Ende Oktober widmete sich das Netzwerk Lehre von swiss universities mit einer Veranstaltung zum Thema «Innovation in der Lehre» aktuellen Entwicklungen in der Hochschullehre. Zu Gast war Jonna Korhonen, Direktorin Hochschulpolitik des Ministeriums für Bildung und Kultur in Finnland. Sie gab mit einem ausserordentlich spannenden Vortrag Einblick in die Hochschulentwicklungen Finnlands sowie die dahinter steckenden Überlegungen.
Nach dem Input von Frau Korhonen wissen wir, auch in Finnland wird über ähnliche Themen diskutiert. Von aussen gesehen, scheint manches zentral gesteuert aber einfacher umsetzbar zu sein. Verschiedene Projekte fokussieren einen einfacheren Übergang ins Berufsleben, während andere die Zugänglichkeit und Flexibilität des Hochschulsystems durch Digitalisierung und Kooperationen fördern sollen. Mit Digi Campus wird eine gemeinsame digitale Lernplattform für Hochschulen geschaffen, damit Online-Kurse oder auch MOOCs einfacher erstellt, gefunden und gemeinsam genutzt werden können. Mit EXAM wurde von einem Konsortium finnischer (Fach-)Hochschulen eine elektronische Prüfungssoftware für die Organisation elektronischer Prüfungen entwickelt, damit Studierende auch an einer anderen Hochschule in einem kameraüberwachten Prüfungsstudio oder aber mit BYOD ihre Prüfung absolvieren können. Eine nationale Arbeitsgruppe soll die Koordination, Entwicklung und Nutzung von Learning Analytics über alle Bildungsstufen hinweg erarbeiten. Das wohl grösste Projekt Digivision 2030 arbeiten alle finnischen Hochschulen an der Zukunft des Lernens, wovon v.a. die Lernenden selbst und die Gesellschaft profitieren sollen. Zielvision ist, dass jede:r Lernende mit einer digitalen Identität aus allen verfügbaren Online-Angeboten der Hochschulen auswählen und so dem eigenen lebenslangen Lernweg folgen kann, die eigene Kompetenzentwicklung digital dokumentiert wird, auch um die besten Angebote zur Kompetenzerweiterung einfacher und leichter zu finden. Hochschulen erreichen damit ein grösseres Publikum und können effektiver arbeiten.
Mit Blick auf die aktuelle gesellschaftliche Lage betont sie die Bedeutung von Bildung für Demokratie. Hochschulbildung wäre mehr als nur Credit Points – sie ist auch Ort der Begegnung und Gemeinschaft. Immer unterschiedlicher werdende Erwartungen und Bedürfnisse der Studierenden an das Lernen und damit auch die Lehre, z.B. zu Fernstudium, Präsenzstudium, hybriden Angeboten, führen zu heterogener werdenden Studierendengruppen. Daraus ergeben sich Herausforderungen an die Fähigkeiten und Fertigkeiten für ein Hochschulstudium, aber auch an die Qualität von Hochschulbildung; und genau das ist unser Auftrag für die Zukunft.
Zweiter Schwerpunkt des Treffens waren Workshops zu den fünf Themenschwerpunkten «Ausblicke wagen: Strategische Themen in der innovativen Lehre», «Neue Dimensionen – Lehre in Virtual Reality», «Jenseits des Bildschirms und der Bücher – Lernen als Sinneserfahrung», «Von der Krise zu einer hybriden Zukunft – Impulse und Herausforderungen» und «Überprüfung und Gestaltung von Leistungen in der innovativen Lehre».
