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Crypto AG Skandal: Operation Rubikon

Die Schweizer Firma Crypto AG verkaufte im Auftrag ausländischer Nachrichtendienste unsichere Chiffrierungsmaschinen an 130 Staaten. Die Enthüllungen werfen viele Kritikpunkte auf – Und nicht zuletzt die Frage der Integrität der Schweizer Neutralität.

Die Firma Crypto AG, welche 1952 in Steinhausen CH gegründet wurde, ist unter anderem ein Hersteller von Chiffrierungsmaschinen, welche mithilfe der Technik der Kryptographie eine verschlüsselte Kommunikation ermöglichen. Chiffrierungsmaschinen verfolgen das Ziel, dass es unbefugten Dritten nicht möglich sein sollte die verschlüsselten Nachrichten zu entziffern.

Chiffrierungsmaschinen sollten fehlerfrei (also «sicher») sein, damit die geheime Kommunikation auch wirklich geheim bleibt. Die Crypto AG war keineswegs die einzige Firma, welche Chiffrierungsmaschinen herstellte. Die Firma war allerdings aufgrund des Rufs der Schweizer Neutralität in einer besonderen profitablen Position. Viele Staaten und Regierungen vertrauten aufgrund der langjährigen Schweizer Neutralität der Crypto AG.

Die spezielle Position, in der sich die Crypto AG befand, entgingen dem amerikanischen Geheimdienst Central Intelligence Agency (CIA) und dem westdeutschen Bundesnachrichtendienst (BND) nicht. Die Geheimdienste wollten die mithilfe Chiffrierungsmaschinen verschlüsselten Nachrichten mitlesen, bzw. entziffern. Die Operation, um dies zu bewerkstelligen erhielt im deutschen Sprachraum den Namen «Operation Rubikon».

Die beiden Geheimdienste wurden durch einen verschleierten Kauf im Jahr 1970 Eigentümer der Firma. Kenntnis über die Operation hatten neben den Geheimdiensten der USA, Westdeutschland, Grossbritannien, Schweden und wenigen hochrangigen Politiker der Schweiz niemand. Berichten zufolge wussten selbst die Mehrheit der Crypto AG Mitarbeiter nicht über Rubikon Bescheid.

Ab 1970 wurden die Chiffrierungsmaschinen der Crypto AG mit speziellen Fehlern versehen, was das Entziffern von Nachrichten ermöglichte. Fehlerfreie (sichere) Chiffrierungsmaschinen erhielten lediglich die Staaten, welche an der Operation beteiligt waren.

Zwischen dem BND und der CIA kam es vermehrt zum Streit, da die CIA ausnahmslos alle staatlichen Kommunikationen überwachte, obwohl darunter viele Staaten als «verbündet» angesehen wurden. Beispiele dafür sind die Länder Irland, Spanien, Österreich und Italien, welche mit unsicheren Maschinen der Crypto AG kommunizierten. Dies ging dem BND zu weit und somit stieg der Geheimdienst 1993 aus der Operation. Die Geheimdienste der USA setzten die Operation noch bis 2018 fort.

Die Operation Rubikon kam schliesslich in Zusammenarbeit von SRF, ZDF und der Washington Post im Februar 2020 ans Licht. Insgesamt lieferte die Firma Crypto AG unsichere Chiffrierungsmaschinen an ungefähr 130 Staaten.

World Map der spionierten Länder
World Map der spionierten Länder (Grün: Spionierende Länder, Blau: Mitwissende Länder, Rot: Abgehörte Lander und Organisationen)

 

Handeln oder Nichthandeln?

Die Crypto AG, der Nachrichtendienst des Bundes der Schweiz (NDB), der BND, die CIA und die NSA sind seit der Aufdeckung nun in Kritik geraten. Es kommen vermehrt Fragen zum Handeln oder Nichthandeln dieser Entitäten auf, da sie über diverse geopolitischen Ereignisse Bescheid wussten. Beispiele dazu sind:

  • Der Putsch in Chile
  • Der Falklandkrieg zwischen Argentinien und Grossbritannien zwischen 1982
  • Die US-Invasion in Panama von 1989

Bei den genannten Beispielen hatten die USA und Grossbritannien dank dem Entziffern der Kommunikation der Crypto AG Maschinen einen erheblichen Vorteil. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist das Nichthandeln der beteiligten Staaten, die über die Menschenrechtsverletzungen der argentinischen Militärdiktatur informiert waren. Zwischen 1976 und 1983 wurden ungefähr 30.000 Menschen (meistens Regimekritiker) getötet, indem sie lebendig über dem Atlantik aus Militärflugzeugen ins Meer geworfen wurden.

 

Der Fall Crypto AG in der Schweiz

In der Schweiz wurde inzwischen eine Untersuchung beauftragt. Der Bundesrat sowie die Führung des Nachrichtendienstes streiten ab, dass sie über die Tatsachen der Crypto AG Kenntnis hatten. Die Geschäftsprüfungsdelegation untersucht daher nun, weshalb der Bundesrat bei einer Sache, welche die Schweizer Neutralität in Frage stellt, nicht informiert war oder ob der Bundesrat sich schlichtweg nicht damit auseinandersetzen wollte. Der Bundesrat wurde gebeten dazu bis spätestens am 1. Juni 2021 Stellung zu nehmen.

Innerhalb der Schweiz ist ein Sprechpunkt die Integrität der Neutralität. Es wird behauptet, dass die Handlungen der Regierung in Zusammenarbeit mit der Crypto AG für einen vollkommen neutralen Staat nicht infrage kommen. Die Beteiligung der Schweiz an internationalen Sanktionen wurde oft so verteidigt, dass die Neutralität der Schweiz vor allem in Sachen Kriege und Auseinandersetzungen Fuss findet. Anhand des Falklandkrieges ist aber die Tatsache offenkundig, dass die Crypto AG mehr als nur eine wirtschaftliche Rolle in der globalen Geopolitik spielte.

Im Jahr 2019 waren 96% der Befragten Bürger der Schweiz dafür die Neutralität beizubehalten, daher sollte es schlussendlich auch beim Schweizer Volk liegen ein Machtwort zu sprechen.

 

Weiterführende Links

The Washington Post – For decades, the CIA read the encrypted communications of allies and adversaries

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mathiasrassasse

Mathias Rassasse ist Student bei der Hochschule Luzern – Informatik und bloggt zum Modul Geschäftsprozesse digitalisieren und automatisieren des Studiums Wirtschaftsinformatik.

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