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klassischer Prüfungsraum

Prüfen – so problematisch wie unverzichtbar

Ein Rückblick auf «Lehre im Fokus» im Frühlingssemester

«Lehre im Fokus», die ZLLF Online-Reihe über Mittag, hat sich im Frühlingssemester dem Prüfen gewidmet – ein Thema, dem Dozierende und Studierende gleichermassen zwiespältig gegenüberstehen (wenn auch aus unterschiedlichen Gründen…) und es gerne ausblendet, das emotional aufgeladen ist, immer mal wieder dem Lernen in die Quere kommt und dennoch eng verbunden ist mit Lernprozessen. Kurz; es ist ein Thema, dem gleichzeitig zu viel und zu wenig Beachtung geschenkt wird. In drei Veranstaltungen hat «Lehre im Fokus» zusammen mit drei Gästen exemplarisch neue Perspektiven auf den Themenkomplex Beurteilen–Bewerten–Prüfen geworfen und althergebrachte Gewohnheiten hinterfragt.

1.     Die «klassische» schriftliche Hausarbeit als Auslaufmodell?

Der Beitrag von Douglas MacKevett zu Semesterbeginn hat die Brücke geschlagen vom Thema des vergangenen Semesters; Generative KI in der Lehre. MacKevett stellte die Frage, welche Prüfungsszenarien gewissermassen «future-proof» sind angesichts der heutzutage allgegenwärtigen Verfügbarkeit von textgenerierenden Anwendungen auf Basis von künstlicher Intelligenz. Die klassische schriftliche Arbeit, über Jahrzehnte hinweg das unhinterfragte Standardformat des Leistungsnachweises in vielen Studiengängen an Hochschulen, ist auf jeden Fall grundsätzlich in Frage zu stellen, so das Fazit von MacKevett. Die Leistungsfähigkeit aktueller textgenerierenden Anwendungen wie ChatGPT führt dazu, dass sich allein an einem Text als Endprodukt eines Lernprozesses kaum mehr zuverlässig die Fähigkeit zum differenzierten Argumentieren und zum Überblicken und Einordnen der relevanten Literatur zu einem Thema ablesen lässt.

Stattdessen braucht es andere Formen des Kompetenznachweis, welche mehr auf Projektarbeiten, Lernportfolios und kombinierte Formate abstellen. Was dieses Fazit ebenfalls aufzeigt: Die Kritik an gewissen tradierten Formaten von schriftlichen Leistungsnachweisen ist nicht neu. Angesichts von ChatGPT und Co. stellt sich die Frage nach sinnvollen und kompetenzorientierten Leistungsnachweisen nochmals dringender und in aller Deutlichkeit.

2.     Prüfen – gleichermassen über- wie unterschätzt

Das Problem, dass dem Prüfen gleichzeitig zu viel und zu wenig Beachtung geschenkt wird, adressierte Susan Blum in der zweiten Veranstaltung der Reihe. Und die Antwort auf diese Frage, wofür unsere Studierenden lernen, sollte didaktisch handlungsleitend sein. Im Gespräch über ihr Buch «Ungrading. Why Rating Students Undermines Learning (and What to Do Instead)» zeigte die Anthropologie-Professorin der Notre-Dame University (Indiana) auf, weshalb Prüfungen nur allzu oft Lernprozesse torpedieren und welche alternativen Formen der Leistungsüberprüfung möglich sind – und dies sogar im Kontext und unter den administrativen Rahmenbedingungen einer Institution, welche letztendlich auf einer Benotung besteht. [1] Wenn wir unterrichten, so müssen wir uns als Dozierende stets die eine, fundamentale Frage stellen: «Think about your students as people who are learning things for purposes. If they are not learning for a grade, why else are they learning?», so Susan Blum. Übrigens: Im Teaching in Higher Education Podcast spricht Susan Blum mit Podcast-Host Bonni Stachowiak ausführlich über ihr Buch.

3.     Lernförderliche Leistungsrückmeldungen: so geht’s

In der Abschlussveranstaltung von «Lehre im Fokus» richtete Tobias Zimmermann von der PH Zürich den Blick auf formative Leistungsrückmeldungen. Unter Rückgriff auf Carol Dwecks Unterscheidung von Fixed und Growth Mindsets, führte Zimmermann aus, wie konstruktive und lernförderliche Leistungsrückmeldungen aussehen können. Im Gegensatz zur Prüfung, die bilanzierend einen Lernprozess abschliesst, begleiten lernförderliche Leistungsrückmeldungen einen Lernprozess und fokussieren auf das Entwicklungspotential der Lerner:in.

 

Im Herbstsemester geht Lehre im Fokus weiter mit dem Semesterschwerpunkt zum Umgang mit Studierenden mit psychischen Belastungen und psychischen Erkrankungen. Die Termine sind auf der Homepage des ZLLF publiziert. Auch der ZLLF-Newsletter zu «Lehre im Fokus» informiert über die neuen Termine.

[1] Blum, Susan D., Hrsg. 2020. Ungrading: Why Rating Students Undermines Learning (and What to Do Instead) Morgantown, West Virginia: West Virginia University Press.

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