Der Workshop «Neue Dimensionen – Lehre in Virtual Reality» lenkte den Blick auf neue oder auch eher ungewöhnliche methodische Lehrmöglichkeiten. Oder haben Sie sich schon einmal überlegt, welches Potential in eSports für Hochschulbildung steckt? Oder wie man escape games bewusst in der Lehre nutzen kann? Masiar Babazadeh und Luca Botturi erläuterten das mit praktischen Beispielen. Escape games sich eben nicht nur spielen, sondern lassen Kommunikation und Kooperation erproben, fördern kritisches und kreatives Denken und nebenbei werden motiviert und engagiert Inhalte erarbeitet. Die im internationalen Projekt www.school-break.eu/ entstandenen Games geben Einblick in die unterschiedlichsten Lernmöglichkeiten. Warum sollen wir spielen? Um zu lernen, so wie wir es als Kinder schon gemacht haben. Während man ihnen zuhört, möchte man direkt selbst loslegen.
Eine neue und auch ungewöhnliche Dimension für Lernen in Schulen. Demgegenüber wirkt das strategische Projekt der FHNW zur Nutzung von 3D in der Lehre auch nach den Corona-Semestern nicht ganz so neu, aber gleichwohl für die breite Hochschulbildung weiterhin ungewohnt. Mithilfe der Plattform Aula begegnen sich Studierende bzw. Weiterbildungsteilnehmende digital nicht nur als Talking Hat, wie wir es von Zoom-Sessions kennen, sondern über Avatare virtuell physisch. Als Vorteile werden neben dem bekannten orts- und zeitunabhängigen Lernen, die sichtbare, soziale Präsenz hervorgehoben, welche zu einer stärkeren Beteiligung und Aktivierung der Lernenden beitrage. Mit unkomplizierten Raumanpassungen lasse sich flexibel und schnell zwischen verschiedenen Settings wechseln, was eintauchen lässt, in ein Lernen ausserhalb von gewohnten Hochschulräumlichkeiten z.B. am Strand oder am Lagerfeuer. So würden auch andere Gespräch, ein intensiverer Austausch entstehen; die Motivation steigt.
Hier, aber auch in der Diskussion über den Einsatz von 360°-Video-Technologie zu Studienzwecken – vorgestellt von Philipp Peter und Peter Tremp – fokussierte der Austausch auf die Herausforderungen des Datenschutzes. Ihr Projekt «Mitten drinnen» ist übrigens Teil des P-8 Projektes Digitale Lehre – Digitale Präsenz – Digitales Studium, bei dem die Hochschule Luzern mit der PH Luzern und der PH Schwyz zusammenarbeitet.
Am Ende sei noch hingewiesen auf den Input von Caroline Lehr zum Thema maschinelle Übersetzung (MT) und automatische Textgenerierung und was am Einsatz künstlicher Intelligenz in der Lehre wichtig wäre. Dieses P8 Projekt geht auf die Tatsache ein, dass maschinelle Übersetzungen seit Jahren zunehmen, auch weil sie sich inhaltlich stark verbessert haben. Wo werden diese automatisierten Übersetzungen angewendet und sind sich die Verwender der damit verbundenen Problematiken bewusst? Eine Befragung unter Studierenden und Dozierenden an verschiedenen Schweizer Hochschulen ergab, dass maschinelle Übersetzung zwar sehr stark verwendet werden, sich aber kaum jemand der damit verbundenen Gefahren z.B. geistiges Eigentum bewusst ist oder drüber aufgeklärt wurde. Genau das macht dieses Projekt zur MT Literacy. Ausgehend von diesen Überlegungen kommt die Diskussion innerhalb der Workshopgruppe schnell zum Einsatz von KI basierten Tools zur Textgenerierung. Innerhalb weniger Minuten erstellt eine App aus ebenso wenigen Stichworten einen sehr guten (Fach-)Text.
Wo und wie werden diese Tools bereits eingesetzt, insbesondere von den Studierenden und zu welchen Folgen oder Herausforderungen auch für Leistungsnachweise führt dies? Wie sollen sprachliche Kompetenzen oder auch Textproduktion in Zukunft gemessen und bewertet werden, wenn unklar ist, wieviel davon von KI und nicht mehr den Studierenden selbst kommt. Eine Antwort auf diese durchaus wichtigen Fragen konnte im Workshop nicht gefunden werden, wird uns aber wohl weiter beschäftigen.
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