Robotik gegen Einsamkeit im Alter

von Céline Haller, Absolventin Minor Digitalisierung und Soziale Arbeit, Juni 2023

In diesem Beitrag wird untersucht, wie Roboter der Einsamkeit im dritten und vierten Lebensalter entgegenwirken können. Dabei wird zuerst auf das Thema Einsamkeit im Alter eingegangen und danach in Verbindung mit Robotik gesetzt. Die Rolle der Sozialen Arbeit wird reflektiert und schliesslich ein Ausblick vorgenommen.

Die Lebensphase Alter wird in der Alterswissenschaft in zwei weitere Kategorien eingeteilt. Das dritte Lebensalter wird von 65 bis 80 Jahre definiert. Das vierte Lebensalter beginnt bei 80 Jahren und endet mit dem Tod (Wurm, 2019). In beiden Lebensabschnitten spielt Einsamkeit eine grosse Rolle.

Ein sehr wichtiges Merkmal von sozialen Beziehungen ist deren emotionale Qualität. Das alleinige Bestehen von Beziehungen führt nicht dazu, dass Personen sich nicht einsam fühlen. Vielmehr ist es zentral, dass andere Personen für die Person da sind, so dass sich diese wohlfühlen können (Tesch-Römer, 2010, S. 107). Einsamkeit ist nach Tesch-Römer (2010) subjektiv zu betrachten. Wenn eine Person ihr Netzwerk kleiner als die eigenen Ansprüche einstuft, so entwickelt sich daraus Einsamkeit und Betroffene fühlen sich verlassen (S. 206-207).

Die Wahrscheinlichkeit, sich mit höherem Alter einsam zu fühlen ist grösser als im jüngeren Alter. In der nachfolgenden Abbildung werden Risiko- sowie Schutzfaktoren für Einsamkeit im Alter dargestellt.

Abbildung 1: Risiko- und Schutzfaktoren für Einsamkeit im Alter (eigene Darstellung auf der Basis von Tesch-Römer, 2010, S. 213–215)

Gefühle der Einsamkeit können negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben (Tesch-Römer, 2010, S. 214). Der Dokumentarfilm Einsamkeit hat viele Gesichter (Lanfranconi, 2021) hält das Thema der Einsamkeit auf eindrückliche Weise fest.

Mehrere Projekte zeigen auf, wie Robotik der Einsamkeit im Alter entgegenwirken kann. Diverse Studien belegen, dass Kommunikation über Netzwerke das Wohlbefinden stärkt. Das Gefühl von Einsamkeit kann durch die soziale Funktion der digitalen Welt vermindert werden und digitale Kommunikation kann analoge Gespräche anregen. Personen können andere Menschen aus ihrem sozialen Netzwerk über Soziale Medien schneller kontaktieren. Dadurch kann das Selbstvertrauen von Personen gestärkt werden (Dienlin et al., 2017, S. 72–73). Fokkema und Knipscheer (2007) halten fest: «Das Telefonat oder die Whats App kann zwar eine direkte Kommunikation vor Ort nicht ersetzen, aber dennoch Einsamkeit ein Stück entgegenwirken, indem digitaler Kontakt Ablenkung bietet und das Gefühl, wenn es mit anderen geteilt wird, aufgefangen werden kann». Als Beispiel lässt sich das CO-HUMANICS Projekt der TU Ilmenau (mdr.de, o. J.) aufzeigen. Dabei sollen Roboter durch Augmented Reality Personen in das Zuhause älterer Personen projizieren. Diese Roboter sollen den Menschen auch helfen, technische Geräte zu bedienen (ebd.). Wie die Bereitschaft der Nutzung von Kommunikationstechnologien von Personen im 3. und 4. Lebensalter in der Schweiz aussieht, untersuchte die Studie Digitale Senioren (Seifert et al., 2020).

Ein etwas anderer Roboter, der in Altersheimen eingesetzt wird, ist PARO (Bredl, 2012). Dies ist ein Roboter in Robbenform. Es ist empirisch erwiesen, dass Tiere das Einsamkeitsgefühl von älteren Personen in Pflegeeinrichtungen vermindern. Der Kontakt zu Tieren, als Zusatz zu menschlichen Beziehungen, kann unterstützend wirken (Tesch-Römer, 2010, S. 219). Cora Pauli vom Institut für Altersforschung der Ostschweizer Fachhochschule hält im Interview fest, wann der Roboter gegen die Einsamkeit eingesetzt werden kann.

