Einen Doktortitel kann man über viele Wege erreichen – eine Deutsche Studie vergleicht, wie sich die Rahmenbedingungen in Promotionen mit bzw. ohne Beteiligung einer Fachhochschule unterscheiden.
An einer Fachhochschule zu promovieren, ist heutzutage keine seltene Sache. Die regelmässigen Umfragen von swissuniversities im Rahmen des Monitorings zu Doktoraten an Schweizer FHs (2016/2017, 2019/2020, 20211)1 zeigen, dass die Anzahl der Personen, die an einer FH promovieren, leicht aber kontinuierlich zunimmt. Der Promotionskontext an FHs stellt allerdings andere Rahmenbedingungen als diejenigen von universitären Hochschulen: Da Fachhochschulen kein Promotionsrecht haben, werden die Promotionen notwendigerweise in Kooperation mit einer promotionsberechtigen Institution im In- oder Ausland durchgeführt. Auch deshalb bilden die Promovierenden eine vielfältige Gruppe: neben einer Promotion im Doktorandenmodell kann man z.B. im Rahmen eines Kooperationsprogramms promovieren, unabhängig davon, ob sie oder er an der Fachhochschule angestellt ist, oder an einem Forschungsprojekt in einer Fachhochschule mitwirken, jedoch nicht durch Fachhochschulmitarbeitende für das Doktorat betreut werden. Solche Promotionszusammenhänge an FHs bringen verschiedene Betreuung- und Qualifikationsbedingungen mit sich, die noch wenig beforscht sind.
Wie gut kommt man ans Ziel «Doktortitel», wenn man in einem FH-Kontext promoviert oder promovieren möchte? Diese Frage geht die deutsche Studie von Antje Wegner Viele Wege führen zur Promotion – Betreuungs- und Qualifizierungsbedingungen Promovierender an Hochschulen für angewandte Wissenschaften im Vergleich (2022) an. Der Artikel basiert auf Daten über Promovierende und Promovierte in Deutschland, die im Rahmen des Projekts National Academics Panel Study (Nacaps) erhoben wurden, insbesondere in der ersten Befragungswelle (2018). In dieser Umfrage haben rund 7 % der Befragten angegeben, mit Beteiligung einer Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) zu promovieren. Davon werden zwei Gruppen differenziert, um den verschiedenen Gegebenheiten und Rahmenbedingungen einer Promotion im Fachhochschulkontext Rechnung zu tragen: Einerseits HAW-Promovierende, die wesentliche Teile ihrer Promotionsarbeit an der HAW verorten (im Beitrag genannt als interne HAW-Promotion, 37% der Befragten). Anderseits Promovierende, die die HAW nicht als primären Forschungskontext betrachten (im Beitrag genannt als externe HAW-Promotion, 63% der Befragten). Die Datensätze der zwei Gruppen werden aufgrund zwei grundsätzlicher Fragestellungen untersucht: Welche Unterstützungsbedingungen und Betreuungs- und Qualifikationsbedingungen werden im HAW-Promotionskontext angeboten? Wie unterscheiden sich diese zwischen den internen und externen HAW-Promovierenden sowie den Promovierenden im universitären Forschungskontext?
Um die zwei Fragestellungen zu untersuchen, wurden die Infos bezüglich vier Elementen der Promotionsphase ausgewertet: die Mitgliederschaft an Promotionsprogramme, die Einbindung in Forschungsprojekten, die Abschliessung von Promotionsvereinbarungen sowie die Promotionsbetreuung durch mehrere Personen. Diese Elemente wirken sich gemäss verschiedenen Studien (z.B. Hauss et al., 2012; Jaksztat et al., 2012; de Vogel, 2020) positiv auf die Betreuungssituation aus: Promotionsprogramme und Mitarbeit an Forschungsprojekten nehmen Einfluss auf die Qualifikation Promovierender und insbesondere auf ihre Sozialisierung in der wissenschaftlichen Gemeinschaft, während Promotionsvereinbarungen und Mehrpersonenbetreuung Massnahmen zur Qualitätssicherung des Betreuungsverhältnisses sind, wobei gemeinsame Zielvereinbarung transparent dokumentieren und die Intensität und Stabilität der Betreuung garantieren (de Vogel, 2020).
