Treffpunkt war das Natur Museum in Luzern. Thema an diesem Tag war eine Einführung in die Möglichkeiten partizipativer Medien. Zum Aufwärmen gab es eine grundsätzliche und lebhafte Diskussion über digitale Medien im Museumskontext: Was hat sich verändert? Welche Chancen bieten sich und was sind die damit zusammenhängenden Problematiken?
Auf der positiven Seite wurden Effizienzgewinne genannt, mehr Transparenz, die Möglichkeit, neue Zielgruppen zu erreichen und neue Kommunikationskanäle zu erschliessen – keine grossen Überraschungen, also.
Es wurden jedoch durchaus auch kritische Fragen aufgeworfen: So muss man dank Email zwar weniger telefonieren hiess es, auf der anderen Seite, seien Ansprechpartner oft telefonisch viel schlechter zu erreichen. Überhaupt führe die zunehmende digitale Kommunikation zu einer Abnahme der Teamkultur im Unternehmen. Man werde mehr zum Einzelkämpfer, meinte ein Teilnehmer. Gerade im Museumskontext stellt sich dann natürlich auch die Frage, ob die Virtualisierung nicht dazu führt, das Orte und Objekte immer unwichtiger werden. Dem wurde der Erfolg von Ausstellungen wie die von van Gogh im Kunstmuseum Basel entgegengehalten. Obwohl van Goghs Werke so häufig reproduziert wurden, zieht er mehr denn je die Massen an.
Brisanter erscheint da die Möglichkeit des Kontrollverlusts. Wenn jeder mitreden kann, wo bleibt da die Autorität des Kurators? Die damit verbundene Popularisierung des Wissens bietet zwar auch Chancen aber gleichzeitig stellt sie eine offensichtliche Bedrohung der Fachleute dar. Letztendlich jedoch steht und fällt alles mit der Finanzierung. Zwar erkennen viele Institutionen die Notwendigkeit sich mit den neuen Kommunikationsmöglichkeiten auseinander zu setzen, entsprechende Ressourcen werden jedoch in der Regel nicht bereitgestellt. Da stellt sich natürlich ganz klar die Frage nach den entsprechenden Geschäftsmodellen.
Die Archäologin Lorna Richardson, die wir für ein Gastreferat eingeladen hatten, war in der Lage einige der Fragen zu beantworten, allerdings nicht, ohne neue Fragen aufzuwerfen. Ihre ersten Erfahrungen mit partizipativen Medien im Kontext der Archäologie machte sie bis 2008 im Prescot Street Project, einem grossen Ausgrabungsprojekt im ansonsten dicht besiedelten und multikulturellen London. Die Ausgrabungen sollten der Öffentlichkeit und vor allem den Anwohner nahegebracht werden. Aus diesem Grunde wurden sämtliche am Projekt beteiligten Archäologen dazu verpflichtet in einem Blog über das Projekt zu berichten und Bilder online zu stillen. Deren Begeisterung war zuerst nicht sehr gross, aber wie die Webseite des Projekts bestätigt entwickelte sich mit der Zeit eine erstaunliche Dynamik.
Richardson nahm ihre Erfahrungen mit zum Thames Discovery Programme. Die Thames foreshores (Uferland) sind die grösste offene Ausgrabungsstätte Londons. Unglücklicherweise gehen durch die Gezeiten, den Schiffsverkehr und den ansteigenden Meeresspiegel immer mehr der unschätzbaren kulturellen Werte, die im Ufersand verborgen sind, verloren. Das Thames Discovery Programme stand vor der Herausforderung, dieses kulturelle Erbe zu erfassen und der Öffentlichkeit nachhaltig zugänglich zu machen und dies mit lediglich drei hauptamtlichen Archäologen und kleinem Budget. Man entschloss sich sämtliche Energien und Resourcen in den Aufbau einer Community zu stecken, die das Projekt tragen sollte. Über 200 Freiwillige wurden in zweitägigen Workshops dazu ausgebildet, Fundstücke und Fundstellen zu dokumentieren. Diese Freiwiligen, organisiert in sogenannten FROGs (Foreshore Recording & Observation Groups), laden die gesammelten Informationen auf ein eigenes Blog. Zudem werden Flickr und Vimeo für Bild- bzw Filmmaterial genutzt.
In einem nächsten Schritt entwickelte man die Riverpedia, ein Wiki, welches sich in eine umfassende Sammlung des archeologischen Wissens um die Themse entwickeln soll. Die Begeisterung der Freiwilligen ist gross und die Qualtiät der von Richardson überprüften Einträge mittlerweile erstaunlich gut. Auch wenn das Geld jetzt ausläuft, ist Richardson überzeugt, dass der harte Kern der Community das Projekt weiter tragen wird.
Wir staunten nicht schlecht. Schliesslich hat jeder von uns einige Jahre Studium und Berufserfahrung hinter sich und dann zu sehen, dass ein Forschungsprojekt von einer Schar von Laien durchgeführt wird, die im Schnellverfahren ausgebildet wurden – das gibt doch zu denken. Was wäre jedoch die Alternative in diesem Falle? Unschätzbare kulturelle Werte wären auf immer verloren. Und ausserdem, die Qualität der freiwilligen Arbeit spricht für sich. Erwähnenswert auch, dass nur kostenlose Plattformen benutzt wurden.
Nach so viel Diskussion und Vortrag ging es ans Selbermachen. Recherchen und Grundlagen zum Thema Facebook standen auf dem Programm. Alles in allem ein spannender Tag voller Eindrücke!