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RPA – Bots automatisieren Probleme nur, lösen sie aber nicht.

RPA bringt mehr Risiken als Kosteneinsparungen mit sich, wenn es unkontrolliert eingesetzt wird. In einigen konkreten Fällen bietet es aber auch grosses Potential.

Robot Process Automation bezeichnet Bots in Software-Form, die menschliche Tätigkeiten am Computer nachahmen können. Das bedeutet, sie können ebenso auf Buttons klicken, Textfelder ausfüllen oder Daten kopieren, einfach deutlich schneller. Was die Bots dabei erledigen, kann wahlweise in Low Code programmiert oder je nach verwendeter Software sogar mittels Recorder aufgezeichnet und später abgespielt werden. RPA ist deshalb sehr mächtig, weil es dank eingebauter Screen Scraping Funktionen auch systemübergreifende Tätigkeiten ausführen kann. Dadurch ist es möglich fast alle Tätigkeiten zu automatisieren, die ein Mensch am Computer ausführt.

Brauche ich für den Einsatz von RPA Experten?

Nicht unbedingt. Die Bedienung von RPA Software wird immer wie intuitiver. Anbieter wie UI Path ermöglichen beispielsweise die Auswahl von Elementen auf Webseiten mittels klick darauf.

Mithilfe von Online-Tutorials und etwas Übung können auch User aus den Fachbereichen von Unternehmen ihre Aufgaben relativ einfach automatisieren, wenn sie ein gewisses technisches Grundverständnis haben.

Das klingt doch gut, wo liegt das Problem?

Die Praxis zeigt, dass User aus den Fachbereichen dazu neigen ihre Aufgaben unverändert durch Bots erledigen zu lassen, um sie zu entlasten. Die Sinnhaftigkeit der dahinterliegenden Prozesse wird oft nicht hinterfragt. Und weil die Bots auf den Geräten der User laufen, erfährt die IT im Extremfall nicht einmal, wo in ihrem Unternehmen überall RPA eingesetzt wird. Die User scheinen einfach mehr und schneller zu klicken, was zu mehr Traffic führt aber sonst unbemerkt bleibt. Nun ist Speicher und Rechenleistung dank modernsten Serveranlagen aktuell kaum mehr ein Problem, ein effizienter Umgang mit Ressourcen sieht jedoch anders aus.

Dann dürfen also nur Informatiker Prozesse automatisieren?

Mitarbeiter aus den Fachbereichen sind nicht per se schlechter als Informatiker. Sie sind aber in der Regel keine Experten in technischen Standards und Normen.

Bei meinem letzten Job habe ich alle repetitiven Aufgaben des Teams automatisiert und die Effizienz dadurch deutlich verbessert – Anonym

Solche Aussagen machen sich bei Bewerbungsgesprächen sehr gut und auch im Unternehmen wird man sich über die Aufwandeinsparungen sicherlich gefreut haben. Zwei Monate nach dem Weggang des Kollegen geschieht es aber plötzlich, eine Fehlermeldung! Ein Bot hat mitten in der Nacht seine Aufgabe abgebrochen und macht seitdem Pause. Der Kollege hat zwar eine Dokumentation hinterlassen und seine Tätigkeiten vorgängig auch übergeben, genau dieser Fall ist aber leider nicht enthalten. Und nun sitzen Sie in der Tinte. Weil die Sache mit den Bots in den letzten Monaten so gut funktioniert hat, haben Sie ihr Auftragsvolumen vergrössert und können es inzwischen manuell nicht mehr bewältigen. Der Fehler muss also behoben werden.

Wie realistisch sind solche Fehler?

