Im Stapferhaus in Lenzburg begann am Donnerstag die Tagung Häuser der Gegenwart und ihr partizipatorischer Ansatz. Die Veranstaltung ist eine Weiterführung der Konferenz im historischen Museum Frankfurt, über die wir im Herbst berichtet haben.
Den Anfang machte ein gemeinsamer Besuch der aktuellen Ausstellung des Stapferhauses, home – Willkommen im digitalen Leben. Zu dieser spannenden Ausstellung werde ich zu einem späteren Zeitpunkt mit einem eigenen Artikel zurück kommen. Im ersten Teil der Vorträge wurden sehr unterschiedliche Positionen zum Partizipationsbegriff im Museumskontext vorgestellt. Zuerst ein Vortrag der Ausstellungsmacher Peter Handschin und Detlef Vögeli vom Stapferhaus, die aus ihrer mehrjährigen Praxis mit partizipativen Projekten ein Modell entwickelt haben. Dieses basiert auf dem Konzept der sozialen Szenographie von Beat Hächler, der bis vor einiger Zeit am Stapferhaus tätig war. Das vorgestellte Modell beinhaltet folgende Punkte:
- Publikumsorientierung: in jeder Phase des Konzepts hat man das Publikum „im Blick und im Kopf“. Das Publikum wird aktiv in die Recherchen und die Konzeption mit einbezogen.
- Personalisierung: dem Besucher werden Angebote gemacht, über die er persönliche/individualisierte Zugänge zur Ausstellung findet.
- Selbstbefragung: der Besucher nimmt zu eigenen Erfahrungen/Standpunkten bezüglich des Ausstellungsthemas Stellung
- Dialogische Interaktion: Ein Dialog zwischen Besuchern und den Objekten findet statt
- Exponierung: Jeder Besucher wird zum Akteur und somit zum Teil der Ausstellung. In der jetztigen Ausstellung „home“ des Stapferhauses, wird dies zum Beispiel so inszeniert, dass jeder Besucher am Eingang seine Schuhe für ein paar Haussocken eintauscht.
- Visitor generated content: Die Zuschauer tragen mit eigenen Inhalten zur Ausstellung bei.
Inszenierung und Gestaltung spielen hierbei eine grosse Rolle. Die Macher der Ausstellung erklärten demgemäss auch, dass es darum gehe „auf nicht partizipativem Weg einen Rahmen zu schaften, der die Partizipation ermöglicht“.
Anja Piontek wollte mit ihren Ausführungen kein fixes Modell aufstellen, sondern eher verschiedene Facetten der Partizipation aufzeigen:
- Beteiliung: wer beteiligt sich wie, in welcher Form
- Wer sind die Akteure?
- Themen: Migration und andere Gegenwartsthemen scheinen sich besonders für partizipative Konzepte anzubieten. Auch einige moderne Künstler arbeiten mit partizipativen Ansätzen
- Raum: Wo ist die Partizipation verortet. Oft handelt es sich um ein lokales Umfeld, aber auch nationale und internationale Projekte
- Zeit/Prozess: Handelt es sich zum Beispiel um ein Dauerprojekt oder eine Sonderausstellung
- Kommunikation/Interaktion: Die Besucher können mit dem Museum kommunizieren, aber auch untereinander oder mit Experten.
- Zielsetzungen: Ist die Partizipation z.B. ein konstitutierender Faktor der Ausstellung oder nur eine Ergänzung oder wird sie vielleicht als museumspädagogische Methode eingesetzt.
Im weiteren ging Piontek auf das Verständnis von Partizipation ein. Sie zeigte auf, dass es mit der Idealvorstellung der gleichberechtigten Partizipienten nicht weit her ist. Es werden immer „traditionelle hierarchische Strukturen“ reproduziert. Es gibt Gäste und Gastgeber. „Die Ungleichheit zwischem dem Museum und dem Partizipienten“ sei ein Strukturmerkmal der Partizipation.
Allerdings hat, so Piontek, die stärkere Fokussierung auf Partizipation auch gravierende Auswirkungen auf die Museumsarbeit:
- Die Teilnehmenden und das Erlebenis an sich werden gegenüber dem Objekt aufgewertet.
- Kuratoren werden zunehmend mit Menschen und nicht mit Objekten Ausstellungen machen, was die Abgabe von Macht und die Bereitschaft zu ernsthafter Kooperation voraussetzt.
- Die professionelle Vermittlung wird aufgewertet.
- Die Ausstellungsnarration wird weniger linear und einstimmig sondern eher ausschnitthaft und vielstimmig erfolgen.
Trotzdem sieht Piontek Partizipation nicht als Konkurrenz sondern als Bereicherung des traditionellen Museumsbetriebs.
Zum Abschluss die Kunstvermttlerin und Kuratorin Nora Sternfeld, die ein sehr politisches Versändnis von Partizipation in die Diskussion einbrachte. Sie spricht von einem starken Partizipationsbegriff der davon ausgeht, dass das Publikum nicht einfach nur nach gewissen Regeln partizipiert, sondern die Spielregeln und die Inhalte mitbestimmt. In Bezug auf das Exponat heisst das, dass es nicht mehr darum geht, was die Objekte repräsentieren, sondern welches Handlungspotential sie beinhalten. Somit wird das Museum zum Möglichkeitsraum in dem „unerwartete Begegnungen stattfinden, zwischen Besuchern, Objekten und Ausstellungsmachern“. Idealerweise ensteht dadurch auch eine Veränderung und bestehende Machtverhältnisse werden thematisiert. Piontek spricht hierbei von transformativen Strategien. „Die Besucher sind nicht Zielgruppe sondern Besitzer der Museen!“
Solch ein Partizipationsbegriff birgt natürlich Gefahren, vor allem für Museen mit einem klassischen Rollenverständnis. So setzen gemäss Piontek einige Mussen zwar partizipative Methoden ein, nutzen sie jedoch als eine Art Deckmantel, der eine Veränderung der Machtverhältnisse verhindert. Damit wiedersetzt Sternfeld sich natürlich auch einer Vorstellung der Partizipation als Inszenierung, wie sie vom Stapferhaus propagiert wird.
So spannend dieser radikale Ansatz klingt, es wurde nicht wirklich klar, inwieweit Sternfeld diese Vorstellungen von Partizipation in den eigenen Arbeiten umsetzt und inwieweit diese überhaupt umsetzbar sind.
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