Commons Lizenz «CC BY Namensnennung - Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International» veröffentlicht. Urheberrechtliche Angaben zu Bild- und Tonmaterial finden sich direkt bei den Abbildungen. Eine Kopie dieser Lizenz kann unter folgendem Link eingesehen werden https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/

Quellenverzeichnis

AvenirSocial (2010). Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz. Ein Argumentarium für die Praxis. Gefunden unter https://www.hilfswerkuri.ch/fileadmin/user_upload/documents/ueber-uns/Berufskodex_Soziale-Arbeit-Schweiz.pdf

DSJ (ohne Datum). engage-Prozess in der Gemeinde oder Region. Gefunden unter https://www.engage.ch/engage-prozess-der-gemeinde-oder-region

DSJ (2019). engage-Winterthur, Pilotprojekt 2019. Rückblick und Ausblick. Interner Projektbericht.

Hangartner, Gabi (2013). Ein Handlungsmodell für die Soziokulturelle Animation zur Orientierung für die Arbeit in der Zwischenposition. In Wandeler, Bernhard (Hrsg.), Soziokulturelle Animation. Professionelles Handeln zur Förderung von Zivilgesellschaft, Partizipation und Kohäsion (2. Aufl., S. 265-322). Interact.

Jugendinfo Winterthur (2020). Niederschwellige Jugendpartizipation: Engage & Esmeralda. Internes Konzeptpapier.

Stade, Peter (2019). Partizipation. In Alex Willener & Annina Friz (Hrsg.), Integrale Projektmethodik (S. 50-67). Interact.

Steiner, Olivier (2015). Widersprüche der Mediatisierung Sozialer Arbeit. In Nadia Kutscher, Thomas Ley & Udo Seelmeyer (Hrsg.), Mediatisierung (in) der Sozialen Arbeit (S. 130-150). Schneider.

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