Workshop 2: Marketing und Zielgruppen

Der zweite Workshop fand im Institut Design der Hochschule statt. Als Einstieg in den Tag diente die Frage nach den Zielgruppen bzw. den vielfältigen Anspruchsgruppen der Museen. Neben Medien und Besuchern waren für alle Teilnehmer sowohl Trägerschaft, Partner und Sponsoren, Standortgemeinde, Fachnetzwerk sowie generell thematische Communities wichtige Ansprechpartner. Für einzelne Museen ist ausserdem der Tourismus ein wichtiger Partner.

Ist so ein Tweet wirklich imagefördernd für die Philharmonie Hamburg?
Ist so ein Tweet wirklich imagefördernd für die Philharmonie Hamburg?

Bei der Frage nach einem möglichen Potential von Web 2.0 für die Kommunikation mit diesen Anspruchsgruppen, zeigten sich bei den Teilnehmern sogleich Bedenken: Wird zusätzliche Kommunikation heute überhaupt noch wahrgenommen? Wie kann ich mich von anderen abheben? Kritisch wurde auch der Aufwand bewertet, welcher eine Kommunikation im Sozialen Web erfordert. So hatte sich gezeigt, dass z.B. die Facebook-Event-Funktion eine 7-Tage-Betreuung erfordern würde. Denn nur so kann sicher gestellt werden, dass Facbook-Anmeldungen mit auf die Teilnehmerliste eines ausgeschriebenen Museumsanlasses kommen. Ein durchaus fragwürdiger Aufwand.

Dagegen wurde argumentiert, dass der Aufwand durchaus gerechtfertig ist, wenn Web 2.0 Aktivitäten zur Steigerung der Reputation und Wahrnehmung in Medien sowie Fachkreisen beiträgt. Als positiver Aspekte wurden ausserdem die grössere Reichweite im Web sowie die Einsparungen im Versand genannt. Insbesondere das Vermittlungsangebot wird heute nicht mehr per Post an Schulen versendet.

Frank Tentler ( von der Partnerfirma 4_Culture) schloss sein Input-Referat zum Thema „Regeln und Prinzipien der Web 2.0 Kommunikation“ gleich an diese Diskussion an. Tentlers Erkenntnisse basieren auf einer Reihe von Projekten im Bereich Web 2.0. (u.a. auf dem Duisburger Philarmoniker-Projekt).

Web 1.0, so Tentlers plakative Beschreibung, ist eine Einbahnstrasse. Dinge werden publiziert, ohne dass eine Rückmeldung möglich ist. Dieser Web-Vergangenheit stellt er den multimedialen, vernetzten Kommunikationraum mit partizipierenden Nutzern von Web 2.0 gegenüber. Das hatten wir doch auch schon, oder? Doch was unterscheidet nun eine traditionelle Webseite von einem Blog oder einem Twitter-Account. Für Tentler spiegelt der RSS-Feed den Mechanismus des Kommunikationssystems am besten wider: Nicht die einzelnen Beiträge sind in diesem System entscheidend, sondern der Fluss der Beiträge vom Produzenten über die CMS-Systeme der Blogs zu den Abonnenten der Blog-Feeds bis hin zur Weiterempfehlungen von Beiträgen und Übertragung der Infos in weitere Netzwerke. Die erwähnten RSS-Feeds sind in der Lage, Neueinträge in Blogs oder Audio/Video-Logs zu sammeln und als News-Abonnement zur Verfügung zu stellen. Über sogenannte Feed-Reader im Mail Programm oder über Feed-Reader wie den von Google werden diese individuell zusammengestellten RSS-Abos in einer Übersicht (Titel und Kurztext) dargestellt. Hier sehe ich also immer gleich, wenn einer meiner Lieblingsblogs einen neuen Eintrag freischaltet. Mit Applikationen wie RSS-Graffiti können ausserdem Kurzfassungen der eigenen Blogbeiträge für die Facebook abonniert und so automatisch eingespeist werden. Nicht vom solchen Strömen profitieren können Leser von traditionelle Webseiten.

