Förderung der digitalen Kompetenzen bei Armutsbetroffenen im Kanton Aargau

von Hisham Al-Salloum, Absolvent Minor Digitalisierung und Soziale Arbeit, Juni 2023

Die Welt verändert sich schnell. Viele Formulare und Anträge für Prämienverbilligung, Stipendien und Sozialhilfe werden heutzutage online ausgefüllt und eingereicht. Dabei fehlen vielen Menschen die digitalen Kompetenzen, um diese Anliegen elektronisch zu erledigen. Die Caritas Aargau will daher einen Beitrag zur Förderung der digitalen Kompetenzen dieser Menschen leisten. Die Zielgruppe sind Armutsbetroffene im Kanton Aargau, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem religiösen Hintergrund.

Fehlende digitale Kompetenzen sind für Armutsbetroffene mit negativen Folgen verbunden. Die Digitalisierung gewährt einen breiten Zugang zu Informationen und Wissen. Fehlende digitale Kompetenzen können diesen Zugang einschränken bzw. verhindern und die berufliche Integration der Betroffenen gefährden, da die Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt in Bezug auf digitale Kompetenzen stetes erhöht werden (Mühlebach, 2022). Die Soziale Arbeit ist aufgefordert, sich mit den Nachteilen der Digitalisierung auseinanderzusetzen und die Betroffenen vor diesen Einschränkungen sowie Ausgrenzung zu schützen (Doerk et al., ohne Datum). Es braucht also Lösungen, wie die digitalen Kompetenzen bei den Betroffenen gefördert werden können.

Abbildung 1: Digitale Kompetenzen (Quelle: Die Deutsche Angestellten-Akademie, ohne Datum)

Ziel des Vorhabens

Der Autor dieses Artikels führte eine Bedarfsanalyse im Auftrag der Caritas Aargau durch. Das Ziel war, die fehlenden digitalen Kompetenzen bei Armutsbetroffenen im Kanton Aargau zu eruieren, um ein passendes Angebot für sie zu entwickeln.

Methodisches Vorgehen

Bei der Zielgruppe

Die Zielgruppe füllte mithilfe der Beratenden und Freiwilligen der Caritas Aargau eine Umfrage entweder online, in PDF-Format oder auf Papier aus. Damit diese Umfrage für möglichst viele zugänglich war, wurde sie auf Deutsch in einfacher Sprache erstellt und in die vier grössten Sprachgruppen von Klient*innen der Caritas Aargau übersetzt. Diese sind Italienisch, Spanisch, Arabisch und Tigrinja. Die Antworten in den vier Fremdsprachen wurden von Dolmetschenden auf Deutsch übersetzt.

Um den Datenschutz der Teilnehmenden zu gewährleisten, erfolgte die Online-Umfrage mit Microsoft Forms. Es wurden ausserdem keine persönlichen Informationen wie Name, Alter, Herkunft oder Kennwörter gefragt. Hingegen wurden die ausgefüllten Umfragen in PDF-Format oder auf Papier anonymisiert durch die Beratenden und Freiwilligen an den Autor zurückgeschickt.

74 Personen (35 Frauen und 35 Männer) haben an der Umfrage teilgenommen.

Bei den Fachstellen

Folgende 14 Fachstellen erhielten eine andere Umfrage und wurden gebeten, ihre Erfahrungen, Einschätzung und Empfehlungen zu geben:

Die Kirchlichen Regionalen Sozialdienste, die Flüchtlingsberatung und der Bereich Projekte & Bildung der Caritas Aargau, die Anlaufstelle Integration Aargau, der Verein Netzwerk Asyl Aargau, TRINAMO AG, der Sozialdienst der Stadt Aarau sowie der Verein CLF (Computerlab für Flüchtlinge).

Erkenntnisse aus der Bedarfsanalyse

Nachfolgend werden die drei Schritte der Bedarfsanalyse präsentiert und jeweils einige Antworten bzw. Aussagen von Teilnehmenden sowie Fachstellen wortwörtlich aufgezeigt.

