Literarisch betrachtet, ist die biblische Weihnachtsgeschichte solides Handwerk. Es geht um Treue und gegenseitige Fürsorge, die willkürlichen Launen der Obrigkeit, eine beschwerliche Reise, übernatürliche Erscheinungen oder Glückseligkeit in der Kernfamilie, und dies alles wird (zumindest vorerst) gekrönt von einem Happy End.
Ein Topos, der die Weihnachtsgeschichte dabei mindestens ebenso prägt wie die eigentliche Handlung, ist die Einfachheit. Während sich die römische Oberschicht in prunkvollen Marmorbädern vergnügt, erleben Maria und Josef in einem Stall Momente purer Freude, umgeben von Hirten ohne Habseligkeiten oder Dünkel. Auch heute blitzt bei allem Prunk und Glimmer, mit dem wir Weihnachten feiern, vielerorts die Magie des Einfachen durch, und viele Familien haben sich bei aller Pracht in ihren Weihnachtstraditionen schlichte Facetten erhalten: Da steht der kleine, grüne Weihnachtsbaum, nur mit Wachskerzen geschmückt, in einem prunkvoll ausgestatteten Wohnzimmer, dort gehört der nächtliche Spaziergang zur grossen Linde neben dem Dorf zu jedem Heiligabend, und anderswo gibt’s zum Abendessen statt eines zarten Filets lediglich die Hirtensuppe. Als gelte es, sich auch in einer konsumgeschwängerten Welt zu versichern, dass das wahre Glück nicht vom Pomp, sondern von der Einfachheit ausgehe.
So kann Weihnachten auch für alle, die im Hochschulwesen tätig sind, Anlass zum Innehalten und zur Rückbesinnung sein. Worum geht es eigentlich bei dem, was wir machen? Was bleibt als Kern übrig, wenn wir uns die glitzernden Beilagen wegdenken? Sind es die anerkennenden Blicke von Fachkolleg:innen, wenn wir an Konferenzen unsere Projekte vorstellen? Ist es die prestigeträchtige Kooperation mit einer hochrangigen Partnerhochschule?
Vieles von dem, was wir an Hochschulen machen, glitzert und glänzt, und wir dürfen uns zurecht darüber freuen. Im Kern aber geht es an Hochschulen darum, junge Menschen gut auszubilden und sie dazu anzuleiten, sich zum Wohl der Gemeinschaft einzusetzen. Es geht darum, neues Wissen und neue Möglichkeiten zu schaffen, die direkt oder indirekt für alle einen Mehrwert bieten, und es geht darum, den Dialog zwischen Wissen und Gesellschaft auch für Personen, die nicht mehr im typischen Ausbildungsalter sind, nicht abreissen zu lassen. Diesen einfachen Kern sollten wir bei aller Ablenkung stets im Auge behalten.
Falls Sie während der Weihnachtstage einen ruhigen Moment finden, lohnt es sich, darüber nachzudenken, wo für Sie der Kern Ihrer Tätigkeit liegt, sei dies in Lehre, Forschung oder ganz anderen Bereichen. Vielleicht ist diese Rückbesinnung ein guter Fokus, mit dem Sie bestärkt ins neue Jahr starten können.
Im Namen des ganzen ZLLF-Teams wünsche ich Ihnen besinnliche Weihnachtsfeiertage und fürs neue Jahr 2026 alles Gute!
Stefan Jörissen, Leiter ZLLF
PS: Auf der ZLLF-Website finden Sie unser neues Kursprogramm fürs FS 2026 sowie die Ausschreibungen zu den einzelnen Kursen. Wir haben darin eine breite Kurspalette für die Weiterentwicklung der eigenen Kompetenzen in Lehre und Forschung zusammengestellt.
