Im Verlaufe der Corona-Semestern arrangierte man sich im Zusammenhang mit dem Emergency Remote Distance Learning nach einiger Zeit gut mit Online-Unterricht, entwickelte diesen mit den gemachten Erfahrungen weiter und optimierte. Um Studierenden die Teilnahme am Unterricht trotz Quarantäne, Erkrankung oder nicht möglicher Einreise in der Schweiz zu erleichtern, wurde auch ein passives Streaming umgesetzt. Abwesende Studierende wurden per Videokonferenzlösungen in den Unterricht vor Ort zugeschaltet und teils in die Interaktion eingebunden. Hybride Lehrformate mit unterschiedlichen Herausforderungen für die Dozierenden entstanden. Auch im laufenden Semester werden Veranstaltungen hybrid umgesetzt – Anlass genug, sich genauer mit hybrider Lehre auseinander zu setzen. In die folgenden Überlegungen fliessen auch Diskussionspunkte aus dem Webinar «das Beste aus Hybrider Lehre machen» von Mitte März ein.
Für Hybride Lehre nehmen Studierende zur gleichen Zeit mit der/dem Lehrenden am Unterricht teil, teils am gleichen Ort, teils von verschiedenen Orten online zugeschaltet, sodass zeitgleich sowohl in Präsenz als auch in einer digitalen Umgebung gelehrt wird (Reinmann, 2021). Im englischsprachigen Raum werden dafür die Begriff blended synchronous (Arbeitsgruppe um Bower et al., 2014; Irvine, 2020) oder Here-or-There-Instruction (McKimmy & Schmidt, 2014; Arbeitsgruppe um Zydney et al., 2020) verwendet. Es geht also um die Synchronizität physischer und digitaler Präsenz.
Die Umsetzung Hybriden Unterrichts lässt sich in verschiedene Levels unterteilen, welche sich an den verfügbaren technischen und daraus resultierenden Möglichkeiten zur Interaktion orientieren. Dies zeigt, dass didaktische Überlegungen Hybrider Lehre den technischen Möglichkeiten folgend entwickelt werden oder umgekehrt technische Rahmenbedingungen beeinflussen, was didaktisch sinnvoll umgesetzt werden kann. Ein bewusster Entscheid für Hybride Lehre ausserhalb einer coronabedingten Umsetzung verlangt also auch einen bewussten Entscheid für die entsprechende technische Ausstattung.
Analog der Differenzierung des Netzwerks Bildung plus geht das ZLLF von drei verschiedenen Leveln Hybrider Lehre aus:
- Bei hybridem Unterricht auf Level 1 nehmen Remote-Studierende im Sinne eines passiven Streamings z.B. über Zoom am Unterricht teil. Sie hören die/den Dozierende:n, sehen deren Präsentation über einen geteilten Bildschirm, können sich aber ausser über den Chat nicht aktiv in den Unterricht einbringen oder mit anderen Studierenden interagieren.
- Im hybriden Unterricht auf Level 2 widmet sich die/der Dozent:in zu bestimmten Zeitfenstern explizit auch den Online-Studierenden. Auch hier gibt es keinen wirklichen Austausch zwischen den beiden Studierendengruppen.
- Dies erfolgt erst in Level 3, wo sich Remote-Studierende und Studierende vor Ort unterstützt durch entsprechende technische Ausstattung gegenseitig hören und sehen. Nur so lassen sich auch Diskussionen umsetzen. Für Hybride Lehre als eigenständiges, curricular geplantes Lehrformat ist dieses Level anzustreben.
Die verschiedenen Level verweisen auf die mit Hybrider Lehre verbundenen kommunikativen Herausforderungen. Eine gute Tonqualität ist bedeutend wichtiger als das übertragene Bild. Neben einem geteilten Bildschirm kann auch ein gefilmtes Whiteboard oder Wandtafel übertragen werden, an der etwas im Austausch mit den Studierenden entwickelt wird. Ebenso kann auf einem übertragenen Tablet etwas visualisiert oder unter einem Visualizer etwas aufgezeigt werden. Konstellationen mit einer fixen Kamera z.B. auf eine Wandtafel sind prinzipiell einfacher zu übertragen. Mit einem vorgängigen Ausprobieren lässt sich die richtige Kameraposition und -einstellung finden sowie Erfahrung bei Wechsel zw. verschiedenen Medien sammeln.
Um Kommunikation zu gestalten, empfiehlt es sich unabhängig vom Level, Regeln für die Nutzung der verfügbaren Kommunikationskanäle einzuführen. Ob vor Ort eine Assistenz verfügbar ist, beeinflusst diese Überlegungen, da es herausfordernd ist, neben dem Unterricht den Chat mit Fragen im Auge zu behalten. Diesen nur am Ende von Themenblöcke zu sichten und dann alles angefallene zu bearbeiten, kann ebenso eine Lösung sein, wie ein:e Studierende:n die Fragen aus dem Chat in den Unterricht einbringen zu lassen. Für eine gelebte, aktive Kommunikation empfiehlt es sich, dass die Fragen direkt und unmittelbar in den gemeinsamen Lernraum eingebracht werden – egal ob Remote oder vor Ort. Dies hilft eine zweispurige Kommunikation zu vermeiden. Ob man sich als Dozent:in unterbrechen lassen möchte oder am Ende eines Themenblocks mit einer Fragerunde alles Unklare abholt und zur Diskussion anregt wird, obliegt den individuellen Vorlieben.
