Das Sitterwerk: Ein partizipativer Ansatz für Archive und Bibliotheken

Die Abgelegenheit und die äussere Unscheinbarkeit täuschen. Das Kulturzentrum Sitterwerk in Bruggen, St. Gallen, in der Ostschweiz ist ein aussergewöhnlicher Ort. Zum einen ist dort eine Kunstgiesserei, die für international renommierte Bildhauer wie Paul McCarthy und Urs Fischer produziert. Zum anderen beherbergt das Sitterwerk eine Bibliothek, die nicht nur inhaltlich hochinteressant ist sondern zudem auf ganz aussergewöhnliche Art und Weise organisiert ist.

Der Kunstbuchsammler Daniel Rohner vermachte noch zu Lebzeiten im Jahr 2007 dem Sitterwerk seine rund 25000 Werke umfassende private Bibliothek. Beim Einrichten solch einer Bibliothek ist das Ordnungssystem entscheidend. Nun werden die Taxonomien, welche der Ordnung von Bibliotheken zu Grunde liegen, zumeisst von Bibliothekaren vorgegeben. Diese Ordnungssysteme sind starr. Das liegt in der Natur der Dinge, meint man, denn ein physikalisches Objekt kann immer nur einmal an einem Ort vorhanden sein. Das Sitterwerk wollte sich mit diesem Ansatz nicht begnügen und beschloss sowohl die Nutzer in die Ordnungsstruktur einzubinden, als auch ein flexibles Ordnungssystem zu schaffen: „Benutzer stellen Bücher und Materialen thematisch oder assoziativ zusammen“ (Sitterwerk.ch). Folglich hat kein Buch in der Bibliothek des Sitterwerks einen festen Platz. Man kann jedes Buch je nach Belieben an einen anderen Ort stellen und so Verbindungen zwischen einzelnen Werken schaffen, die nicht unbedingt in einer offensichtlichen Beziehung stehen.

Bibliothek Sitterwerk
Die Bibliothek des Sitterwerks in Bruggen bei St. Gallen/Bild: Sitterwerk.ch

Wie soll man nun in einem solchen Un-Ordnungssystem noch etwas finden? Im Sitterwerk weiss die Bibliothek immer, wo die einzelnen Werke stehen. Jedes Buch ist mit einem sogenannten RFID Tag ausgestattet, so etwas wie einem kleinen Radiosender, welcher jedem Buch eine eindeutige Kennung verleiht, die von einem RFID Empfänger (Responder) gelesen werden kann. Dies ist übrigens auch in anderen Bibliotheken der Fall. Dort wird der RFID Tag jedoch zumeisst nur als Diebstahlversicherung genutzt. Wenn der Besucher die Ausleihe zu registrieren „vergisst“ und am Ausgang an einem RFID Empfänger vorbeiläuft, dann gibt es einen Alarm. Im Falle des Sitterwerks jedoch fährt ein Scanner einmal täglich am ganzen Regal vorbei und registriert die aktuelle Position jedes Buches im Regal. Natürlich reicht es nicht, wenn die Bibliothek weiss, wo die Bücher sind. Es gibt ein entsprechendes Webinterface, welches die Position der Bücher für den Besucher spiegelt. Nach erfolgreicher Suche in der Datenbank wird mir die genau Position des Buches nach Laufmetern und Tablarnummer angezeigt (siehe Bild).

RFID Lesegeräte
RFID Lesegeräte auf der Unterseite eines Tisches in der Bibliothek des Sitterwerk

Die Kombination der Bücher im Regal ist natürlich flüchtig. Es lassen sich im Sitterwerk aber auf verblüffende Weise auch virtuelle Gruppen von Büchern anlegen, die jederzeit abrufbar sind. Es gibt einen Tisch, welcher wiederum mit RFID-Empfängern ausgestattet sind, die ihrerseits mit der Datenbank verbunden sind. Diese Empfänger sind an der Unterseite des Tisches angebracht. Wenn man nun ein Buch auf den Tisch legt, so erkennt der Tisch das Werk. So können Besucher nun jede Menge Bücher auf dem Tisch real zusammenlegen und stapeln und damit eine virtuelle Gruppierung schaffen, die sich speichern und somit auch nach dem Verräumen der Bücher wiederherstellen lässt. Dies ist im übrigen ein schönes Beispiel für das Konzept des Internet of Things, welches reale Objekte mit digitalen Datenbanken verbindet.


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