Zu den Eigenschaften dieser neuen Kommunikation gehören ausserdem, so Tentler, erstens, dass es im Web 2.0 oder im sozialen Web, wie er es nennt, um Menschen geht – oder anders formuliert: jeder Nutzer will als Mensch behandelt werden. Der Begriff ’soziales Web‘ ist also ganz buchstäblich zu verstehen. Es geht um soziale Beziehungen und die Prinzipien von realen Beziehungen können 1:1 auf das Web 2.0 übertragen werden. Das bedeutet dann wiederum, dass Beziehungen nicht ohne eigene Anstrengungen zu bekommen sind und dass ihr Fortbestand auf einem Geben und Nehmen basiert. Ausserdem werden Missverhalten wie Lügen, Pralen oder böswilliges Täuschen auch im Web abgestraft. Das bedeutet dann auch im virtuellen Leben, dass man Freunde unter Umständen verlässt resp. verliert.

Ist das so einfach? Und warum tut das Mensch, fragt Tentler. Die Währung im sozialen Web ist die Aufmerksamkeit. Wir wollen wahrgenommen werden. Zur Verfügung stehen den Nutzern (und den Museen) zu diesem Zweck neben Blogs, Podcast oder Videoblogs auch Microblogging-Services wie Twitter. Die 140-Zeichen-Maschine ist laut Tentler trotz der Kürze interessant, weil sie via Links eine volle Integration von Ton, Bild, Film, Foto erlaubt. Wertvoll sind in diesem Zusammenhang sog. Link-Shortener: http://bit.ly/, www.tinylink.com/

Relevant sind im Web 2.0 so Tentler neben direkten Netzwerken von Personen auch thematische Gruppen. Diese Netzwerke werden quer zu Nutzergruppen geknüpft. Tentler verwendet in diesem Zusammenhang gerne den Begriff Cloud-Communities). Spannend dabei ist, dass sich über die themenspezifische Suche ganz neue Netzwerke ergeben. Sucht man sich auf diese Weise neue Kontakte im Web 2.0, entstehen vielfältigere Netzwerke als wenn nur über die ganz spezifischen Personen oder Zielgruppen gesucht und geknüpft wird. Die Vielfalt der Netzwerke wiederum garantiert eine grosse Reichweite der Information, die ich in die Netzwerke einspeise. Wieso also nicht einmal nach dem Begriff ‚Philatelisten‘ als Suchbegriff auf Twitter eingeben und sich überraschen lassen ob sich die Briefmarkensammler bereits im Web 2.0 tummeln.

Zu komplex? Tentler propagiert trotz dieses Eindrucks das Selbermachen. Den Agenturen fehlt heute nach wie vor das Verständnis für Web 2.0.. Nur die Unternehmen oder Museen selber sind in der Lage, einen authentischen Dialog mit den Nutzern zu führen. Von Agenturen betreute Twitter-Accounts produzieren nur unglaubwürdige Web-Zombies (siehe Abbildung oben). Diese widersprechen allen hier besprochenen Regeln und Prinzipien.

Frank Tentler, 26. April 2010

Als Möglichkeiten der Bewertung der eigenen (oder fremden)  Web 2.0 Kommunikation über Twitter nennt Tentler den Twitter Grader. Dieser beurteilt auf Grund von Twitter-Einträgen neben der Quantität der Einträge auch deren Qualität.

Im praktischen Workshop am Nachmittag mit Henner-Fehr von 4_Culture standen Social Bookmarking auf dem Programm. Das Sammeln von Links wird dadurch von einem Einzelunternehmen zu einer Suche in einem Verbund von Leuten, welche zum gleichen Thema Material im Internet suchen. Die wichtigsten Angebote im Bereich Social Bookmarking sind: del.ic.ious. für den englischsprachigen Raum, Mister Wong für den deutschsprachigen Raum sowie Diigo. Diigo zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass auch in (geschlossen) Gruppen gearbeitet werden kann.

Bei der Besprechung der Recherchen unserer Museumspartner zum Thema Facebook war zu hören, dass insbesondere Museen, die sich in ihren Facbook-Aktivitäten von ihrem sonstigen Programm unterscheiden als positiv wahrgenommen wurden (Kunsthalle Wien). Ebenfalls positiv bewertet wurden Facbookfanseiten, die ihren Fans das Gefühl Exklusivität (in Form von Information oder Angeboten) bieten.

Überforderungsgefühle in Bezug auf die Informationsflut? Henner-Fehrs Ratschlag hierzu ist, den Anspruch auf Vollständigkeit einfach mal aufgeben. Ich darf also mein Twitter-Account oder meinen Feed-Reader auch einfach einmal ignorieren und zu einem späteren Zeitpunkt wieder einsteigen. Was für eine Erleichterung!


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