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Generative KI in der Lehre: eine Standortbestimmung

Notizen von der International Week des Technikum Wien

Wo stehen wir aktuell in der ganzen Debatte um Künstliche Intelligenz in der Lehre? Die International Week des Technikum Wien versuchte sich unter dem Titel «Friend or Foe? Unleashing the Creative Power of AI» in einer Art Bestandesaufnahme während drei Tagen im Mai. Eine solche zu machen ist gar nicht so einfach. Erstens, weil – auch nach unterdessen Jahren intensiver Debatten – gar nicht so ganz klar ist, was «KI» denn eigentlich überhaupt bezeichnet. So stehen in Diskussionen die beiden Buchstaben oft mehr als Chiffre für wahlweise überzogene Erwartungen und Verheissungen für bahnbrechende und fundamentale Umwälzungen, wie wir in Zukunft leben und arbeiten werden, oder aber für eine diffuse Furcht und unbestimmte Ängste vor einer dystopischen Zukunft, denn für eine exakte Bezeichnung und Umschreibung einer Technologie. Und was zweitens die nüchterne Bestandesaufnahme schwierig macht, ist der Umstand, dass unklar ist, wo wir uns aktuell gerade befinden im Hype-Zyklus neuer Technologien.

1.     Überzogene Erwartungen

Roy Amara, dem US-amerikanischen Zukunftsforscher (was auch immer das sein mag…), wird das Zitat zugeschrieben, dass wir dazu neigen, den Effekt neuer Technologien kurzfristig zu überschätzen, langfristig jedoch zu unterschätzen. Diese Tendenz zur kurzfristigen Über- und langfristigen Unterschätzung lässt sich im so genannten Hype-Zyklus neuer Technologien darstellen. Dass es sich dabei – wie die Grafik illustriert – gar nicht um einen Zyklus handelt, sondern um einen Verlauf, muss uns an dieser Stelle nicht weiter kümmern. Wie auch immer: Der Gedanke dahinter ist, dass bei der Verbreitung einer neuen Technologie in einer ersten Phase völlig überzogene Erwartungen herrschen, was sich nun und jetzt und sofort alles sogleich und fundamental ändern wird. Die letzten zwei Jahre haben diese überzogenen Erwartungen eindrücklich vor Augen geführt, als Ende 2022 ChatGPT veröffentlicht wurde. Auf diese erste Phase der Euphorie folgt typischerweise eine Phase der Enttäuschung, weil sich viele der überzogenen Erwartungen herausstellen als – na ja, eben überzogen. Was nun passiert kann man unschwer erahnen: Es folgt eine Phase der Unterschätzung. Erst darauf kann sich langsam eine realistische Einschätzung durchsetzen, bei der sich Erwartungen und tatsächliches Potential einer neuen Technologie einigermassen entsprechen.

 

Der Hype-Zyklus neuer Technologien (cc-by-sa Bild: ldotter)

François Chollet, einer der führenden KI-Forscher bei Google, geht in einem kürzlich mit der NZZ geführten Interview davon aus, dass aktuell das Investment-Kapital, welches im KI-Bereich steckt, um ein x-Faches zu hoch ist. Seine Rechnung ist einfach: Während sich die Einnahmen aus dem KI-Geschäft aktuell um die 4-6 Milliarden Dollar bewegen, wurden in den letzten zwei Jahren etwa 90 Milliarden Dollar in diesen Bereich investiert; eine Rechnung, die nicht aufgehen kann, so Chollet. Kurz: Wir befinden uns aktuell irgendwo auf dieser ersten Euphorie-Welle des Hype-Zyklus. Nur: wo genau? Und wie können wir zu realistischen Erwartungen kommen, ohne die Phase der Unterschätzung zu durchlaufen?

Diesen Punkt gilt es auch mit Blick auf die engere Frage des Potentials und der Grenzen von KI-Werkzeugen in der Lehre zu klären.

2.     Der Study-Buddy

Die International Week mit dem – für eine nüchterne Betrachtung zugegebenermassen wenig hilfreichen – Titel «Friend or Foe? Unleashing the Creative Power of AI?», versuchte hier eine pragmatische Einschätzung zu geben anhand von einigen Beispielen, wie KI-Werkzeuge in der Lehre eingesetzt werden können. Mutmasslich eines der meistdiskutierten Themen in diesem ganzen Bereich ist die Frage nach KI-Bots als personalisierte Lehr-/Lernassistenten für Studierende. Viele konkrete und überzeugende Beispiele, die über den experimentellen Status hinaus gekommen und für den produktiven Einsatz in der Lehre tauglich sind, sind bis dato noch kaum auszumachen. Deshalb liess das Beispiel von Bernhard Knapp, seines Zeichens Studiengangleiter des Masters AI Engineering am Technikum Wien, besonders aufhorchen. Er stellte einen Chatbot vor, den das Technikum Wien am Entwickeln ist und der sich in die LMS-Umgebung einbinden lässt. Damit soll es den Dozierenden möglich sein, den Studierenden auf unkomplizierte Art und Weise einen «Study-Buddy» zur Verfügung zu stellen. Dozierende können das Sprachmodell ergänzen mit ihren Seminar- bzw. Kursunterlagen wie Bücher, Skripte und Präsentationen. Das erlaubt dem Programm, Antworten auf Verständnisfragen zum Kurs oder Prüfungsfragen für die individuelle Prüfungsvorbereitung zu generieren.

Inwiefern sich solche Prototypen zu produktiven Systemen weiterentwickeln lassen und vor allem, wie gross der Mehrwert für die Lernbegleitung der Studierenden tatsächlich sein wird, wird sich weisen. Vor allem aber: Es hängt nicht nur von technischen Faktoren ab. Es sei an dieser Stelle nur daran erinnert, dass viele Studiengänge und Hochschulen schon seit je her Angebote der personalisierten Lernbegleitung kennen: in der ganz unspektakulären Form von Sprechstunden oder Tutoraten. Und von diesen Angeboten wissen wir: Sie werden – leider – von den Studierenden in vielen Fällen unterschätzt und viel zu selten genutzt. Wenn Studierende jedoch nicht genau wissen, was sie spezifisch benötigen und was ihrem Lernprozess zuträglich wäre, sind alle Hilfestellungen – ob technologisch, digital oder analog – vergeblich. Ob deshalb personalisierte KI-Study-Buddies zu den Szenarien gehören werden, welche produktiv und nachhaltig Teil von Lehr-/Lernprozessen sein werden, oder ob es eine nette experimentelle Spielerei bleibt, wird sich erst noch weisen müssen, wenn wir beobachten können, ob und wie sie genutzt werden von Studierenden. Eine reizvolle Idee ist es auf jeden Fall.

 

Wer über KI in der Bildung diskutieren möchte: Max Mundhenke (bekannt u.a. durch 100 Tage und 100 Bots) spricht über  Potenziale und Herausforderungen von KI in der Bildung am Donnerstag, 7. November 2024 von 12.15 bis 13.15 Uhr per Zoom (organisiert von der zhb).

 

Image: Generiert mit Adobe Firefly

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