11 Trends und Brennpunkte mobiler Anwendungen im Museum

Wir haben in der Berichterstattung über die Museums and the Web 2011 Konferenz in Philadelphia schon ausführlich über mobile Kommunikation im Kontext Museum geschrieben. Mobile war auch sicherlich eines der grössten, wenn nicht gar das grösste Thema dieses Jahr. Deswegen wollen wir hier nochmals versuchen, die wichtigsten Punkte in diesem Kontext zusammen zu fassen. Für detaillierte Informationen seien die Papers der Mobile Parade Session der MW2011 empfohlen.

Dies sind unser Meinung nach derzeit die Brennpunkte in Bezug auf mobile Kommunikation im Museum:

1. Feedback Loops – vom User Centred Design bis zum Co-Design

Viele der Projekte, die an der Museums and the Web vorgestellt wurden, hatten an irgendeinem Punkt des Projekts einen Feedback-Loop eingebaut, der dem Besucher die Möglichkeit bot, eigene Erahrungen einzubringen. Idealerweise sollte dies möglichst früh im Entwicklunsprozess passieren, um die Bedürfnisse der Besucher mit einzubeziehen. Man spricht hier von User-centred Design. Es wurde sogar ein Projekt vorgestellt, ARTeMuse für das Davis Museum in Wellesley, Massachusetts, in dem so ein App in einem Co-Design Prozess mit den Besuchern zusammen entwickelt wurde.

2. Text vs. Bild vs. Audio

Welche Form sollen die Inhalte letztendlich haben? Es stellt sich die Frage, inwiefern zusätzliche Bildinformation während des Museumsbesuches hilfreich ist. Von Chris Thorpe wurde diesbezüglich die Ansicht geäussert, dass die Technologie sich weitgehend im Hintergrund halten sollte, denn eigentlich sind ja die Objekte das Wichtigste. Der kleine Screen eines Mobiltelefons kann auch nur schwer mit der Anziehungskraft der grossen Bilder und Objekte in einem Museum konkurrieren (siehe Hierzu auch Punkt 4). In der Ausstellung bietet sich für Zusatzinformationen deswegen eher Audio an. Allerdings ist das auch nicht ganz unproblematisch, da viele Besucher keinen Kopfhörer dabei haben.

3. Pad oder Smartphone, eine Frage des Formats

Neben den Smartphones setzten sich Pads immer mehr als tragbare Endgeräte durch. Durch das grössere Format und die bessere Bedienbarkeit eröffnen sich natürlich ganz andere Möglichkeiten, wobei hier die Versuchung, mit Bildmaterial zu arbeiten, entsprechend grösser ist. Da sich kaum jemand des Pad ans Ohr halten wird, ist beim Pad der Einsatz von Audio im Museum allerdings noch um einiges problematischer als beim Smartphone.

4. Nach der Ausstellung ist vor der Ausstellung

Die Mobile Anwendung kann auch zur Vor- und Nachbereitung des Museumsbesuches benutzt werden (siehe hierzu auch den Beitrag des Museum of Natural History), bzw., das Ganze wird durch eine entsprechende Webandwendung unterstützt, welche mit dem App zusammenspielt. Vorbereitung heisst, ich schaue mir das Angebot des Museums and und stelle mir ggfs. eine entsprechende Tour zusammen. Nachbereitung bedeutet, dass ich meinen Besuch nochmals Revue passieren lassen kann. Chris Thorpe sprach diesbezüglich davon, dass Besucher ihre Kamera wie eine Art Flugschreiber benutzen. Zur Nachbereitung gehört aber auch, dass ich mir vornotiere, was ich beim nächsten mal sehen möchte oder dass ich mir Zusatzinformationen abrufe, über die Künstler und Objekte, die mich besonders interessieren. Hier bietet sich auch die Möglichkeit, Objekte aus dem Archiv oder dem Lager hervozuholen, die sonst selten oder nie das Tageslicht sehen.

5. Standardtouren vs. thematische Touren vs. Personalisierung

Wie bereitet man die Inhalte auf? Das Simpleste ist sicher eine Standardführung. Alternativ und je nach Grösse der Ausstellung bieten sich aber auch eine Highlight-Tour oder thematische Touren an, die ganz bestimmte Besuchergruppen mit spezifischen Interessen ansprechen (siehe hierzu den Multimedia-Guide des Britischen Museums oder das App des Amsterdam Museum). Eine weitere Steigerung bestünde darin, dem Besucher die Möglichkeit zu bieten, sich vor dem Museumsbesuch seine eigene persönliche Tour zusammen zu stellen.

6. User Generated Content

Der logische nächste Schritt ist die Einbeziehung von Besucher-generierten Inhalten. Das Amsterdam Museum bietet mit seinem App nicht nur die Möglichkeit, personalisierte Touren zusammenzustellen. Es erlaubt dem Besucher auch, die Inhalte durch eigenen Bilder und Kommentare zu erweitern und zu sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter zu verlinken.