Schritt 1: Bei welchen Themen fehlen die digitalen Kompetenzen bei der Zielgruppe?

Sicht der Teilnehmenden: Auf die Frage, wie sie einen Kontosauszug bestellen, kamen folgende Antworten:

Bemerkenswert ist hier, dass 41% der Befragten, den Kontoauszug am Schalter bei der Post oder bei einer Bank bestellen. Dies bedeutet, dass sie z.B. monatlich bei der Post 5 Franken für einen Kontoauszug zahlen und deshalb jährlich 60 Franken dafür ausgeben müssen. 25% erledigen es mit der App im Handy, 23% brauchen die Hilfe Dritter, nur 10% machen es mit dem PC oder Laptop und eine Person braucht es nicht.

Sicht der Fachstellen:

  • KulturLegi-Anmeldung online ausfüllen
  • Bewerbungsdossier erstellen
  • Formular Elternschaftsbeihilfe ausfüllen
Schritt 2: Wie müsste ein geeignetes Angebot für die Zielgruppe aussehen?

Sicht der Teilnehmenden: Die Befragten wünschten sich folgende Hilfen:

40% wünschen sich einen kostenlosen Kurs, 26% würden an einen Ort gehen, wo sie Hilfe bekommen und ebenfalls 26% wünschen sich eine*n Tandempartner*in, die sie begleitet und es ihnen beibringt, 3% sind Mütter und möchten es am Spielplatz lernen und bei Sonstiges kamen keine neuen Ideen.

Sicht der Fachstellen:

  • Basisschulung vom Einschalten des PC bis hin zum Versenden von Bewerbungsunterlagen.
  • Workshops in verschiedenen Sprachen, Piktogramme, leichte Sprache.
Schritt 3: Ergänzungen und Bemerkungen von beiden Seiten.

Sicht der Teilnehmenden:

  • Ich arbeite lieber auf dem Computer als mit Papier.
  • Ich verstehe sehr wenig Deutsch, darum brauche ich überall Hilfe.

Sicht der Fachstellen:

  • Das Bewusstsein der Klientel fehlt häufig noch, dass es wichtig ist, digitale Kompetenzen zu besitzen.
  • Grosse Unterschiede: Manche bringen praktisch keine Kompetenzen mit, manche sehr viel.

Basierend auf den Resultaten der Umfrage werden mögliche Herausforderungen bei einem Angebot im folgenden Video thematisiert:

Fazit

Die Bedarfsanalyse hat aufgezeigt, bei welchen Themen Bedarf nach Förderung der digitalen Kompetenzen besteht und welche Hilfsmöglichkeiten angeboten werden können. Den Armutsbetroffenen sollte der Zugang zur digitalen Welt gewährleistet werden, andernfalls droht ihnen die digitale Exklusion. Der Zielgruppe sollte bei der Gestaltung der Angebote und bei der Evaluation von bestehenden und neu entwickelten Angeboten eine Stimme gegeben werden. Der Erfolg eines Angebotes hängt nicht nur von guten Bedingungen eines Angebotes ab, es braucht ebenfalls die Eigeninitiative und Eigenmotivation seitens der Zielgruppe.

Literaturverzeichnis:

Doerk, M., Huber, A., Luginbül, M., Sierra Barra, S., Stade, P., Steiner, O., Waldis, B. &            Schädler, S. (ohne Datum). Positionspapier: Soziale Arbeit und Digitalisierung.             https://www.sozialdigital.eu/wpcontent/uploads/2020/09/Positionspapier_DE.pdf

Mühlebach, C. (2022, 12. Mai). Digitale Welt: Ohne Kompetenzen bleibt der Zugang      verwehrt. Sozialinfo.ch.

 https://www.sozialinfo.ch/digitalisierung/fokusartikel/ohne-kompetenzen-bleibt-der-zugang-verwehrt

Abbildung 1: Die Deutsche Angestellten-Akademie (ohne Datum). Digitale Kompetenzen.          https://daa-kirchheim.de/bildungsangebot/digitale-kompetenzen

 

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