Zwar kann man gutes Lehren in mechanistischen Wenn-Dann-Beziehungen denken:
- Wenn Gruppenarbeit, dann Sozialkompetenz.
- Wenn «infomierender Unterrichtseinstieg» gemacht, dann besseres Einfinden ins Thema.
- Wenn Lernziele anfangs deklariert, dann besser erreicht.
- Wenn Theorie gut verstanden, dann bessere Praxis.
- … usw.
Aber auch wenn in (fast) allen solchen Wenn-Dann-Hypothesen ein Kern Wahrheit steckt: Sogar alle diese möglichen Zusammenhänge zusammen ergeben bestenfalls die Hälfte der Wahrheit über Lernen und Lehren – soviel ist unumstritten. Längst werden weit darüber hinaus führende, faszinierende Theorien vorgeschlagen, um lernen und lehren zu verstehen. Diese lassen mechanisches Denken grundsätzlich hinter sich: systemisches Denken, «konstruktivistische Didaktik», der Hinweis auf «Serendipität» usw. Kaum tauche ich in diese Sichtweisen ein – und dies passiert mir automatisch, sobald ich verstanden habe, dass tote Mechanik lebendiges Lernen schlecht erklärt – regnet es AHA-Erlebnisse.
Mitten in dieser Faszination taucht allerdings eine etwas ernüchternde Frage auf:
Wie «mache» ich nun «das»?
Was unternehme ich ganz konkret, wenn ich mich in Richtung einer so verstandenden Didaktik weiterentwicklen will? Wie packe ich Schwierigkeiten beim Lehren an, wenn ich keine Lust mehr habe, sie auf einfache Wenn-Dann-Zusammenhänge zu reduzieren?
Um Antworten genau auf diese Fragen zu finden, schlagen wir vor, von der Kunst zu lernen: Wie machen es Künstlerinnen und Künstler? Denn gerade in der Kunst paart sich ein hohes Engagement, besser zu werden, mit grosser Sicherheit, dass eben dies nicht erreicht werden kann, indem primär Wenn-Dann-Bedingungen eingehalten werden. In der Kunst gibt es permanente Weiterentwicklung, laufende Verbesserung ohne Absicherung durch mechanistisch gedachte Zusammenhänge. Wie aber entsteht Sicherheit in der Kunst? Oder vielleicht: guter Umgang mit Unsicherheit?
Denn die Kunst hat der Didaktik etwas Entscheidendes voraus: Ihr ist schon seit Jahrhunderten klar, dass Kunst mehr ist als das Beherrschen von Techniken und Regeln. Weil dies in der Kunst so sehr und schon so lange erkannt ist, haben folgende zwei Fragen mehr Tradition, mehr Boden unter den Füssen als in der Didaktik: Was ist dieses «mehr»? Kann man es lernen?
Zum Bildungsbier Nr. 4 haben wir eine Spezialistin eingeladen, die genau diese Frage beforscht und uns erzählen kann, wie Kunstforschung darüber denkt.
Ist Didaktik Kunst?
Wenn auch gutes Lehren mehr ist als Präsentationstechnik und Lernpsychologie – was ist nun dieses „mehr“ hier? Ist dieses „mehr“ in der Didaktik dasselbe wie in der Kunst? Oder ein anderes? Oder teilweise dasselbe und teilweise ein anderes?
Folgefrage: Kann man dieses «mehr»in der Didaktik lernen? Daran wiederum schliesst sich die Frage an, ob dieses «mehr» in pädagogischen Ausbildungen überhaupt vor kommt, wenigstens als Frage? Und: Könnte man es in solchen Studiengängen überhaupt unterbringen? Oder braucht es, um mit diesem «mehr» weiterzukommen, ganz andere Kontexte als pädagogische Aus- oder Weiterbildungen? Eher Intervision? Ganz andere (Selbst-)Entwicklungs-Formate?
Zwischenbilanz
Nun: Wie denken Sie aktuell zu all diesen Fragen? Ich notiere hier, wie ich selbst momentan die Sache einschätze – und am 31. Mai denke ich gemeinsam mit Ihnen weiter und komme hoffentlich zu wieder neuen Erkenntnissen und Schlussfolgerungen für mein Lehren. Hier und jetzt sehe ich es so:
- Das Einhalten von pädagogischen Regeln und Methoden kann sinnvoll sein, solange es nicht zum Selbstzweck verkommt. Sobald Lehrpersonen sich allerdings daran halten, um sich abzusichern, um alles richtig zu machen, schadet die Regeleinhaltung sogar.
- Das Einhalten von pädagogischen Regeln und Methoden allein führt maximal zu mittelmässigem Unterricht – so wie das Einhalten von Gestaltungsregeln allein bestenfalls zu mittelmässiger Plakatgestaltung oder mittelmässigem Design reicht, und das Einhalten von Prinzipien der Harmonielehre zu Musik, die immerhin nicht falsch klingt.
- Wer hingegen fasziniert ist von der Idee, ein Plakat könnte mehr sein als «kein Fehler in Typographie», Musik mehr als «perfekte Instrumentaltechnik» oder Didaktik könnte weit über die Einhaltung von pädagogischen Regeln und Methoden hinausführen – die oder der wird sich wie jede Künsterin und jeder Künstler auf einen lebenslangen Weg machen und tüfteln, ausprobieren, bedenken, diskutieren, scheitern, weitergehen, austauschen; wird ein Stück permanente Unzufriedenheit mit sich und/oder dem eigenen Werk als Ansporn im Gepäck haben und wird von Fragen getrieben sein und von Serendipität ernten.
Meine finale Frage, …
… mit der ich ins Bildungsbier Nr. 4 kommen werde, ist: Was heisst das konkret? Wenn pädagogische und didaktische Aus- und Weiterbildungen ihren Schwerpunkt auf der Einhaltung empirisch oder theoretisch begründeter Prinzipien haben, wie können diejenigen Lehrenden, die nach einem «mehr» suchen, weiterkommen? Einige Ideen dazu haben wir, die wir am 31. Mai vorstellen möchten – und gerne möchten ich am 31. Mai ab 17 Uhr mit Ihnen zusammen mehr entdecken.
31. Mai, 17:00 bis 19:00, Werftestrasse 4, Luzern
Mit Getränken und Live-Musik
Teilnahme kostenlos – Anmeldung erwünscht:
E-Mail mit Betreff «Bildungsbier» an Gabriela Fischer, Zentrum für Lernen und Lehren