7. Augmented Reality

Anstatt Vorhandenes mit weiterführenden Informationen sichtbar zu machen, kann man mit Hilfe mobiler Endgeräte aber auch Unsichtbares sichtbar machen. Das Augmented Reality App des London Museum wurde an dieser Stelle schon erwähnt. Es erlaubt dem Nutzer beim Stadtspaziergang die aktuelle Architektur mit historischen Fotos abzugleichen. In einem anderen Projekt wurde mittels des AR-Browsers Layar die Berliner Mauer virtuell wiedererrichtet. Spannender erscheinen uns jedoch einige Anwendungen in denen Künstler mit den Möglichkeiten unterstützer Realität umgehen, wie z.B. das Museum hacking Projekt infiltrAr des MoMA oder das ARtours Programm des Stedelijk.

8. Spielend lernen und erfahren

Ein Trend in der Vermittlung, welcher sich auch in mobilen Applikationen für das Museum spiegelt, ist der spielerische Umgang mit Informationen. Auch hier sei wieder das App des Amsterdam Museums erwähnt. Ein weiteres Beispiel ist das Mobile Tagging Game des Brooklyn Museem oder das PLUG Projekt im Musée des Arts et Métiers in dem die Besucher mit einer Art Quiz das Museen entdecken und gleichzeitig mit Mitspielern interagieren. In den Papers der Games Session finden sich jede Menge weiterer Anregungen, Strategien und Analysen.

9. Verortung/Positionerung – wie bestimme ich meine aktuelle Position?

Wenn ich als Besucher im Museum irgendein Objekt oder meinetwegen auch den Ausgang, die Toilette oder das Cafe suche und dazu den Mobileguide zur Hilfe nehme, dann muss ich auf irgendeine Art wissen, wo ich mich im Moment befinde. Das ist technisch mit Sicherheit eine der grössten Herausforderungen, vor allem in grösseren Museen. Grundsätzlich gibt es dazu drei Lösungsansätze, die ich hier mit automatisch, halbautomatisch und besuchergesteuert bezeichne. Zur weiteren Vertiefung zum Thema Wayfinding sie wieder auf das Paper des Britischen Museums verwiesen.

Für die automatische Positionierung oder location awareness bieten sich folgende Möglichkeiten an (siehe hierzu auch das Paper Mobile phones and visitor tracking):

  • GPS: sehr ungenau und wohl eher für grosse Freilichtmuseen oder Stadtführungen geeignet
  • RFiD. (Radio Frequenzy identification tags). Das sind kleine Sender, die auch programmiert werden können und z.B. in Modeläden zum Sichern der Kleidung benutzt werden. Nachteil: bei jedem Objekt muss ein Empfänger angebracht werden
  • TMIS: (Temporary mobile subscriber identity) Das ist eine persönliche ID, die man einem Telefon zuweisen kann. Über Tracker-Boxen und Antennen wird dann die Position bestimmt. Auch hier ist einiges an Aufwand gefragt
  • Blue Tooth ID. Blue Tooth braucht jede Menge Strom und viele Leute haben es nicht aktiviert
  • WiFi Triangulation: bestimmt die Positionierung eines Telefons im Verhältnis zu verschiedenen Wifi Sendern und hat den Vorteil, dass die Positionierung völlig automatisch erfolgt, ohne dass der Besucher zusätzlich irgendetwas einrichten oder mit sich tragen muss. Allerdings ist der Aufwand in diesem Fall enorm, wie der Fall des Museums of Natural History in New York zeigt

Halbautomatische Positionierung – braucht die aktive Mithilfe des Besuchers:

  • QR Code: zweidimensionale Codes, die beim Objekt oder an Ein- und Ausgang der Räume angebracht werden und mit der Kamera des Smartphones gelesen werden können. Achtung: nicht jeder Smartphone-Besitzer hat das entsprechende App.
  • Bilderkennung: Mit Bilderkennungssoftware werden Bilder und Objekte erkannt. Auch hier kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeder das App hat. Zusätzlich müssen Abbildungen aller Objekte für die Datenbank der Bilderkennungssoftware bereitgestellt werden.
  • Nummern: Gibt man jedem Objekt oder jedem Raum eine eindeutige Nummer, kann der Besucher diese eingeben und dadurch seine Position ausfindig machen.

Benutzergesteuerte Positionierung:

  • Zweidimensionale Aufsichtspläne oder dreidimensionale Ansichten des Museums mit deren Hilfe der Besucher seine Position bestimmen kann. (Stellt im Zweifelsfall eine eher unzufriedenstellende Lösung dar.)

10. Datenerhebung mit dem Mobile Phone

Generell bietet sich der Umgang mit Mobiltelefonen auch zur Datenerhebung an. Mia Ridge verweisst in ihrem Paper z.B. auf mobiles Crowdsourcing in Form eines Tagging-Spiels in dem Besucher Objekte verschlagworten. Über das Mobiltelefon lassen sich aber auch sehr schön die Besucherbewegungen durch das Museum dokumentieren. Dadurch wiederum kann man Schlüsse über die Attraktivität oder auch die richtige Positionierung von Objekten und über Laufwege ziehen, wie Bickersteth und Ainsley in ihrem Paper über visitor tracking zeigen.

11. Storytelling

Wie bereits in einem früheren Post zur MW2011 berichtet, spielt natürlich auch das Erzählerische in vielen Applikationen für mobile Museumskommunikation eine grosse Rolle. Einige der vorher genannten Punkte spielen hier mit rein, wie zum Beispiel das Thema user-generated content, gaming oder augmented reality.


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