Ein Gespräch mit Philip Aminoff, Geschäftsführer von Helvar Merca, Finnland
In manchen Familienunternehmen wird Erfolg daran gemessen, ob der Familienname in der jeweiligen Branche eine Art Ikonen-Status besitzt. Wenn das Unternehmen eine entsprechende Größe erreicht hat, gehört der Name nicht mehr nur der Familie, sondern ist auch zu einem Teil der Firma geworden. Das Ansehen der Familie ist damit untrennbar mit dem des Unternehmens verbunden.
Es gibt allerdings auch Familienkonzerne, die seit über 100 Jahren von derselben Familie sehr erfolgreich geführt werden, bei denen man jedoch vergleichsweise wenig über die Familie weiß. Hierzu zählen die Aminoffs aus Finnland.
Die Geschichte des Aminoff-Familienkonzerns reicht zurück auf das Jahr 1901. Damals gründete Charles Elmgren in der finnischen Stadt Tampere die Firma Mercantile für die Einfuhr von industriell-gefertigten Erzeugnissen. Finnland war zu dieser Zeit für Handelsgesellschaften und Exportunternehmen äußerst attraktiv, da das Land noch zum Russischen Reich gehörte und damit der freie Zugang zum russischen Markt gewährleistet war.
Heute besteht der Konzern aus acht „Cousin-Firmen“, die alle im Besitz der Aminoff-Familie sind. Keine von diesen Firmen führt jedoch den Familiennamen. Zusammen genommen zählen sie zu den zehn umsatzstärksten Privatunternehmen in Finnland. Neben Mercantile gehören hierzu Helvar (1921 in Finnland gegründet, konzentriert sich heute auf den Vertrieb von technischen und architektonischen Beleuchtungsreglern), Electrosonic (1964 in Großbritannien gegründet, bietet audiovisuelle Lösungen für die Unterhaltungsindustrie und den Geschäftskundenmarkt), Fastems (in Finnland in den 80er Jahren gegründet, konzentriert sich auf die Fertigungsautomatisierung in der Maschinenbaubranche), Veho (seit 1939 der Vertriebspartner von Mercedes-Benz in Finnland), MTC Flextek (importiert Maschinenwerkzeug und industrielle Roboter nach Finnland und Litauen), sowie Parator und Luna Holding (Immobiliengesellschaften).
Die Aminoffs haben ein beindruckendes Firmen-Netzwerk aufgebaut, das stetig weiter wächst. Nicht weniger bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Familie es geschafft hat, ihren Firmenverbund über Jahre hinweg in Eintracht und Harmonie zu verwalten. Dank einer Strategie der offenen Kommunikation und des „Zurückstutzens“ gelang es den Aminoffs, nicht nur Erfolge in den Aufsichtsräten zu erzielen, sondern auch den Frieden in der Familie zu erhalten – keine leichte Aufgabe, wenn man an die Größe und Komplexität der Unternehmen denkt. Die „Cousin-Firmen“ der Aminoffs erwirtschaften zusammen einen Umsatz von rund 1,5 Milliarden Euro und beschäftigen 3.400 Mitarbeiter. Sie haben sich ihren ausgeprägten Unternehmergeist bewahrt und werden auch weiterhin Innovation und Veränderung nicht scheuen, ein maßgebender Faktor für Firmen, die im 21. Jahrhundert erfolgreich mithalten wollen.
Philip Aminoff, Präsident von Helvar Merca, setzt die Geschichte des Familienunternehmens in vierter Generation fort und hält heute als einziges Mitglied der Familie einen Aufsichtsratsposten inne. Wir von Tharawat Magazine hatten die Möglichkeit, uns mit Herrn Aminoff zu einem Gespräch zu treffen und zu erfahren, wie es dazu kam, dass er heute da ist, wo er ist und warum er an eine stille und gleichzeitig große Zukunft für seine Familie glaubt.
Könnten Sie uns von Ihren Erfahrungen berichten, die Sie gesammelt haben bevor Sie in der Firma anfingen?
Ich habe Finanzen an einer wirtschaftswissenschaftlichen Hochschule studiert und dann ein Aufbaustudium gemacht. Aber je mehr ich mich mit ökonometrischer Modellierung beschäftigte, desto mehr langweilte ich mich. Ich wollte einen richtigen Job. Ich wollte konkrete Ergebnisse sehen bei dem, was ich mache. Also wurde ich Handelsvertreter und fuhr durchs Land, um Leute davon zu überzeugen, Kunststoff-Rohmaterialen zu kaufen – die langweiligsten Produkte, die man sich vorstellen kann, das habe ich zumindest am Anfang gedacht.
Welche wichtigen, frühen Lehren zogen Sie aus dieser Erfahrung?
