Die Unternehmen mit ihren Ausbildungslehrplätzen erfüllen einen äusserst wichtigen Beitrag dazu, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Doch verlieren Firmen einen Grossteil der Lernenden gleich nach der Ausbildung wieder. Eine kleine Justierung im Talentmanagement bringt den notwendigen Erfolg.
Hat dies etwas mit dem Talentmanagement zu tun oder ist es in der Natur der Sache? Oder werden beim Begriff Talent teils die falschen Skills bewertet? Ein gezieltes und angepasstes Recruiting ist dabei von zentraler Bedeutung.
Meine langjährige Erfahrung als Kadermitglied bei einem mittelständischen Familienbetrieb in der Maschinen- und Anlagenbaubranche zeigt, dass man durchaus schulisch schwächere Schüler durch gezielte Förderung von Kompetenzaufbau und beruflicher Entwicklung auf das Wissensniveau und das Können bringt, welches sie benötigen. Es dauert vielleicht etwas länger, aber genau diese Personen bleiben einem lange als wertvolle Mitarbeitende erhalten.
Die Besten gehen weiter zur Weiterbildung
Wir Ausbildner bieten den Jugendlichen, die den Weg einer Berufslehre wählen, einen Lehrplatz an und bilden aus. Wir sind bestrebt, möglichst schnell die Besten und Anständigsten als Lernende einzustellen. Nur die Besten sind gut genug. Man will sich damit keine Probleme und keinen Ärger aufhalsen.
Doch wenn wir immer nur die Besten der Besten als Lernende einstellen, dann müssen wir uns nicht wundern, dass diese Lernenden auch diejenigen sind, die Ambitionen haben. Es sind meist jene, die nach der Lehre einer Weiterbildung nachgehen und den gelernten Beruf schnell verlassen.
Die Lücke ist zu schliessen
Der Trend ist unverkennbar, dass in den letzten Jahrzehnten bei den Abschliessenden der Sekundarstufe I der akademische Weg, sprich das Gymnasium oder die Fachmittelschule, immer mehr an Bedeutung gewinnt und das Interesse an einer beruflichen Grundbildung abnimmt. So waren es laut Bundesamt für Statistik im Jahre 1990 76%, die eine Berufsbildung ausübten und im Jahre 2020 noch 66%. Die Gymnasiasten werden, wie auch die, die unmittelbar nach der beruflichen Grundausbildung eine Fachhochschule besuchen, nicht die handwerklichen, operativ ausführenden Arbeiten tätigen. Wer soll denn dies künftig machen? Wer soll diese Lücke schliessen? Das all dies die Digitalisierung, die künstliche Intelligenz und die Roboter kompensieren sollen, kann ich mir noch nicht vollumfänglich vorstellen. Produzierende, handwerkliche Fachkräfte müssen her und dazu müssen wir Jugendliche begeistern.
Was können wir tun
Wir müssen auch schwächeren Schülern eine Chance geben. Haben Sie die Möglichkeit, mehrere Jugendliche auszubilden, dann wählen Sie gezielt auch einen Teil der Bewerbenden aus, welche auf den ersten Blick nicht als die Traumbesetzung gelten. Das sind meist die, die nach unserem obligatorischen Schulungs- und Benotungssystem auch noch ein paar Defizite haben, jedoch vom Charakter her passen.
Wählen Sie jene Personen aus, die mitarbeitende Fachkräfte werden, welche das Erlernte in fünf bis zehn Jahren noch ausüben wollen.
Wernden Sie beim Recruiting Entscheidungskriterien an, welche eine längere Tragweite haben als nur die begrenzte Lehrzeit.
Berufsbilder im Wandel
Die Berufsbilder sind in vielen Bereichen darauf vorbereitet. So gibt es in einigen Berufen mittlerweile zwei sehr ähnliche Berufsausbildungen auf verschiedenen Niveaus. Zum Beispiel für den anspruchsvollen Lernberuf Polymechaniker:in als Alternative zu Produktionsmechaniker:in oder für Automatiker:in die Alternative Automatikmonteur:in. Es macht also durchaus Sinn, als Ausbildner anstelle des herausfordernden Berufs Polymechaniker:in anzubieten, auch den einfacher zu meisternden Produktionsmechaniker:in auszubilden. Denn lediglich 17% der ausgebildeten Polymechaniker:innen sind gemäss einer Mobilitätsanalyse 10 Jahre nach ihrem Lehrabschluss noch im angestammten, gelernten Beruf tätig.