Krisen ohne Governance: Haben wirklich alle dasselbe Verständnis?

Eine fehlende Krisen-Governance kann selbst den besten Krisenstab ausbremsen. Wie wirkt sich das in Situationen aus, in denen Unternehmen unter Druck sofort handeln müssen? Wir haben nachgefragt.

Stellen sie sich vor, sie sind Krisenmanager*In und Ihr Unternehmen steht Kopf. Glücklicherweise können Sie auf einen eingespielten Krisenstab zurückgreifen: Die Entscheide fallen schnell, sodass Sie grössere Schäden abwenden können.

Im Nachhinein stellt sich aber heraus, dass einige Entscheidungen ausserhalb Ihrer Kompetenz lagen. Teils waren auch die Folgen sehr ungünstig. Anstelle von Lob ernten Sie in der Nachbearbeitung Tadel für Entscheidungen, die Sie nach bestem Wissen und Gewissen gefällt haben. Ist das wirklich nötig?

Fehlende Richtlinien – hohes Risiko

Das Beispiel zeigt die Notwendigkeit einer Krisen-Governance, auch genannt Crisis Governance Policy. Dabei handelt es sich um ein strategisches Leitdokument, das Rollen, Zuständigkeiten, Entscheidungswege und Kommunikationsabläufe im Krisenfall verbindlich regelt.

Fehlt eine solche Policy, führt diese Lücke zu Unsicherheit und Inkonsistenz: Mitarbeitende agieren zwar nach bestem Wissen und Gewissen und im Sinne der Unternehmung und wissen, was im Ernstfall zu tun ist, aber nicht, wer was entscheidet – und auf welcher Grundlage. Das Problem zeigt sich besonders in der Nachbearbeitung von Krisen: Fehlen klare Vorgaben, sind Krisenverantwortliche angreifbar.

Klare Strukturen als Erfolgsfaktor

Wir, das Autor:innen-Team, können auf einen breiten Erfahrungsschatz zurückgreifen. Einige von uns sind seit mehreren Jahren Teil eines Krisenstabs, während andere ihre Expertise aus angrenzenden Bereichen einbringen. Gemeinsam absolvieren wir derzeit den CAS Krisenmanagement und Organisationale Resilienz an der HSLU Hochschule Luzern. Im Rahmen dieses Programms haben wir die Notwendigkeit einer solchen Krisen-Governance untersucht, Fachliteratur studiert, Krisenverantwortliche renommierter Schweizer Unternehmen interviewt und externe Expert:innen konsultiert.

Das Fazit? Fünf Erfolgsfaktoren für ein erfolgreiches Krisenmanagement:

  1. Klare Führungs- und Entscheidungsstrukturen
  2. Eindeutige Rollenverteilungen
  3. Interdisziplinäre Zusammenarbeit
  4. Geregelte Kommunikation
  5. Regelmässige Krisenübungen unter realistischen Bedingungen

Orientierung an Standards

Auch internationale Standards wie ISO 22361:2022 bieten wertvolle Orientierungshilfen. Sie helfen dabei, die Krisenvorbereitung systematisch und unternehmensweit abzustimmen – vom Krisenstab bis zur Unternehmensleitung.

Die Analyse macht deutlich: Eine fehlende Crisis Governance Policy ist keine Nebensache – sondern ein reales Risiko. Wer sich im Ernstfall auf „implizites Wissen“ und inhärentes Bauchgefühl verlassen muss, riskiert Fehlentscheidungen und Reputationsschäden, vor allem in der Nachbearbeitung einer Krise. Klare Strukturen, gelebte Prozesse und eine verbindliche Policy schaffen Sicherheit – für Menschen, Werte und das Unternehmen als Ganzes.

Klare Regeln sorgen für Orientierung und Sicherheit im Krisenfall (eigene Visualisierung)

 

Die zugrundeliegende Arbeit wurde von nachfolgenden Personen im Rahmen des Leistungsnachweises für den CAS Krisenmanagement und Organisationale Resilienz erstellt:
  • Melanie Kunz ist Betriebswirtschafterin und HR Professional. Sie arbeitet heute als Leiterin Operations und ist durch ihre langjährige Tätigkeit im Gesundheits- und insbesondere Spitalwesen mit Ausnahme- und Notfallsituationen bestens vertraut.
  • Claude Müller ist ausgebildeter Wirtschaftsprüfer und arbeitet als Projektleiter. Als langjähriges Krisenstabs-Mitglied ist ihm der hohe Druck während einer Krise bewusst, bislang glücklicherweise nur in Übungsanlagen.
  • Jörg Schenk ist ausgebildeter Polizist und leitet heute das Interne Inspektorat / Revision in einem Schweizer Grossunternehmen. Darüber hinaus verantwortet er die Notfallorganisation sowie den Krisenstab des Unternehmens. Durch seinen beruflichen Werdegang hat er ausgeprägte Erfahrungen mit ausserordentlichen Situationen und komplexen Herausforderungen.
  • Tina Vaaler ist IT-Projektleiterin. Sie hat Biologie und Anthropologie studiert und war längere Zeit als Datenanalystin tätig. Sie hat lange in England gearbeitet, unter anderem in den Betrugsabteilungen zweier Banken und bei der Polizei.
 

 

Melanie Kunz, Claude Müller und Jörg Schenk

Sie alle absolvieren derzeit den CAS-Lehrgang "Krisenmanagement und Organisationale Resilienz" an der HSLU.

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