Bei einem Einsatz von Roboter stellen sich ethische Fragen wie zum Beispiel, ob es verantwortbar ist, dass Menschen mit Robotik eine Beziehung aufbauen. Und inwiefern sind Roboter autonom? Das Factsheet der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften (Rochel, 2022) geht auf solche ethischen Fragen ein und erläutert ein Instrument, mit dem wichtige Fragen bearbeitet werden können. In Bezug zu älteren Menschen sehe ich zudem deren Vulnerabilität als wichtiger Punkt, der zu beachten ist.

Die Rolle der Sozialen Arbeit liegt darin, als unterstützende Profession ältere Menschen in ihrer sozialen Notlage zu begleiten (AvenirSocial, 2010, S. 7). Sie setzt sich zum Ziel, Personen zu unterstützen, welche an der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt sind (ebd.). Dies stützt auf dem Grundwert der Menschenwürde, welche beinhaltet, dass alle Menschen den gleichen Wert und Rechte haben sollen (AvenirSocial, 2010, S. 9). Mit dem Grundsatz der Partizipation und der Integration (AvenirSocial, 2010, S. 10) kann argumentiert werden, dass die Soziale Arbeit Betroffene unterstützen soll, ihr Gefühl nach Einsamkeit zu verändern. Konkrete Berufsfelder dafür können Siedlungsarbeit, Quartierarbeit oder Altersarbeit sein. Aber auch in der Forschung kann die Soziale Arbeit zusammen mit anderen Disziplinen wie beispielsweise der Alterswissenschaft sicherstellen, dass in der Entwicklung von Robotern die Bedürfnisse der Betroffenen miteinbezogen werden.

Abschliessend möchte ich einen Ausblick vornehmen. Ich erwarte, dass sich der Einsatz von Robotik zukünftig vermehrt. Der Einsatz im Alter kann hilfreich sein, bedingt allerdings, dass die Betroffenen den Techniken vertrauen und diese finanzieren können. Ich vermute, dass sich die kommenden Generationen mit der Technologie mehr wohlfühlen und den Einsatz befürworten, da sie bereits jetzt viel in Kontakt mit der Technik sind. Deshalb ist es wichtig, dass die Soziale Arbeit ihr Fachwissen dazu beiträgt, damit die Bedürfnisse der Betroffenen in die Entwicklung der Techniken einfliessen. Zudem ist es wichtig, technische Entwicklungen mitzuverfolgen sowie die ethischen Fragen bereits im Prozess in den Fokus zu setzen.

 

Quellen

AvenirSocial. (2010). Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz. Ein Argumentarium für die Praxis. AvenirSocial.

Bredl, L. (Regisseur). (2012). PARO, ein Roboter mit Charme—Eine Dokumentation von Leonie Bredl. https://www.youtube.com/watch?v=KNM5OrZO8-w

Dienlin, T., Masur, P. K., & Trepte, S. (2017). Reinforcement or Displacement? The Reciprocity of FtF, IM, and SNS Communication and Their Effects on Loneliness and Life Satisfaciton. Journal of Computer-Mediated Communication, 22(2), 71–87.

Fokkema, T., & Knipscheer, K. (2007). Escape loneliness by going digital: A quantitative and qualitative evaluation of a Dutch experiment in using ECT to overcome loneliness among older adults. Aging & Mental Health, 11(5), 496–504.

Lanfranconi, R. (Regisseur). (2021). Einsamkeit hat viele Gesichter. VOLTAFILM GmbH.

mdr.de. (o. J.). Mit Augmented Reality gegen Einsamkeit im Alter | MDR.DE. Abgerufen 3. März 2023, von https://www.mdr.de/wissen/mehr-sozialer-kontakt-durch-augmented-reality-100.html

Rochel, J. (2022). Ethik in der Robotik (Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften, Hrsg.).

Seifert, A., Ackermann, T., & Schelling, H. R. (2020). Digitale Senioren III – 2020. 88.

Tesch-Römer, C. (2010). Soziale Beziehungen alter Menschen (1. Auflage). W. Kohlhammer.

Wurm, S. (2019). Lebensalter, drittes und viertes. Dorsch Lexikon der Psychologie. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/lebensalter-drittes-und-viertes

 

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