Ich habe gelernt, dass man seinen Kunden helfen kann, ihre Ziele zu erreichen, wenn man sie danach fragt was sie zustande bringen wollen. Und wenn das passiert, wollen sie sich immer wieder mit dir treffen. Das war in vielerlei Hinsicht ein sehr entscheidender Moment am Anfang meiner Karriere, als mir dies klar wurde. Einer von meinen frühen Kunden war auf der Suche nach hochwertigem Polystyrol für Trinkgläser für Finnair, unsere nationale Fluggesellschaft. Ich habe sehr eng mit einem Lieferant zusammengearbeitet, um genau das Rohmaterial zu finden, das dafür am besten geeignet war, und als es dann in die Produktion ging, wurde es ein voller Erfolg. Ich erinnere mich daran, wie ich mit dem Kunden nach Paris geflogen bin, um den Lieferant zu treffen, weil er so zufrieden mit dem Ergebnis war. Wir tranken Gin Tonic und prosteten uns mit Gläsern zu, die wir zusammen entworfen hatten. Diese Erfahrung hat mich davon überzeugt, dass ich dort arbeiten möchte, wo ich Neues erschaffen kann. Seitdem war ich hauptsächlich in Bereichen tätig, wo wir Dinge entwickeln konnten, die es so vorher noch nicht gegeben hat.
Wenn man auf Ihre Erfolgsbilanz blickt, wird deutlich, wie diese Erfahrung den Lauf Ihrer Karriere über die Jahre beeinflusst hat.
Ganz genau. Meinen zweiten Job hatte ich bei einer sehr angesehenen Firma, die medizinische Diagnosegeräte entwickelte. Für die Herstellung eines Blutzucker-Messgerätes, das man zuhause verwenden konnte, verknüpften wir Erkenntnisse der Optik mit biochemischen und elektronischen Elementen. Hier arbeitete ich wieder an etwas, woran nicht nur die Eigentümer der Firma profitieren sollten, sondern ganz viele Menschen darüber hinaus. Die Lebensqualität von Diabetikern hat sich durch leicht zugängliche, verlässliche Diagnosemethoden erheblich verbessert, was wiederum zu einer besseren Behandlung mit Medikamenten geführt hat. Egal ob es ich um audiovisuelle Produkte handelte, um Lichtautomatik oder um irgendetwas anderes, ich habe mich seitdem immer darauf konzentriert, den Kunden unsere Leistungen so anzubieten, dass sie jeweils genau das bekommen, was sie sich gewünscht haben.
Warum haben Sie sich dazu entschieden, ins Familienunternehmen einzutreten, nachdem Sie diese wertvollen Erfahrungen bei anderen Firmen gesammelt haben?
Ich hatte bereits zwei Jahre für die medizinische Firma gearbeitet und war mittlerweile zum Abteilungsleiter aufgestiegen, als ich informiert wurde dass dieses englische Unternehmen (Electrosonic), das meine Familie gekauft hatte, sich in ernsten Schwierigkeiten befinde. Als ich nach Finnland flog, um mich mit meiner Familie zu treffen, sagte meine Frau etwa Folgendes zu mir: „Also, wenn Du später vom Mittagessen zurückkommst und mir sagst, dass wir vielleicht nach London umziehen müssen – das ginge für mich in Ordnung, nur dass Du es weißt.“ Dann traf ich mich zu diesem Essen und sie erzählten mir dort, dass die Firma erhebliche Probleme habe und dass sie jemanden bräuchten, der sich darum kümmere. Sie fragten mich: „Also, was denkst Du? Es würde bedeuten, dass Ihr nach Großbritannien umziehen müsstet.“ Da bin ich zurück nach Hause zu meiner Frau gefahren und habe gesagt: „Wir müssen wahrscheinlich nach London umziehen“, und sie sagte, „ich habe Dir ja schon gesagt, dass ich damit einverstanden wäre“. Und los ging’s.
Wie sah die Lage vor Ort aus, als Sie dort anfingen?
Die Firma hatte große Probleme. Helvar hatte sie 1990 mit hohen Erwartungen erworben, aber bereits kurz darauf änderten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und es folgte eine schwere Rezession. Gleichzeitig hatten wir mächtig in innovative Lichtautomatik-Technologien und neue Gebäude investiert, und es stellte sich heraus, dass dieser Schuh einfach zu groß war für diese schrumpfende Firma. Und ich wusste, dass in der Zukunft weitere Probleme drohten. 1990, im Rahmen meines MBA an der INSEAD, arbeiteten ich und ein paar Studienkollegen an einer wissenschaftlichen Abhandlung, in der wir uns mit den Umständen einer Firmenübernahme befassten. Wir untersuchten, worauf bei dieser besonders zu achten sei, um häufige Fehler zu vermeiden. Wir präsentierten allen Beteiligten unsere Arbeit und sagten: „Dies kann funktionieren, richtig, richtig gut sogar, aber es gibt hier ein paar Dinge, die furchtbar schieflaufen können.“ Und jeder sagte: „Okay, das verstehen wir“, und dann haben wir ein paar Sachen geändert, sind aber nicht weiter auf die Fehler eingegangen, die wir als solche identifiziert hatten.