Die Datenanalyse der Studie von Wegner zeigt, dass Promovierende, deren Forschungsarbeit primär an einer HAW angesiedelt ist, etwas häufiger als externe HAW-Promovierende (48 % gegenüber 44 %) und Promovierende in universitären Kontexten (42 %) in strukturierten Promotionsprogrammen eingeschrieben sind. 54 % der HAW-internen Promovierende geben zudem an, in Forschungsprojekten eingebunden zu sein gegenüber 45 % der HAW-externen Promovierenden und 44 % der übrigen Promovierenden. Zudem schliessen interne und externe HAW-Promovierenden allgemein häufiger als diejenige in universitären Kontexten Promotionsvereinbarungen ab (jeweils 84% gegenüber 75%), was darauf zurückzuführen sein könnte, dass Promotionsordnungen für kooperative Promotionsvorhaben häufiger den Abschluss einer Promotionsvereinbarung vorschreiben. Weiter wird von den Daten erfasst, dass HAW-interne und HAW-externe Promovierende häufig in Zusammenarbeit von Mehrpersonen- bzw. Teambetreuung in ihrer Doktorarbeit begleitet werden (85 % der HAW-internen Promovierenden und 74% der HAW-externen Promovierenden gegenüber 58 % der übrigen Promovierenden).
Schliesslich lassen sich Unterschiede auch in der Wahrnehmung der HAW-Promotionsumgebung als förderliche Lernumgebung zwischen Promovierenden mit Beteiligung einer HAW erkennen. Promovierende, deren Forschungsarbeit an der HAW angesiedelt ist, sind durchgängig in allen betrachteten Dimensionen mit den Unterstützungs- und Promotionsbedingungen ihrer Institution zufrieden. Handelt es sich aber um eine externe HAW-Promotion, werden die Betreuungsbedingungen als tendenziell problematisch erlebt: die fachliche Betreuung wäre in solchen Konstellationen z.B. gemäss den Ergebnissen etwas geringer und instabiler. Da aber für diese Gruppe der primäre Forschungsort sowie die Art der Einbindung an einer HAW unbekannt sind, sind diese Ergebnisse mit Samthandschuhen anzufassen und durch weiteren, differenzierten Datenerhebungen weiterzuforschen.
Die Studie von Antje Wegner gibt spannende Einblicke in die Promotionsumgebung an Deutschen Fachhochschulen sowie in die Wahrnehmung von Promovierenden und Promovierten. Die Promotionen werden an HAWs mit zumindest äquivalenten, teilweise sogar besseren Promotions- und Unterstützungsbedingungen als in einer universitären Umgebung durchgeführt, jedoch mit Unterschieden zwischen internen und externen Promovierenden. Eine Reflexion zu diesen Ergebnissen wäre auch im schweizerischen Fachhochschulumfeld fruchtbar, da hochschulübergreifenden Kooperationen zwischen Fachhochschulen und Universitäten eine immer zentralere Bedeutung aus systemischer Perspektive zukommt. Die bisher von swissuniversities gesammelten Daten zeigen, dass die Mehrheit der Kooperationen strukturierte Programme betrifft; allerdings ein kleinerer Anteil Doktorierender nach dem Modell des «individuellen Doktorats» promoviert. Die Erhebung von genaueren Daten zum Thema würde den Stand der Promotionen an Fachhochschulen noch klarer abbilden und einen wesentlichen Beitrag zur Qualitätssicherung und Weiterentwicklung des dritten Zyklus auch in der Schweiz leisten.
- Die Resultate der Umfragen von 2016/2017 und 2019/2020 sind in swissuniversities (2020) publiziert, während diejenige von der Umfrage von 2019 noch nicht veröffentlicht wurden.
- Das Projekt des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) leistet einen Beitrag im Wissensbau in Rahmenbedingungen, Karriereverläufen und Werdegängen von Promovierenden und Promovierten in Deutschland mit regelmässigen Befragungen. Mehr Infos: https://www.nacaps.de/
Literatur
de Vogel, S. (2020). Individuelle und strukturierte Formen der Promotion: Zugang, Lernumweltbedingungen und beruflicher Übergang. Wiesbaden: Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-29508-0
Hauss, K., Kaulisch, M., Zinnbauer, M., Tesch, J., Fräßdorf, A., Hinze, S. & Hornbostel, S. (2012). Promovierende im Profil: Wege, Strukturen und Rahmenbedingungen von Promotionen in Deutschland (Ergebnisse aus dem ProFile-Promovierendenpanel Bd. 13). Berlin: iFQ – Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung.
Jaksztat, S., Briedis, K. & Preßler, N. (2012). Promotionen im Fokus. (HIS Forum Hochschule, 15/2012). Hannover.
swissuniversities (2020). Arbeitspapier Monitoring Doktorat an Schweizer Fachhochschulen 2019/2020. Abgerufen am 18.10.2022
Wegner, A. (2022). Viele Wege führen zur Promotion – Betreuungs- und Qualifizierungsbedingungen Promovierender an Hochschulen für angewandte Wissenschaften im Vergleich. Beiträge zur Hochschulforschung, 2022(1), 10-28.
Links
Projekts National Academics Panel Study (Nacaps) – abgerufen am 18.10.2022
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