Knochenarbeit (Interview mit Basil Thüring, Dr. Gerhard Hotz)

Im Rahmen der Vorbereitung für das Forschungsprojekt Audience+ STORY wurde eine Reihe von Interviews mit Ausstellungsmachern und VermittlerInnen zum Thema Storytelling geführt. Die Gespräche fanden  bereits im Sommer 2012 statt. Gleichwohl freuen wir uns, dass wir jetzt so weit sind, dass wir die Interviews veröffentlichen können.

Den Anfang macht das Interview mit Basil Thüring und Gerhard Hotz vom Naturhistorischen Museum Basel. Sie berichten über die Ausstellung ‚Knochenarbeit. Wenn Skelette erzählen“ und darüber, was man 2012 mit Knochen erzählt hatte.

Weitere Interview-Blogposts folgen an dieser Stelle. Sämtliche Interview-Beiträge werden unter dem Stichwort  Storytelling-Interviews 2012 gesammelt.

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Im Naturhistorischen Museums Basel wird im Bereich der Anthropologie die biologische und gesellschaftlich-kulturelle Entwicklung des Menschen erforscht. Eine wichtige Grundlage für die Forschung bildet die eigene Sammlung mit mehreren tausend Skeletten. Welche Aktivitäten, Erkenntnisse und Methoden diese Forschung am Museum in Basel jedoch beinhaltet, bleibt Museumsbesuchern zumeist weitgehend verborgen. 2011/12 widmete man deshalb in Basel eine Ausstellung dem Thema „Knochenarbeit. Wenn Knochen erzählen“. Sie bot spannende Einblicke in die Arbeit der Anthropologen im eigenen Haus sowie in ihre Art, Geschichten zu erzählen.

Denn Knochen bieten offenbar sehr viel Erzählstoff: Neben der Analyse der sichtbaren Spuren, leiten Anthropologen aus Datenreihen von Skelettserien (z.B. aus einem für begrenzte Zeit betriebenen Friedhof) z.T. umfangreiche Rückschlüsse zu den Lebensbedingungen ab, so Gerhard Hotz. Solche ‚Rückschlüsse‘ werden dann rasch zu spannenden Erzählungen über die Vergangheit. Spannend wird es vielleicht auch deshalb so schnell, weil wir als Betrachter rasch Bezüge zu einem anderen ‚Knochen-Kontext‘ herstellen: Der Kontext der Krimis und Kriminalserien. Fernsehserien wie  Bones – Die Knochenjägerin enthalten eine grosse Menge an rätselhaften und rätselhaft verstorbener Figuren, welche für die Produktion von Gruselgeschichten in den Köpfen der Besucher Pate stehen können. Und obwohl dieser Bezug zu Kriminalserien und auch der Bezug zur entsprechenden Wissenschaft der Forensik (ausser dem Forschungsgegenstand, dem Skelett) nichts mit der anthropologischen Forschung gemein hat, war man in Basel nicht unglücklich über diese Verbindung, welche die Besucher machten. Diese beflügelte die Phantasie der Besucher, steigerte deren Neugierde in Bezug auf die Vergangenheit. „Wie hat dieser Mensch gelebt?“, „Wie ist er gestorben?“, „Was hat zu seiner Krankheit geführt?“. Das waren Besucherfragen, die in Führungen immer wieder auftauchten. Und dies wiederum bot Gelegenheit weiter auszuholen und über andere Fälle oder Erkenntnisse zu berichten.

Statt den Bezug zum Krimi-Genre zu vermeiden, wurde dieser in Basel daher mit eigenen Aktivitäten – wie eine Filmvorführung von Bones in der Museumsnacht oder einem Wettbewerb (in welchem die neuste Bones-DVD zu gewinnen war) – unterstützt. Selbstredend, dass gerade Führungen dazu genutzt wurden, beispielsweise auf die unterschiedlichen Ziele der Forensik und der Anthropologie hinzuweisen.

Was lässt sich mit Skeletten erzählen?

Konkret verwendete die Ausstellung „Knochenarbeit. Wenn Skelette erzählen“ ganz unterschiedliche Erzählstrategien: Knochen wurden an ihrem Fundort (als historisches Grab) inszeniert; sie wurden als potentiell inflationäres Sammlungsobjekt in überfüllten Schaukästen präsentiert; sie wurden anhand von Knochenverletzungen analysiert; auf Grund der Knochendaten wurden sowohl wissenschaftlich nachgewiesene als auch fiktive Geschichten erzählt.

Ein gutes Beispiel dafür, dass auch der analytische Zugang spielerisch inszeniert werden kann, waren die Knochenanalysen: Ausgehend von den sichtbaren Fakten wurden die Besucher in kurzen Erklärungstexten angeleitet, weitere Diagnosen zu stellen: Wie ist die Fraktur entstanden? Wie wurde sie behandelt? War sie tödlich oder hatte die Person damit weitergelebt?

Voraussetzung für diese Art von Erzählungen waren für die Ausstellungsmacher gut dokumentierte Objekte und solche, welche eine Sichtbarkeit und Verständlichkeit aufwiesen. Das heisst, die Geschichte, die man erzählen wollte, mussten in der Gestalt des Knochens erkennbar sein. Klingt simpel, ist aber entscheidend, will man die Besucher nicht mit Vermutungen frustrieren. Die analytische Detektivarbeit sollte sich ja lohnen und sie sollte zu neuen Einsichten für den Besucher führen.

Naturhistorisches Museum Basel: ‚Knochenarbeit‘ (Fotos: Andreas Zimmermann)

Ein weiterer erzählerischer Zugang bot der erste Ausstellungraum: Die Besucher wurden dort mit einer Inszenierung von Knochen und Schädeln in Spiegelschränken konfrontiert, welche die Besucher (als Spiegelung) gleich in die Sammlung der Skelette mitintegrierte. Eine Einladung, die eigene Geschichte zu reflektieren.

Ebenfalls ausgehend von Knochen wurden im letzten Raum von Birgit Schmid verfasste, fiktive Geschichten erzählt (Hörstationen). Das Museum verliess damit den rein wisschenschaftlichen Zugang und wagte ein kuratorisches Experiment. Der Erfolg der Ausstellung und die Verlängerung gab den Kuratoren Recht: Die Ausstellung hat im vergangenen Jahr den Prix Expo für Ausstellungen im Bereich Natur und Naturwissenschaften der  scna (Akademie der Naturwissenschaften) gewonnen.

Naturhistorisches Museum Basel: ‚Knochenarbeit‘ (Fotos: Andreas Zimmermann)

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