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Selbststudium gestalten

    Seit der Bologna Reform ist das begleitete Selbststudium fester Bestandteil der Hochschulcurricular. Begleitetes Selbststudium meint die Zeit, in der Studierende alleine oder in Gruppen selbstorganisiert an vorgegebenen Arbeitsaufträgen arbeiten. Dozierende initiieren die Lernaktivität, unterstützen bei Bedarf und integrieren die Lernergebnisse in das Präsenzstudium. Im freien oder auch individuellen Selbststudium hingegen bereiten sich Studierende auf Prüfungen vor oder vertiefen individuell Themen des Moduls oder Studiums; dies ohne Aufträge, Begleitung oder Ergebnissicherung durch Dozierende. (Landwehr & Müller, 2008, S. 15ff.)

    Mit dem begleiteten Selbststudium verändern sich die Rollen von Studierenden und Dozierenden. Durch die Selbstorganisation von Zeit, Ort, Dauer oder Art der Zusammenarbeit sowie der Selbststeuerung des Arbeits- bzw. Lernprozess durch die Studierenden übernehmen diese eine sehr aktive Rolle, während Dozierende in einer coachenden und begleitenden Rolle ihre weiterhin wichtige Fachkompetenz in die Gestaltung des Lernszenarios und die Betreuung der Studierenden einbringen.

    Ein gut gestaltetes begleitetes Selbststudium ermöglicht es den Studierenden wichtige überfachliche Kompetenzen wie Methoden-, Selbst-, Sozial-, Problemlösekompetenz zu trainieren sowie Lernstrategien zu entwickeln und gemeinsam mit den Studienkolleg:innen oder Dozierenden zu reflektieren (Metakompetenzen).

    Didaktische Überlegungen

    Damit das begleitete Selbststudium als Teil des Lernprozesses seine volle Wirkung entfalten kann, helfen einige didaktische Überlegungen:

