In Kürze startet das Frühlingssemester 2021. Auch dieses wird zu einem grossen Teil online stattfinden. Der Unterricht während der Corona-Zeit fordert Dozierende und Studierende in vielerlei Hinsicht. Dieser Beitrag zeigt die Situation Studierender zu Corona-Zeiten. Ein vom ZLLF und der Psychologischen Beratungsstelle entworfenes Merkblatt_Unterricht_Corona gibt Lehrenden Tipps und Empfehlungen.
Aufgrund der Corona-Massnahmen erleben Studierende nicht das Campusleben, auf das sie sich gefreut haben. Neben der Wissenserarbeitung und -vertiefung über Online-Lehre fehlt das ebenso wichtige drumherum an Kontakten, sozialen Austausch und gesellschaftlichen Anlässen. Fehlende physische Kontakte zu Studienkolleg*innen können zu Einsamkeit oder sozialer Isolation führen. Dies wirkt sich auf ein deutlich zurückhaltenderes Kommunikationsverhalten während der Online-Veranstaltungen aus. Hinzu kommt, dass Kommunikation im Netz andere Ansprüche stellt und anderen Vorgaben folgt. Sobald sich dort jemand öffnet und Bedürfnisse oder Wünsche äussert, kann er Zielscheibe von Vorwürfen und Hämen werden. Die Hemmschwelle für Ausgrenzung oder gar Mobbing liegen bedeutend tiefer.
Alle Menschen benötigen einen Ausgleich. Studierende haben Mühe abzuschalten. Aufgrund der Online-Lehre verbringen sie viel Zeit vor dem Laptop meist im gleichen Raum sitzend, in dem ihr restliches Leben stattfindet (WG-Zimmer; Zimmer Studentenwohnheim; Kinderzimmer bei den Eltern). Aufgrund fehlender gesellschaftlicher oder kultureller Anlässe und physischer Kontakte braucht es viel mehr Anstoss sich selbst für diesen Ausgleich bei gleichzeitig eingeschränkten Möglichkeiten zu motivieren.
Um anstrengende Online-Präsenzzeit überschaubar zu halten, integrieren Lehrende nach dem blended-learning-Modell Selbstlernelemente. Diese führen bei den Studierenden zu einem schwer einschätzbaren Zeitaufwand, was bei fehlender inhaltlicher Anbindung an die Präsenzzeit zu Motivationsproblemen bei gleichzeitigem Erledigungsdruck führen kann.
Online-Lehre bietet Freiräume, sich die Zeit für die Bearbeitung von Vorlesungsvideos selbst einzuteilen. Sind das aber pro Tag mehrere Stunden, zählt dieser Vorteil nicht mehr. Der Studienalltag zu Hause wird monoton, und die Motivation geht verloren. Der Verlust eines geregelten Tagesablaufs erfordert Selbstorganisation und Selbstdisziplin. Nicht alle Studierenden verfügen auf Anhieb über die entsprechenden Strategien und sind mit der Einteilung von Lernaufgaben heillos überfordert. Der negativ konnotierte soziale Gruppendruck, der sich ansonsten positiv auf die eigene Lernmotivation und -leistung auswirken würde, fehlt.
Die Unsicherheit, ob und in welcher Form wichtige Prüfungen stattfinden und das Studium wie geplant abgeschlossen werden kann, belastet zusätzlich. Damit verbunden sind geplante Anschlusslösungen oder eng kalkulierte finanzielle Mitteln, die manche Studierende vor existentielle Fragen stellen, da übliche studentische Verdienstmöglichkeiten durch Corona-Massnahmen wegfallen oder nur noch eingeschränkt möglich sind. Überlegungen, das Studium zu unterbrechen oder gar abzubrechen, können daraus resultieren.
Der soziale Austausch mit anderen ist entscheidend für Selbstfindung und Persönlichkeitsentwicklung. Die Entwicklung eigener Normen und Werten braucht den Austausch mit Gleichaltrigen und Freunden. In dieser Lebensphase der Intensivierung und Differenzierung sozialer Beziehungen sowie Verantwortlichkeiten spielen neben Partnerschaften Freunde, Bekannte, Arbeits- oder Studienkolleg*innen eine bedeutende Rolle. Doch genau diese Kontakte sind derzeit eingeschränkt. Das Studium ist mit dem Auszug aus dem Elternhaus häufig ein wichtiger Schritt in die Selbständigkeit. Die neuen, ungewissen Optionen der aktuellen Lebenssituationen können ein Stressfaktor sein und zu Angst führen, mit der frisch gewonnenen Selbständigkeit nicht zurecht zu kommen.
All diese Dinge führen zu einem deutlich höheren Beratungsbedarf Studierender, der von ganz normalen Fragen an die Lehrenden hin zur psychologischen Hilfe reicht. Während Studienanfänger*innen v.a. darunter leiden, dass sie keine Kontakte knüpfen konnten, leiden Studierende höherer Semester an zermürbender Einsamkeit und wünschen sich Unterstützung etwa zur Selbstmotivation aber auch emotionale Unterstützung. Lesen Sie im vom ZLLF und der Psychologischen Beratungsstelle entworfenen Merkblatt_Unterricht_Corona, wie Sie als Lehrende die Studierenden mit wenigen, einfachen Dingen durch die herausfordernde Corona-Zeit unterstützend begleiten können.
Quellen:
DGPPN Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (2020). Soziale Isolation kann krank machen. www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/news-archiv/meldungen/article/soziale-isolation-kann-krank-machen/ (besucht am 27.01.2021)
Ranzkowiak, P. (2018). Soziale Unterstützung. www.leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/soziale-unterstuetzung/ (besucht am 27.01.2021)
Röhr, S., Müller, F., Jung, F. Apfelbacher, Ch., Seidler, A. & Riedel-Heller, S.G. (2020). Psychosoziale Folgen von Quarantänemassnahmen bei schwerwiegenden Corona-Virus-Ausbrüchen: ein Rapid Review. Psychiatrische Praxis, 47(04), 179-189. https://doi.org/10.1055/a-1159-5562
Seyfeli, F., Elsner, L. & Wannemacher, K. (2020). Vom Corona-Shutdown zur Blended University? ExpertInnenbefragung Digitales Sommersemester. Tectum: Baden-Baden. https://doi.org/10.5771/9783828876484
computer-1185626_1920_by_janep13_at_pixabay