Könnten Sie uns berichten, wie Sie vorgegangen sind und was Sie dazu bewegt hat, die Schritte zu gehen, von denen Sie glaubten, sie seien nötig, um die Firma auf den richtigen Weg zu bringen?
Was ich als erstes versucht habe, und was sich als äußerst, äußerst schwierig gestaltete, war unser ursprüngliches, strategisches Ziel und den Grund, warum wir die Firma gekauft hatten, (diese als einen Marktführer im Bereich der Lichtautomatik zu etablieren) in Einklang zu bringen mit der Situation, die ich bei Electrosonic tatsächlich vorfand. Die Probleme waren vielschichtig und kompliziert. Ein Problem war, dass zu viel in die Beleuchtungsautomatik investiert wurde und zu wenig in den audiovisuellen Geschäftsbereich. Ein weiteres Problem bestand darin, dass sich bei der produzierenden Tochtergesellschaft, die vollständig im Besitz von Electrosonic war, eine absurde Anreizstruktur herausgebildet hatte. Hausinterne Vorschriften zu den Verrechnungspreisen führten dazu, dass es für die Firma rentabler war, für Dritte zu produzieren als für Helvar oder Electrosonic. Man schenkte den Bedürfnissen und Wünschen von fremden Kunden mehr Aufmerksamkeit als denen von Helvar oder Electrosonic. Wir mussten also in erster Linie versuchen, bei Electrosonic die Bereiche auszumachen, bei denen wir ein hohes Geschäftspotential sahen, und dann diese bewahren und fördern. Wir fusionierten den Lichtautomatik-Sektor mit Helvar, die auf Vertragsbasis produzierende Tochtergesellschaft wurde geschlossen und der audiovisuelle Geschäftszweig unabhängig gemacht. Dieser ist seitdem stetig gewachsen und zählt heute zu den globalen Marktführern in der audiovisuellen Spitzentechnologie.
Als die 1990er Jahre zu Ende gingen und das neue Jahrtausend begann, wurden wir Zeuge von vielen Neuerungen, auf die etliche größere Firmen nicht vorbereitet waren. Wie haben Sie es geschafft, in dieser Zeit Ihre Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und sich an die neuen Umstände anzupassen?
Es war mein Glück, dass ich bei Eletrosonic angefangen hatte, da die elektronischen Bausteine, die zur Videosteuerung benötigt wurden, zunehmend komplexer wurden, was bedeutete, dass wir ohne eine gewaltige Investition nicht in der Lage sein würden, eine neue Generation von steuerelektronischen Geräten zu entwickeln. Da wir jedoch selbst nicht über ausreichend Kapital verfügten, mussten wir diesen Bereich auslagern und haben einen sehr guten Partner gefunden. Es stellte sich heraus, dass dies die beste Lösung war und wir lassen auch heute noch anspruchsvollere Elektronik von Dritten produzieren. Ich bin sehr zufrieden mit dieser Entwicklung, weil es uns erlaubte, uns auf die Produkt- und Konzeptentwicklung zu konzentrieren und bei den Produktionsmaschinen zu sparen. Heute stellt Helvar vielleicht fünf Prozent aller ihrer Produkte selbst her. Bei Electrosonic waren wir sogar noch radikaler. Die Firma ist die Leiter weiter nach oben geklettert und spezialisiert sich heute auf Systemdesign und technische Entwicklung und produziert überhaupt nichts mehr selbst.
Momentan sind Sie das einzige Familienmitglied mit Managerfunktion. Könnten Sie uns ein bisschen etwas darüber erzählen, wie Ihre besondere Eigentümerstruktur funktioniert?
Wir haben versucht, Eigentumsverhältnisse zu etablieren, bei denen die meisten Eigentümer mindestens zehn Prozent vom Stammkapital besitzen. Wenn man über ausreichend Anteile am Stammkapital einer Firma verfügt, ist man bereit, Verantwortung zu übernehmen; anders ist es, wenn die Anteile zu sehr gesplittet sind. In unserer Familie wurden die Eigentumsverhältnisse in jeder Generation etwas zurechtgestutzt. Wir, in der vierten Generation, haben erkannt, dass wir diesen Weg aktiv weiterverfolgen müssen. In unserer Generation haben einige Familienmitglieder ihre Firmenanteile untereinander getauscht, andere verkauften ihre Anteile und wieder andere haben alles so belassen, wie es war. Alles in allem haben wir jetzt eine Situation, in der sich verschiedene Familieneigner zu Gruppen zusammengeschlossen haben, die jeweils groß genug sind, um sich wirklich verantwortlich zu fühlen. Das ist der Grund, warum unsere Unternehmensgruppe momentan nur sieben Hauptanteilseigner besitzt. Wir achten vor allem auch auf die Aufsichtsräte; in allen Aufsichtsräten unserer Firmen gibt es immer eine Mehrheit, die sich aus familienfremden Personen zusammensetzt und außerdem einem externen Vorsitzenden.