    • Planung: Für die Planung des begleiteten Selbststudiums orientieren Sie sich am Constructive Alignment. Welche Learning Outcomes möchten Sie erreichen und welche Aufgabenstellung oder auch Vorgehensweise eignet sich dafür. Mit dieser Überlegung erreichen Sie eine Kohärenz zwischen den Zielen und der Aufgabenstellung. Mit der Aufgabenstellung entscheiden Sie immer auch über die Verzahnung des Selbststudiums mit dem Präsenzstudium (siehe nächster Punkt). Hierbei hilft, sich zu überlegen, wofür das Präsenz- und wofür das Selbststudium ideal geeignet ist und daher genutzt werden sollten. Überlegen Sie sich auch, was ihre Rolle innerhalb der Aufgabenstellung und dem damit verbundenen Lernprozess sein soll.
    • Verzahnung Präsenz-/Selbststudium: Das begleitete Selbststudium wird vor allem dann wirksam und motivierend für Studierende, wenn sie den Sinn verstehen und das begleitete Selbststudium bzw. dessen Ergebnisse mit dem Präsenzstudium verbunden einen Lernprozess ergeben. Dabei kann das begleitete Selbststudium abhängig von den Studienzielen auf die Präsenzveranstaltung vorbereiten, zwischen den Präsenzveranstaltung zur Vertiefung, Wiederholung oder Erweiterung von Wissen dienen oder im Anschluss eine Vertiefung, Wiederholung, Anwendung oder Praxistransfer ermöglichen. Wichtig ist, dass die im begleiteten Selbststudium erarbeiteten «Dinge» im Präsenzstudium aufgegriffen, vertieft und weitergedacht werden, also beide Lerngefässe ineinander übergehen. Lernaufgaben des begleiteten Selbststudiums können von einer Veranstaltung zur nächsten verbinden, aber auch parallel zu mehreren Präsenzveranstaltungen laufen, bis hin zu parallel umgesetzten umfassenden Projektarbeiten.
    • Aufgabengestaltung: Arbeitsaufträge für das begleitete Selbststudium sind je nach angestrebten Kompetenzen unterschiedlich komplex und werden alleine, in einer Lernpartnerschaft oder Gruppe bearbeitet. Sie gehen über das reine Durcharbeiten von Materialen wie z.B. Texten, Video, Podcasts hinaus und beinhalten angelehnt an das konstruktivistische Lernverständnis eine aktive Auseinandersetzung mit den Inhalten. Arbeitsergebnisse oder erarbeitete Produkte fliessen in die Präsenzveranstaltungen ein, werden dort weiterverarbeitet, vertieft oder diskutiert.
    • Sinnstiftende Arbeitsauftrag: Unabhängig von der Art der Verzahnung braucht es einen konkreten, sinnstiftenden Auftrag für eine eigenverantwortliche und motivierende Lernsituation im Selbststudium. Dafür müssen Sie den Arbeitsauftrag kontextuell einzuordnen und die Studierenden vom Sinn überzeugen. Dazu gehört eine inhaltlich klar, unmissverständliche, ansprechen und anregend formulierte Aufgabenstellung, die passend zu den angestrebten Zielen, ausreichend komplex, herausfordernd, aber machbar und abwechslungsreich gestaltet ist. Die Bearbeitung des Lernauftrag macht für die Studierenden das erwartete Ergebnis sichtbar, zeigt ihnen den Lernzuwachs auf oder führt zu einem Lernprodukt. Machen Sie die Anforderungen an die Qualität der Bearbeitung der Lernaufgabe transparent, indem Sie z.B. Beurteilungs- und Bewertungskriterien kommunizieren. Hinweise auf mögliche Bearbeitungsschritte helfen insbesondere weniger erfahrenen Studierenden (siehe Komponenten Lernaufträge). Grundsätzlich orientieren sich sinnstiftende Arbeitsaufträge an der Lebensweilt der Studierenden und bauen auf deren Vorwissen auf (siehe Checkliste sinnstiftende Aufträge).
    • Begleitetes Selbststudium iniziieren: Begleitetes Selbststudium ist kein Selbstläufer. V.a. die Initiierung braucht Aufmerksamkeit. Führen Sie ihre Studierenden in den Lernauftrag ein und schaffen Sie so die Basis dafür, dass die Studierenden eigenverantwortlich agieren können und motiviert sind, den Lernauftrag zu erledigen. Dafür müssen die Studierenden vom Nutzen der Methode überzeugt sein, den Sinn erkennen und bei der Durchführung unterstützt werden.
