Seminare
Als Robert Venturi und Denise Scott Brown sich in den späten 1960er Jahren mit einer Gruppe von Studierenden der Yale University aufmachten, die urbane Struktur von Las Vegas zu untersuchen, betraten sie wissenschaftliches Neuland. Es gab weder etablierte Literatur noch bewährte Methoden, um sich diesem Phänomen zu nähern. Bis zu jenem Zeitpunkt war die kommerzielle Ästhetik des öffentlichen Raums einer amerikanischen Grossstadt von der architektonischen Reflexion weitgehend ausgeschlossen. Man hielt sie nicht für würdig, Gegenstand eines ernsthaften Architekturdiskurses zu sein.
Indem sie sich jedoch bewusst von vorgefassten Meinungen lösten und das Gewohnte mit einer neuen Fragestellung betrachteten, schufen sie nicht nur innovative Methoden der städtebaulichen Analyse, sondern erweiterten zugleich das architektonische Verständnis für diese bis dahin wenig gewürdigten Räume. Ihre Forschung, die sie gemeinsam mit ihren Studierenden durchführten, mündete in das einflussreiche Buch «Learning from Las Vegas» (1972), das einen Paradigmenwechsel in der Architekturtheorie einleitete.
Ihre methodische Herangehensweise war interdisziplinär, empirisch und ethnografisch geprägt. Um Las Vegas aus der Perspektive seiner primären Nutzer zu verstehen, fuhren sie mit dem Auto den Strip entlang und analysierten die Stadt aus der Sicht des fahrenden Betrachters. Sie dokumentierten Strassenzüge, Reklametafeln und Verkehrsschilder fotografisch, um die visuelle Kommunikation und den öffentlichen Raum systematisch zu erfassen. Durch kartografische Analysen und die Untersuchung von Zeichen und Symbolen erweiterten sie ihren methodischen Zugang und legten den Grundstein für eine zeitgenössische Betrachtung komplexer urbaner Räume.
Mit unserer Seminarreihe möchten wir an diese innovativen Methoden anknüpfen und einen ähnlich forschenden Blick auf unser Untersuchungsgebiet, Obwalden, werfen. In vier aufeinander abgestimmten Seminaren nähern wir uns dem Raum spielerisch, experimentell und mit wissenschaftlicher Neugier. Ziel ist es, alternative Zugänge zur Wahrnehmung und Analyse urbaner und ländlicher Strukturen zu entwickeln und neue Perspektiven auf die Gestalt und Nutzung unserer bebauten Umwelt zu gewinnen.
Wir wagen in vier Seminarreihen eine forschende Annäherung an die Komplexität heutiger Lebensräume, indem wir künstlerisch-architektonische Methoden der Erkundung anwenden. Unser Ansatz umfasst ein breites Spektrum an Techniken: von geführten Spaziergängen, Kartografieren und Collagieren über klassische und experimentelle Zeichentechniken bis hin zu sogenannten *Thick Sections* sowie dokumentierten Eingriffen in die Landschaft. In einem abschliessenden kollektiven Symposium werden die Ergebnisse präsentiert und kritisch diskutiert.
Die während der Seminare erbrachten Leistungen und Arbeitsergebnisse werden bewertet und fliessen in die abschliessende Modulprüfung ein. Die erfolgreiche Teilnahme am Seminar ist eine unabdingbare Voraussetzung für das Bestehen des gesamten Moduls.