Waren alle in der Familie mit diesem Prozess einverstanden?
Man darf nicht vergessen, und das ist ganz wichtig, dass all diese Transaktionen auf freiwilliger Basis stattgefunden haben; zu keinem Zeitpunkt haben wir jemanden gezwungen, irgend etwas zu tun. Wir haben die Rücknahme, den Verkauf und den Austausch von Aktien ermöglicht; ich habe Aktien mit meinem Onkel getauscht und wurde auf diese Weise der größte Eigner in einer unserer Firmen, mein Onkel in einer anderen. Das hilft uns auch dabei, uns nur für die Firmen zu engagieren, die jeweils wichtig für uns sind.
2001 haben wir die Strategien hinsichtlich unserer Eigentümerstruktur überprüft und dabei festgestellt, dass wir keine wirkliche Strategie hatten. Bei manchen von unserem Firmen konnten wir keinen Wettbewerbsvorteil feststellen oder es bestanden kaum Wachstumsaussichten, oder es fehlte an beidem. Wir merkten, dass eine andere Firma, die wir besaßen, keinem von uns so recht etwas bedeutete. Wir hatten damals die Möglichkeit gehabt, diese Firma besonders günstig zu erwerben, und das taten wir auch. Aber weder der Geschäftsführer, noch die Mitglieder des Aufsichtsrates, noch irgendjemand in unserer Familie waren sonderlich an einem Erfolg interessiert. Dies wurde uns erst bewusst, als wir offen darüber sprachen, und dann haben wir diese Firma verkauft. Seitdem haben wir versucht, weniger zu machen, aber dies dafür umso besser.
Könnten Sie uns erzählen, wie Sie im Lauf der Jahre dazu angehalten wurden, mehr unternehmerische Verantwortung zu übernehmen und wie Sie es geschafft haben, sich dieses unternehmerische Denken auch in einer Firma mit 3.400 Mitarbeitern zu bewahren?
Unsere Geschäftsbeziehungen basieren auf Vertrauen, und das glaube ich ist das Wichtigste. Wir möchten, dass unsere Kunden das Gefühl haben, dass es sich gelohnt hat, uns gewählt zu haben und dass sie darauf zählen können, dass wir ihnen die Unterstützung zukommen lassen, die sie benötigen, solange sie ein von uns gekauftes Produkt oder System nutzen. Dies führt mich zurück zu dem, was ich am Beginn meiner Karriere als Handelsvertreter gelernt habe. Wir müssen etwas liefern, was Kunden nicht in dieser einfachen und verlässlichen Form von anderen bekommen. Wir müssen sie fragen, was genau es ist, was sie für ihren Erfolg brauchen und daraus wird dann der Motor, der die geschäftlichen Beziehungen antreibt. Und wenn Sie sich immer vergewissern, dass Sie Ihre Kunden kennen, werden Sie mit Ihren Kunden wachsen. Sobald Sie anfangen zu glauben, dass Ihre eigentliche Fähigkeit darin besteht, nur ein bestimmtes Produkt, das über bestimmte, festgelegte Eigenschaften verfügt, herstellen zu können und dass dies das Einzige ist, was Sie gut können, haben Sie ausgespielt. Wir haben immer versucht sicherzugehen, unseren Kunden genau das zu liefern, was Sie wirklich wollten.
Wie werden Sie es schaffen, auch zukünftig erfolgreich zu bleiben?
Ich glaube, es wird weiterhin wichtig sein, unseren Stammbaum so aufzustellen, dass die Familieneigner auch in Zukunft Verantwortung für die Geschäfte übernehmen möchten. Darüber hinaus müssen wir unser Unternehmen als eine Art Ökosystem betrachten, in welchem man nur überleben kann, wenn alle Beteiligten wollen, dass man ein Teil davon ist. Wir müssen die Firma so gestalten, dass alle dabei sein möchten. Wir müssen nach vorne blicken mit dem Konzept der dienenden Führung im Hinterkopf; wir wollen die Besten sein und gleichzeitig immer unsere Anteilseigner zufriedenstellen.
Ursprünglich publiziert in Tharawat Magazine