Die kommunikative Herausforderung Hybrider Lehre spielt auch in die Umsetzung von Gruppenarbeiten hinein. Diese können entweder in Arbeitsgruppen des gleichen Lernortes oder in gemischten Gruppen (Remote- und Präsenzstudierende) umgesetzt werden, was aber meist bedeutet, dass alle Studierenden dieser gemischten Gruppe online zusammenarbeiten und dafür Laptop und Headset verfügbar haben. Nur ein entsprechend grosser Raum minimiert die gegenseitigen akustischen Störungen. Daher sollten Vor-/Nachteile der ortsübergreifenden Gruppenbildung mit Lerninhalt und -ziel abgewogen und entsprechend überlegt und dossiert eingesetzt werden. Eine Ergebnissicherung über ein Online-Tool ermöglicht allen Studierenden den Zugang dazu.
Bei curricular bewusst geplanter Hybrider Lehre, die sich auf dem oben erwähnten Level 3 bewegt, sollte eine max. Anzahl an Online-Teilnehmenden definiert werden. Dabei können Studierende grundsätzlich frei entscheiden, ob sie online oder vor Ort teilnehmen möchten, auch wenn bestimmte Kriterien eher zu einer Online-Teilnahme berechtigen könnten. Diese sollte vor Kursbeginn definiert und allen bekannt sein. Um die Verteilung der verfügbaren hybriden Plätze zu steuern, empfiehlt sich eine vorgängige Reservation dieser.
Curricular geplante Hybride Lehre erfordert, dass beide Teilnehmendengruppen in der Lehrveranstaltung gleichberechtigt behandelt werden und der Fokus nicht mehr nur bei den Präsenzstudierenden liegt. Auch wenn technische Möglichkeiten die Interaktion einschränken würden, muss die Aufmerksamkeit als Dozent:in zumindest in gewissen Zeitfenstern explizit bei der einen oder der anderen Gruppe liegen. Dies erfordert, dass Hybride Lehre als eigenständiges Lehrformat gedacht und die Veranstaltung entsprechend vorbereitet wird, indem alle Lehr-/Lernphasen von Begrüssung, Einführung über Präsentation und Gruppenarbeit oder Plenumsphasen sowie Ergebnissicherung entsprechend den hybriden Prinzipien bewusst überlegt und didaktisch gestaltet werden. In der Umsetzung gilt es die Teilnehmenden so gut als möglich zu aktiveren und in den Unterrichtsverlauf u.a. auch mit Online-Tools einzubeziehen.
Der Online-Kurs von Ulrike Hanke auf ILIAS gibt weitere Ideen und Anregungen zur didaktischen Gestaltung Hybrider Lehre. Gerne tauschen wir uns am ZLLF mit euch über eure gemachten Erfahrungen aus.
In Kürze erscheint ein ZLLFtalk, in dem Sarah Hauser, Simon Züst und Stefan Jörissen sich über das Thema Hybride Lehre austauschen. Erfahrungen von Studierenden fliessen als Statements in die Unterhaltung mit ein.
Quellen
Bell, J., Sawaya, S., & Cain, W. (2014). Synchromodal Classes: Designing for Shared Learning Experiences Between Face-to-Face and Online Students. International Journal of Designs for Learning, 5(1), Article1.
Bower, M., Kenney, J., Dalgarno, B., Lee, M. J. W., & Kennedy, G. E. (2014). Patterns and Principles for Blended Synchronous Learning: Engaging Remote and Face-to-Face Learners in Rich-Media Real-Time Collaborative Activities. Australasian Journal of Educational Technology, 30(3), 261–272.
Irvine, V. (2020). The landscape of merging modalities. Educause Review, 4, 41-58.
Raes, A., Detienne, L., Windey, I., & Depaepe, F. (2020). A systematic literature review on synchronous hybrid learning: Gaps identified. Learning Environments Research, 23(3), 269–290.
Szoke, J. (2021). A teacher’s experience of hybrid classes: in corporating online and face-to-face teaching. Cambridge University press.
Reinmann, G. (2021). Hybride Lehre – ein Begriff und seine Zukunft für Forschung und Praxis. Impact Free 35. Hamburg.
Zydney, J. M., McKimmy, P., Lindberg, R., & Schmidt, M. (2019). Here or There Instruction: Lessons Learned in Implementing Innovative Approaches to Blended Synchronous Learning. Tech Trends, 63(2), 123–132.
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