RPA ist eine Software, die wie ein Overlay über mehrere Systeme funktioniert. Weil es aber in den wenigsten Fällen definierten Schnittstellen vom Bot zu den verwendeten Systemen gibt, kann immer nur im Nachhinein auf Veränderungen reagiert werden. Sie persönlich haben wohl in den seltensten Fällen Einfluss auf das Design einer Website, von der Sie Daten mithilfe des Bots beziehen. Aber auch intern kann es vorkommen, dass ein System über Nacht gewartet wird, weil die Mitarbeiter schlafen und niemand davon ausgeht, dass Ihr Bot in dieser Zeit läuft. Zudem arbeiten Bots in derselben Umgebung wie menschliche User. Beide können auf dieselben Dateien zugreifen, was zu Komplikationen führen kann. Dazu genügt es, wenn jemand eine Datei aus Versehen verschiebt, sie absichtlich umbenennt oder deren Struktur geringfügig ändert. Ist RPA somit von Anfang an zum Scheitern verurteilt? In der korrekten Anwendung sicherlich nicht, weil die Technologie auch grosses Potential bietet.

RPA ja aber nur zusammen mit einer Prozessanalyse

Quelle: https://dzone.com/storage/temp/8270260-simpleorderprocess.png

Um die Gefahr zu minimieren, dass fehlerhafte Prozesse automatisiert werden, sollten diese Prozesse zuallererst analysiert und folgende Fragen beantwortet werden. Wer ist der Leistungsempfänger? Was sind seine Bedürfnisse? Benötigt es dazu alle heutigen Tätigkeiten?  Gibt es eventuell bereits Schnittstellen bei den betroffenen Systemen, die verwendet werden können? Falls nicht, können solche Schnittstellen gebaut werden? Wie teuer wäre das? Denn in der Regel gibt es elegantere Lösungen, als einen Bot zu zwingen jeden einzelne Klicks des Users nachzuahmen. Sollte nach der Analyse jedoch absehbar sein, dass ein Umbau der Systeme im Prozess aktuell nicht möglich ist, weil er zu teuer ist oder Ressourcen in der IT gerade anderweitig gebraucht werden, so kann der Einsatz eines Bots durchaus sinnvoll sein, weil er relativ schnell produktiv eingesetzt werden kann und die Fachbereiche entlastet. Dabei sollte man aber immer im Hinterkopf behalten, den Prozess später auch tatsächlich in den Systemen zu optimieren, sobald wieder Ressourcen zur Verfügung stehen.

RPA als temporäre Arbeitskraft

Es kann auch Situationen geben, bei denen eine spätere Anpassung der Systeme gar nicht nötig ist, weil absehbar ist, dass die erhöhte Auftragslast nicht ewig anhält. Hier die Systeme anzupassen, wäre verschwendete Liebesmühe. Ein aktuelles Beispiel dafür sind die Corona-Kredite bei Banken. Innerhalb kürzester Zeit müssten deutlich mehr Kreditanträge verarbeiten werden als üblicherweise. Hier eignet sich RPA gut, weil sehr schnell reagiert werden kann und die Bots einfach deaktiviert werden können, wenn die Auftragslast in Zukunft wieder abnimmt.

RPA in KMUs

Quelle: https://kmu.unisg.ch/-/media/grafiken-2000×1125/instituteundcenters/kmu/news-fotos/2019_obt_studie_abb_4.jpg?la=de&hash=A2D2250E9837CCCA18E0E79A363DFAC65FD0A715

Nicht alle Unternehmen können sich eine spezifisch auf ihre Bedürfnisse abgestimmte IT leisten. KMUs arbeiten häufig mit Standardversionen verschiedener Systeme und übertragen Daten händisch von einem ins andere System. Technische Schnittstellen sind weder aktuell noch in Zukunft erschwinglich. Für sie kann auch der längerfristige Einsatz von Bots sinnvoll sein, weil sie damit eine kostengünstige Möglichkeit haben Arbeitsschritte am PC zu automatisieren, ohne eine professionelle IT aufbauen zu müssen. Das Fehlerpotential bleibt dabei aber bestehen, wodurch es sehr wichtig ist, das Knowhow für den Unterhalt und nicht nur der Bedienung der Bots sicherzustellen.

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Christian Stuber

Student MSc Wirtschaftinformatik an der Berner Fachhochschule.

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