«Imagine» – ein Hauch von John Lennon lag über dem University Future Festival, das Mitte Mai vom Hochschulforum Digitalisierung, der Stiftung Innovation in der Hochschullehre und dem deutschen Stifterverband zum fünften Mal durchgeführt wurde. Auch diesmal wurde das grosse Stelldichein der Lehrentwicklung im deutschsprachigen Hochschulraum in hybrider Form durchgeführt: Die Mehrheit der rund 300 Impulsvorträge und Workshops erfolgte online; daneben fanden an fünf Orten aber auch Tagungen vor Ort statt – neben Berlin, Braunschweig, Nürnberg und Graz erstmals auch in Zürich.
«Imagine» war dabei das Motto der diesjährigen Austragung. Viele Referent:innen nutzen den eingängigen Slogan, um ihre Ausführungen mit makellosen Idealbildern der Hochschule der Zukunft zu rahmen. Im Kern berichteten die meisten aber dennoch von handfesten Projekten und zukunftsweisenden Entwicklungen an ihren Hochschulen, die – gerade auch in Bezug auf die Nutzung generativer KI – aufhorchen liessen. Insgesamt zeichnete das Festival so ein durchaus positives Bild einer Hochschullandschaft, die zumindest im Kleinen in Bewegung ist.
Das Team des ZLLF verfolgte den Kongress online und reiste für einen Tag zur «Präsenzbühne» in Zürich. In zwei Blogbeiträgen geben wir Einblick in ausgewählte Ideen, die wir am Festival kennenlernten.
Autonomie und digitale Souveränität war auch dieses Jahr eines der Themen in den Beiträgen. Für Markus Beckedahl, deutscher Aktivist und Journalist, sollen Universitäten eine Vorreiterrolle übernehmen und einen konsequenten Weg in die digitale Souveränität wagen. Oftmals sieht die Realität anders aus: die digitale Infrastruktur vieler Hochschulen liegt in den Händen von Unternehmen, die weder demokratisch legitimiert sind noch Interesse an der Unabhängigkeit der Universitäten haben. Dies ist eine echte Gefahr. Seit dem Cloud Act von 2018 können die USA amerikanische Unternehmen verpflichten, ihre Daten weltweit herauszugeben. Egal ob die Server und somit die Daten in Europa liegen. Lehre und Forschung benötigen einen Geschützen Raum. Wenn die Werkzeuge nicht den Universitäten gehören, dann gehört ihnen auch die Lehre nicht mehr, so Beckedahl. Alternativen gibt es allemal: statt Arbeitsdokumente auf Microsoft Word: Libre Office. Statt Zoom- oder Teams-Konferenzen: BigBlueButton. Statt Teilen von Dokumenten auf OneDrive oder GoogleDrive: Nextcloud (oder in der Schweiz Switchdrive). Je mehr Open Source Lösungen genutzt werden, umso besser werden sie, so Beckedahl. Universitäten sollten daher in Weiterentwicklung in Open Source investieren. Dies sei nicht nur eine technologische Entscheidung, sondern auch eine politische. Open Source heisst Kontrolle statt Abhängigkeit, Transparenz statt Black Box, Zusammenarbeit statt Konzernmonopol, Selbstbestimmtheit und Mitgestaltung. Digitale Souveränität ist ein öffentliches Gut. Es geht dabei nicht nur um Technik und Infrastruktur, sondern um den Schutz eines der sensibelsten Güter: Freiheit des Denkens und der Vertraulichkeit der Lehre.
Als spannendes Festivalformat erwiesen sich die Lightning Talks – eine Reihe von jeweils fünfminütigen Kurzpräsentationen zu einem spezifischen Thema. Eine dieser Reihen rückte Innovative Studienformate zu KI ins Zentrum. Die Talks zeigten, dass an deutschen Hochschulen KI inzwischen in allen Bereichen der Aus- und Weiterbildung angekommen ist: Unter anderem berichteten Vertreter:innen der Ludwig-Maximilians-Universität München von einem Minor-Programm zu KI, das Studierende aller Studienrichtungen (ausser der Informatik) offen steht, die Goethe Universität Frankfurt bietet ein Weiterbildungsprogramm zu KI im Umfang von 10 ECTS-Credits an, an der Universität Potsdam steht Lehrenden und ForschFuture enden ein Weiterbildungsprogramm zu KI zur Verfügung, die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf stellt unter dem Titel “KI für alle” Kurse zu KI zur Verfügung, die für alle Interessierten als offene Lernmaterialien zugänglich sind (www.heicad.hhu.de/lehre/ki-fuer-alle).
Diverse Beiträge befassten sich mit den Themenkomplexen Gamification und Serious Games. Ein spannendes Beispiel für die Umsetzung boten Vertreterinnen der TU Dresden, die die Schulung von neuen Tutor:innen als Virtual Reality Escape Room umgesetzt haben. Die angehenden Tutor:innen fanden sich dabei in einem unaufgeräumten und lauten virtuellen «Room of Horror» wieder, den sie für das Tutorium vorbereiten sollten. Auch an anderen Hochschulen ist das Spielen in der Lehre ein aktuelles Thema. So wurden im Konferenzbeitrag «Play to Learn: Serious Games selbst gestalten» neben Grundlagen der Konzeption und Erstellung von Serious Games auch das an der Universität Tübingen entwickelte Open Source Tool «Graveler» vorgestellt.
Wer die «Sendung mit der Maus» kennt, wird sich über den Beitrag von Christoph Biemann (mit dem ikonischen grünen Pullover) gefreut haben. Er berichtete darüber, wie er und die Mitarbeiter:innen der Sendung mit der Maus ihre Beiträge humorvoll so gestalten, dass man gern etwas lernt – ohne das Gefühl, von oben herab belehrt zu werden. Als Beispiel zeigte er zwei Beiträge: Die Sachgeschichte «Karussellstrom», in der anschaulich erklärt wird, wie das mit dem bunten Lichtern beim Karussell funktioniert, ohne dass sich die Kabel verheddern, und woher die Redewendung «Alles in Butter» kommt. Dass Humor nicht nur beim Lernen hilft, sondern auch eine wichtige (Zukunfts-)Kompetenz ist, zeigte Désirée Krüger von der Hochschule Niederrhein in ihrem unterhaltsamen Konferenzbeitrag «Humor as a future skill?», in dem sie die wissenschaftliche Perspektive auf Humor und Humorfähigkeit beleuchtete.
Wer möchte, kann sich die Aufzeichnungen der Konferenzbeiträge auf YouTube anschauen. Das Hochschulforum Digitalisierung (HFD) hat eine Playlist erstellt.