SEMINAR 1:
DOING SPACE IN EMMEN

PROF. ANGELIKA JUPPIEN UND MARIE-ANNE LERJEN

 

„INSGESAMT IST DER RAUM EIN ORT, MIT DEM MAN ETWAS MACHT.“1

Architektur und Raum werden meist als dauerhaft und unbeweglich in ihren Strukturen verharrend beschrieben und so auf Kategorien des Statischen und Permanenten verkürzt. Dabei gerät häufig allzu leicht aus dem Blick, dass wir Architektur als Konstellation von Situationen erleben, deren Charakter von den Bewohnenden und Nutzenden mitbestimmt oder mitgestaltet wird. Michel de Certeau bringt es im einleitenden Zitat auf den Punkt, wenn er behauptet, dass Raum überhaupt erst durch Handlungen, Bewegungen und Interaktionen hervorgebracht und konstruiert wird.

«Kurzum, wir befinden uns im Lebensraum schon immer drin».2 Also begeben wir uns mitten rein ins mobile, dynamische und fragmentierte Interaktionsgefüge von Emmen und konstruieren – eingebettet in die vielfältigen sozialen und räumlichen Zusammenhänge vor Ort – unsere eigene individuelle Perspektive. Dabei nehmen wir explizit das Ereignis- und Handlungspotenzial öffentlicher Räume in den Blick und fragen: Welche Spielräume für Handlung und Gebrauch bestehen? Gibt die Architektur dem alltäglichen Handeln eine Richtung, Bedeutung oder einen besonderen unverwechselbaren Charakter? Wenn ja, wie und warum?

Das Gehen dient uns hierbei als Instrument der Wahrnehmung und Methode zur Wiederentdeckung des nahen (Um-)Raums mit all seinen taktilen, auditiven, visuellen und olfaktorischen Reizen. Wir schulen unsere Sinne, folgen ungewohnten und ungeplanten Routen und experimentieren mit Geh-Geschwindigkeiten. Wir suchen spielerisch nach alternativen Routen durch das Labyrinth des Alltags, loten Grenzen und Normen aus, die Architekturen und Räumen eingeschrieben sind. Zu Fuss erkunden wir die Vielfalt der öffentlichen Räume, hinterfragen Formen räumlicher Nutzung, suchen Begegnungen und erproben unkonventionelle Wahrnehmungs- und Handlungsmuster. Vergleichbar Detektiv:innen und Fährtenleser:innen erforschen wir Schritt für Schritt die vorgefundenen Räume, ihre Grenzen und atmosphärischen Qualitäten. Wir handeln also weniger als Konsument:innen, die allein die vorgegebenen Möglichkeiten im Raum nutzen, sondern werden zu Produzent:innen von räumlichen Gefügen ganz im Sinne von De Certeau, der schreibt: «Die Spiele der Schritte sind Gestaltungen von Räumen. Sie weben die Grundstruktur von Orten.» 3

1 Michel De Certeau 1988
2 Baier, Franz Xaver: Der Raum, Verlag Walter König, Köln 2000
3 Certeau, Michel de: Kunst des Handelns, Merve, Berlin 1988.