Ein guter Risikoappetit macht den Brandschutz bekömmlich

Brandschutz ist essenziell, aber oft hinderlich für die kreative Freiheit. Eine neue Gesetzgebung fördert einen «risikobasierten Ansatz» – was hat es damit auf sich? Und welche Instrumente aus dem Management können beim Brandschutz Risk Management helfen? Eine Einordnung.

Ist der Ausfall einer Sprinkleranlage so schlimm? Häufig dient die Sprinkleranlage als Kompensation für Abweichungen von den Brandschutzvorschriften. Der Bauherr fragt, wozu brauche ich eine Sprinkleranlage, wenn die Personenbelegung gering, die Baustoffe nicht brennbar, die Feuerwehr in 5 Minuten vor Ort und das Tragwerk massiv ist. Eine Risikoabwägung zwischen Eintrittswahrscheinlichkeit (z.B. Brand) und Schadensausmass (z.B. Personengefährdung) fehlt oft.

Als Brandschutzplaner gehören solche Diskussionen für mich zum Alltag. In der Baubranche weiss man: Brandschutz ist essenziell, aber oftmals ein Hindernis für Kreativität und Innovation. Man gibt ungern Geld für etwas aus, das man nicht sieht und das im Alltag keinen Nutzen hat.

Teurer Brandschutz, geringer Risikoappetit

Brandschutz ist zu teuer und der Risikoappetit der Branche zu gering, weil Brandschutzvorschriften zu starr angewendet werden, anstatt das Risiko individuell zu betrachten. Dies bestätigen auch die Brandstatistiken der letzten Jahre sowie die notwendigen Baukosten für Brandschutzmassnahmen.

«Zwischen 2004 und 2023 stieg bei den 19 Kantonalen Gebäudeversicherungen der Gebäudebestand von 2.097 auf 2.323 Millionen. Dies entspricht einer Zunahme von 11 %. Trotz dieser klaren Zunahme ist bei den kantonalen Gebäudeversicherungen ein leichter Rückgang der Schadenssumme ersichtlich.» (Statistiken zu Bränden, o. J.)

2026 tritt eine neue Brandschutzgesetzgebung in Kraft, die Abhilfe schaffen soll. Sie fördert einen risikobasierten Ansatz. Das bedeutet, dass der Brandschutz massgeschneidert auf das Projekt möglich sein soll. Gibt man damit bewährte Schutzziele auf? Keinesfalls. Vielmehr geht es darum, die Risiken eines Brandes mit den bewährten Schutzzielen (Personensicherheit, Sachwertschutz, Business Continuity, …) individuell am geplanten Gebäude in Einklang zu bringen.

6.7 Millionen zur Verhinderung eines Todesfalls

Wie funktioniert eine solche flexible Anpassung? Die künftigen Vorschriften basieren auf zwei zentralen Zahlen: dem Grenzwert für Grenzkosten und dem Risikogrenzwert zur Festlegung des minimalen Sicherheitsniveaus.

Der Grenzwert der Grenzkosten basiert auf der Idee, dass sich die Risiken im Brandschutz an denen anderer Lebensbereiche orientieren sollen. Laut einer OECD-Metastudie (Ecoplan, 2016) liegt dieser Wert bei 6,7 Millionen CHF. Massnahmen zur Verhinderung eines zusätzlichen Todesfalls sollten diesen Betrag nicht überschreiten, um als risikobasiert zu gelten.

Oberer Grenzwert und Grenzkostenprinzip (Graphik: Risk&Safety / Matrisk
Oberer Grenzwert und Grenzkostenprinzip (Grafik: Risk&Safety / Matrisk

Der Grenzwert für den roten Bereich definiert ein Nutzerrisiko von 5 mal 10⁻⁵ pro Nutzer und Jahr. Dieser Wert liegt über dem heutigen Standard und orientiert sich am Schutz vor Naturgefahren. Dies erlaubt es, akzeptable Risiken zuzulassen und Massnahmen effizienter zu gestalten, da viele Brandtote durch bestehende Vorschriften nicht verhindert werden können. In diesem Spannungsfeld zwischen Innovation und Risikomanagement gilt es in Zukunft zu arbeiten.

Ein Blick über den Tellerrand: Risikomanagement in Firmen

Mit der neuen Gesetzgebung wird es wichtig, Werkzeuge zur Risikoberechnung nicht nur zu kennen und anzuwenden, sondern diese auch anschaulich darzustellen. Hierfür lohnt sich ein Blick über den Tellerrand: Im Business Management ist die Sparte Risikomanagement nicht neu. Einige Ansätze davon lerne ich derzeit im EMBA an der HSLU kennen, beispielsweise die Heat Map, das Tornado Diagramm oder die Bow-Tie-Analyse.

Bow-Tie-Analyse: Ausfall einer Sprinkleranlage

Besonders gefällt mir dabei die Bow-Tie-Analyse. Dies ist eine Methode zur Visualisierung von Risiken. Sie zeigt die Ursachen eines zentralen Ereignisses (z. B. Ausfall der Sprinkleranlage) auf der linken Seite und die Folgen auf der rechten Seite. Präventive Massnahmen verhindern das Ereignis, während reaktive Massnahmen die Auswirkungen minimieren. So bietet die Analyse eine ganzheitliche Sicht auf Gefahren und Schutzmassnahmen.

Innovation heisst auch, Regeln infrage zu stellen

Die Bauindustrie befindet sich in einem Transformationsprozess, getrieben durch Innovation und Klimawandel. Innovation bedeutet oft, bestehende Regeln infrage zu stellen und neue Wege zu beschreiten. Durch den Einsatz von Risikomanagement-Tools im Brandschutz lassen sich Risiken nicht nur identifizieren und bewerten, sondern auch gezielt managen. Dies führt zu systematischer Planung, effizienter Risikominimierung und einem erhöhten Schutzniveau. Dadurch werden innovative Ansätze wie neue Baustoffe oder komplexe Geometrien gefördert.


Quellenverzeichnis:

Ecoplan (Hrsg.). (2016). Empfehlungen zur Festlegung der Zahlungsbereitschaft für die Verminderung des Unfall- und Gesundheitsrisikos (value of statistical life), Studie im Auftrag des Bundesamtes für Raumentwicklung ARE und der Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu. Bern.

Statistiken zu Bränden. (o. J.). BFB. Abgerufen 5. Oktober 2024, von https://www.bfb-cipi.ch/ueber-bfb/statistiken

Luca Dressino

Luca Dressino ist Business Unit Leiter Brandschutz & Bauphysik bei der Gruner AG und absolviert zum Zeitpunkt der Publikation den Executive MBA an der Hochschule Luzern

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