Mehr Möglichkeiten - mehr Komplexität. In der Logistik-Welt ist die Digitalisierung meistens ein Segen, aber nicht immer. (Bild generiert mit ChatGPT)

VUCA in der Logistik: War früher alles besser – oder nur weniger komplex?

Die Logistikbranche wird derzeit massiv beeinflusst von technologischen Entwicklungen und globalen Vernetzungen. Man spricht von einer «VUCA»-Welt: volatil, unsicher, komplex, ambivalent. War früher alles besser? Meine Erfahrung zeigt: Früher war es stabiler, aber wir hatten weniger Optionen.

Stellen Sie sich vor, eine wichtige Lieferung Aktionsware bleibt wegen einer Überschwemmung auf halbem Weg stecken. Früher hätte man zum Telefonhörer gegriffen und umdisponiert – heute steht die neue Ware bereits vor der Tür.

Nicht nur die Welt, sondern auch die Logistikbranche hat sich in den letzten Jahrzehnten radikal verändert. Früher waren Lieferketten regional und relativ stabil, die Prozesse oft manuell und überschaubar. Zum Beispiel wurde Kommunikation in der Logistik hauptsächlich über Festnetztelefone oder Fax abgewickelt. Entscheidungen konnten in einem ruhigen, gleichmässigen Umfeld getroffen werden.

Heute hingegen ist die Logistik geprägt von globalen Lieferketten, Echtzeit-Kommunikation über mobile Endgeräte und der Notwendigkeit, auf plötzliche Veränderungen schnell zu reagieren. Wird Aktionsware verspätet angeliefert, bleibt nicht mehr viel Zeit übrig, diese rechtzeitig zum Aktionsstart in die Filialen zu bringen.

VUCA: Früher stabil, heute dynamisch

Im EMBA setzten wir uns kürzlich vertieft mit dem Begriff «VUCA» auseinander. Dieses Konzept half mir, die Entwicklungen in der Logistikbranche besser einzuordnen.

Die Volatilität in der Logistik zeigt sich beispielsweise in schwankenden Kraftstoffpreisen.

Unsicherheit tritt auf, wenn Naturkatastrophen unvorhersehbare Auswirkungen auf die Lieferketten haben. Beispielsweise waren in diesem Sommer Teile des Tessins oder Oberwallis plötzlich nicht mehr per Strasse erreichbar.

Die Komplexität steigt bei der zunehmenden Globalisierung und den damit verbundenen Herausforderungen, wie der Koordination von Lieferungen über mehrere Kontinente hinweg.

Ambiguität manifestiert sich in der Interpretation von Daten, wo unterschiedliche Informationsquellen widersprüchliche Signale senden können. Dies zum Beispiel, wenn die vom Lieferanten gelieferten Artikelstammdaten nicht mit denen des Lagerverwaltungssystems übereinstimmen. Hier geht es soweit, dass die Ware dann im Wareneingang steht, bis die korrekten Informationen eingeholt werden konnten. Bei frischer Ware mit einem kurzen Haltbarkeitsdatum darf man aber keine Zeit verlieren.

Lagerbestandsplanung aufgrund von Wetterprognosen

In einer VUCA-Welt müssen Logistikunternehmen in der Lage sein, schnell auf Veränderungen zu reagieren, sei es durch flexible Lieferketten oder durch die Implementierung neuer Technologien. Die Einführung von agileren Prozessen sowie die Nutzung von Big Data sind essenziell, um Unsicherheiten zu minimieren und die Komplexität zu bewältigen.

Um genügend Ware vom Artikel X an Lager zu haben, schaut man nicht nur auf das letzte Jahr zurück, sondern berücksichtigt etliche weitere Punkte, wie zum Beispiel auch das Wetter.

Unzählige Möglichkeiten auf Knopfdruck

Der Vergleich zwischen dem Festnetztelefon früher und dem Smartphone heute zeigt, dass die Welt nicht unbedingt besser war, sondern einfach anders. Als man früher zum Telefonhörer griff, wollte man telefonieren – heute hat man etliche Möglichkeiten mehr auf Knopfdruck bereit.

In der Logistik bedeutet dies, dass wir zwar aus den stabilen, weniger komplexen Prozessen der Vergangenheit lernen können, aber gleichzeitig die Notwendigkeit erkennen müssen, uns den Herausforderungen der heutigen VUCA-Welt zu stellen.

Mehr Möglichkeiten - mehr Komplexität. In der Logistik-Welt ist die Digitalisierung meistens ein Segen, aber nicht immer. (Bild generiert mit ChatGPT)
Mehr Möglichkeiten – mehr Komplexität. In der Logistik-Welt ist die Digitalisierung meistens ein Segen, aber nicht immer. (Bild generiert mit ChatGPT)

Patrick Spiegel

Patrick Spiegel ist Projekt- und Prozessleiter Logistik bei Denner AG und absolviert zum Zeitpunkt der Publikation den Exekutive Master of Business Administration (EMBA) an der Hochschule Luzern.

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