Illustration Beweglichkeit vs. Bequemlichkeit – Ambidextrie zwischen Flexibilität und Komfort in der Cloud-Strategie

Beweglichkeit vs. Bequemlichkeit: Keine einfachen Entscheidungen für CIOs

Viele grosse Tech-Firmen locken Unternehmen mit dem Versprechen von Einfachheit, Sicherheit, Effizienz und tiefen Gesamtkosten in die Cloud. Der Weg wirkt klar und bequem. Doch wer sich undifferenziert darauf einlässt, zahlt oft einen höheren Preis: den Verlust an strategischer Freiheit, Flexibilität und Verpflichtungen, die über Jahre hinweg zum Klotz am Bein werden.

Ich erinnere mich gut an ein Gespräch mit dem CIO eines mittelständischen Industrieunternehmens. Bei einem Kaffee sagte er: «Wenn ich SAP glaube, muss ich mit RISE in die Cloud – sonst bin ich raus.» Diese Haltung steht stellvertretend für den gefühlten Vendor-Lock-in: Wer nicht dem vom Hersteller vorgegebenen Pfad folgt, fürchtet, den Anschluss zu verlieren. Aber ist das wirklich so?

Entscheidungen treffen, wenn nichts sicher ist – Lektionen aus dem EMBA

Im EMBA-Modul Strategisches Trend- und Szenario-Management lernte ich, fundierte Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen und in mehrere mögliche Zukünfte zu denken. Rahmenbedingungen ändern sich rasch – technologisch wie wirtschaftlich. Wir arbeiten nicht mit Gewissheiten, sondern mit Wahrscheinlichkeiten, Optionen und potenziellen Wendepunkten (etwa Zölle, Cloud-Acts, Exportkontrollen).

Genau diese Denkweise prägt meine Sicht auf IT-Strategien: Zukunft ist nicht planbar, aber wir können uns auf unterschiedliche Szenarien vorbereiten – und so Entscheidungen treffen, die robust gegenüber Veränderungen sind.

SAP RISE:  Standardisierung um jeden Preis?

Genau deshalb irritiert mich der Hype um RISE. Nicht, weil es ein schlechtes Angebot wäre, sondern weil es oft unkritisch übernommen wird. Die versprochenen Vorteile – Innovation, Einfachheit, tiefe Gesamtkosten – klingen überzeugend. Aus einer langfristigen, zukunftsoffenen Perspektive müssen CIOs jedoch fragen: Was steckt wirklich dahinter?

Laut dem DSAG-Investitionsreport 2025 sank der Anteil der Unternehmen ohne RISE-Projekt innerhalb eines Jahres von 61 % auf 23 %. Der Trend kippt zugunsten von RISE – umso wichtiger ist es, die strategischen Risiken im Blick zu behalten: fehlende Kostentransparenz, komplexe Service-Level-Agreements, technologische Abhängigkeit, Kostentreiber bei Erweiterungen und vor allem fehlende Exit-Strategien.

Ambidextrie: Das Einfamilienhaus‑Bild

Ein Bild hilft: Heute „wohnt“ Ihr Unternehmen noch im Einfamilienhaus – voller Gestaltungsspielraum. Sie können anbauen, umbauen, ein Gästezimmer dazunehmen. RISE hingegen ähnelt einer Stockwerkeigentümergemeinschaft: klar strukturiert, bequem, aber mit fixen Regeln und wenig Raum für freie Entfaltung.

Das kann passen, wenn Standardisierung das Ziel ist. Wer jedoch Neues schaffen will und Entwicklungsspielräume offenhalten möchte, braucht Ambidextrie – das Gleichgewicht zwischen Stabilität und Erneuerung.

Technische Sackgassen gilt es dabei zu vermeiden. Weder RISE noch eine Private-Cloud sind per se eine Sackgasse. Beide können Teil einer Strategie sein – wenn sie mit Weitblick genutzt werden und ein klarer Exit-Pfad definiert ist.

Vergleich Innflow Cloud vs SAP RISE – Einfamilienhaus oder Business-STWEG mit strengen Hausregeln
Der Traum vom Einfamilienhaus: Innflow Cloud als flexible Alternative zu SAP RISE.
Was bleibt, ist Beweglichkeit

Digitalisierung ist kein Zustand, sondern ein Prozess mit vielen möglichen Wegen. Wer ihn geht, sollte sich nicht einmauern, sondern bewusst Optionen offenhalten.

„Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Windmühlen und die anderen Mauern.“

So lautet ein chinesisches Sprichwort, das diesen Gedanken treffend auf den Punkt bringt. Die entscheidende Frage ist nicht, welche Lösung der Hersteller empfiehlt, sondern wie wir beweglich bleiben, wenn sich Markt und Technologie schneller verändern, als jede Roadmap es vorhersieht. Jede CIO-Entscheidung sollte daher drei Dinge beantworten:

  1. Haben wir eine klare Exit-Strategie – technisch, vertraglich und organisatorisch – für die gewählte Cloud-Option?
  2. Kennen wir die wahren Gesamtkosten – inklusive SLAs, Add-ons, Datenverkehr und Integration – über 3–5 Jahre?
  3. Fördert unsere Architektur Ambidextrie – Stabilität im Kerngeschäft und gleichzeitig Spielräume für Neues?

Genau diese Beweglichkeit versuche ich in meinem Arbeitsalltag mit Kund:innen zu fördern – nicht als Verkaufsargument, sondern als Einladung, den Blick zu weiten. Eine Strategie ist nur dann zukunftsfähig, wenn sie heute funktioniert und morgen noch Spielraum lässt.

Dzemal Paftali

Dzemal Paftali ist Senior Manager Business Development bei Innflow AG und absolviert zum Zeitpunkt der Publikation den Studiengang Executive MBA Strategisches Management und Leadership an der Hochschule Luzern.

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