Vier Militärs auf einer Brücke über einen Fluss in Prizren, Kosovo

Vom Einsatz in die Geschäftsleitung – warum Klarheit mein wichtigstes Werkzeug wurde

Klarheit, Orientierung, Verantwortung: Was Führungskräfte vom Militär lernen können. Ein Erfahrungsbericht über Entscheidungen unter Druck – vom Auslandeinsatz bis in die Geschäftsleitung.

Frühling 2019. Prizren, Süd-Kosovo. Mein Team übernimmt ein Beobachtungsgebiet, das wir kaum kennen. Ich soll führen, entscheiden und handeln.

Als Teamcommander eines Liaison & Monitoring Teams der SWISSCOY war ich verantwortlich für ein Team aus militärischen und zivilen Mitarbeitenden. Unser Auftrag: Gespräche führen, beobachten, die Lage erfassen und regelmässig rapportieren. Die Herausforderungen waren komplex, die Zeit stets knapp, das Umfeld international. Der OODA-Loop (1) war dabei mein wichtigstes Werkzeug: beobachten, orientieren, entscheiden, handeln. Führen hiess in diesem Umfeld: Klarheit schaffen, Orientierung geben, Vertrauen ermöglichen.

Der OODA-Loop im Einsatz

In den ersten Tagen fehlte die Orientierung: neue Region, neue Partner, neue Realität. In dieser Phase wurde mir bewusst, wie entscheidend der OODA-Loop für erfolgreiche Führung ist. Erst beobachten:

  • Was ist da?
  • Wie wirkt die Stimmung?
  • Welche Dynamiken zeigen sich?

Dann orientieren:

  • Welche Muster erkenne ich?
  • Was bestätigen die Daten?
  • Welche Perspektiven bringt mein Team ein?

Dann entscheiden und handeln. Nicht perfekt, aber präzise.

Vom Einsatzgebiet in die Bank

Fünf Jahre später übernahm ich als Geschäftsleitungsmitglied die Verantwortung für den Vertrieb einer Raiffeisenbank. Die Organisation war sehr erfolgreich und stark von einer Führungspersönlichkeit abhängig. Entscheidungen liefen top-down, Verantwortung wurde selten delegiert. Viele Mitarbeitende handelten reaktiv: «Ich tue, was man mir sagt.»

Auch hier brauchte es ein Lagebild.

  • Ich beobachtete: Wie funktioniert die Bank wirklich?
  • Ich orientierte mich: Wo entstehen Dynamik, wo Blockaden?
  • Ich entschied: Verantwortung gehört in die Linie. Kommunikation muss stufengerecht erfolgen. Führung heisst nicht Kontrolle, sondern Rahmen schaffen.

Verantwortung wird dort übernommen, wo sie entsteht

Ein Jahr später, im EMBA-Studium an der HSLU, finde ich Begriffe für das, was ich im Einsatz gelebt und im Unternehmen angewendet habe. In Anlehnung an Laloux› Konzept aus dem Buch „Reinventing Organizations“ fördern wir auf der Bank deshalb eine Kultur, in der Verantwortung dort übernommen wird, wo sie entsteht. So verhindern wir, dass sich Führungskräfte als «Lösungstankstellen» positionieren, und stärken stattdessen Selbstführung – ein zentraler Baustein für nachhaltige Veränderung.

Klarheit wurde mein wichtigstes Werkzeug, weil sie in jedem Umfeld – ob im Einsatz oder im Unternehmen – Orientierung schafft. Sie erlaubt es, Prioritäten zu setzen, Handlungsspielräume zu erkennen und Entscheidungen nachvollziehbar zu machen.

Meine wichtigste Erkenntnis: Führung beginnt nicht mit dem Entscheiden. Sie beginnt mit dem Beobachten.

Vier Militärs auf einer Brücke über einen Fluss in Prizren, Kosovo
Orientierung des Teams im Gelände: Führung beginnt mit Beobachten (eigene Fotografie)

 

Tobias Fischer

Tobias Fischer ist Mitglied der Geschäftsleitung bei der Raiffeisenbank Allschwil-Schönenbuch und absolviert zum Zeitpunkt der Publikation den EMBA an der Hochschule Luzern.

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One thought on “Vom Einsatz in die Geschäftsleitung – warum Klarheit mein wichtigstes Werkzeug wurde

  1. Sehr spannender Artikel, lieber Tobias! Deine Erfahrungen zeigen eindrücklich, wie wichtig Klarheit und Orientierung in jeder Führungsrolle sind. Besonders der Gedanke, Verantwortung dort zu verankern, wo sie entsteht, hat mich sehr inspiriert. Danke fürs Teilen! Viele Grüsse Franziska

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