    • Lernprozessbegleitung: Begleitetes Selbststudium verändert die Rollen von Studierenden und Dozierenden. Während die Studierenden ihren Lernprozess aktiver gestalten, betreuen Dozierende sie dabei. Die Begleitung und persönliche Unterstützung im Selbststudium ist wesentlich für die Motivation und richtet sich nach angestrebten Kompetenzen, Lerninhalten, Veranstaltungsform und kann sowohl von Dozierenden und/oder durch Mitstudierenden (Peer-Feedback, Peer-Review, Lerntandem) erfolgen. Die Lernbegleitung kann unterschiedliche Ziele verfolgen wie z.B. die Klärung inhaltlicher Fragen (z.B. bei Textlektüre), im Gruppenprozess unterstützen oder individuelles Feedback geben. Auch kann Begleitung unterschiedlich «verbindlich» sein, von eher fremdbestimmt durch z.B. vorgegebene Präsentationen oder Zwischenberichten als Einblick in den Lernprozess bis selbstorganisiert über eine Sprechstunde der Dozierenden, die Studierende nach Bedarf wahrnehmen. Feedback als Teil der Lernprozessbegleitung kann direkt über Feedbackgespräche oder Laborübungen oder indirekt über Lernhilfen, Leitprogramm oder Selbsttests erfolgen. Betreuungsgespräche, Chat-Sprechstunden oder ILIAS-Tests ermöglichen ein Feedback in Echtzeit, während Fragen in Diskussionsforen oder die Korrektur von Lernergebnissen zeitlich versetzt erfolgt. Auch für die Lernprozessbegleitung kann zwischen Präsenz oder Online gewählt werden. Aus dieser Vielzahl von grundsätzlichen Möglichkeiten, wählen Sie die zu angestrebten Kompetenzen, Lernaufgabe, Lerngruppe passende Variante aus und kommunizieren diese zu Beginn an die Studierenden.
    • Selbstgestaltungsmöglichkeit: Da beim begleiteten Selbststudium die eigenständige und selbstverantwortliche Gestaltung des Lernprozesses im Zentrum steht, sollten Sie Elemente zur Selbstgestaltung in den Lernaufgaben aufnehmen, sei es bei der Auswahl aus unterschiedlichen Lektürevorschlägen oder Präsentationmöglichkeiten. Passen Sie den Freiheitsgrad der Lernaufgabe entsprechende des cognitive apprenticeship (Collins, Brown & Newmann, 1989) den Kompetenzen der Studierenden an. Während jüngere Studierende mit noch weniger Erfahrung im Selbstgesteuertem Lernen über Bearbeitungshinweise froh sind, arbeiten Studierende in höheren Semestern zunehmend selbstgesteuert und nutzen die ihnen gegebenen Freiräume. Die Motivation über verschiedene Elemente des Lernprozesses selbst bestimmen zu können, lässt sich auch mit Selbstbestimmungstheorie der Motivation (Deci & Ryan) erklären.
    • Selbstlernkompetenzen: Nicht alle Studierenden gelingt es, den eigenen Lernprozess zu planen, zu kontrollieren und zu steuern. Neben dem oben beschriebenen Heranführen, können Sie auf die jeweilige Lernaufgabe bezogen dafür passende Lernstrategien thematisieren und diese konkret einbinden. So lernen Sie den Studierenden auf die jeweilige Aufgabe bezogen, wie sie z.B. sie effizient und nachhaltig mit Lerninhalten arbeiten, diese strukturieren oder sich sinnvoll Notizen machen (Bsp. siehe Video ab Min. 40). Ergänzend können Sie ihre Studierenden auf die Selbstlernangebote der HSLU zu diesem Thema verweisen. Um die eigenen Selbstlernkompetenzen als Teil der überfachlichen Kompetenzen weiterzuentwickeln, thematisieren Sie die Arbeitsweise, die verwendeten Strategien und den Erfolg damit in der Evaluation der Lernaufgaben. Eine Dokumentation des Lernprozesses mit den Lernergebnissen und dafür verwendeten Strategien in einem Portfolio unterstützt die Studierenden beim Ausbau der eigenen Lernstrategien.
    • Evaluation: Planen Sie regelmässige Evaluationsschlaufen ein. Holen Sie dafür von den Studierenden Feedback, welche Aufgabenstellungen und auch Lernmaterialien von ihnen als hilfreich/hinderlich für den Lernprozess empfunden wurden. Fragen Sie aktiv nach Veränderungs- oder Optimierungsvorschlägen.

    Empfohlene Tools

    Das begleitete Selbststudium lässt sich auf vielfältige Weise mit ILIAS oder anderen digitalen Tools unterstützen:

    • ILIAS: Über ILIAS lassen sich verschiedenste Lernaufträge kommunizieren und mit den nötigen Lernmaterialien (Text/Audio/Video) oder Arbeitstools verlinken. Ebenso können Arbeitsergebnisse, Thesen, Fragen, Praxisbilder über die verschiedenen ILIAS Objekte für die Weiterarbeit im Präsenzunterricht gesammelt werden. Dafür bietet sich das ILIAS-Forum, das ILIAS-Etherpad oder der ILIAS-Mediacast. ILIAS-Test oder ILIAS-Übung können für Wissensfragen oder ein automatisiertes Feedback zur Standortbestimmung nutzen. Werden in die Lernaufträge obligatorische Abgaben integriert, kann daran automatisch per mail erinnert werden, sollten diese nicht rechtzeitig bearbeitet worden sein. ILIAS ermöglicht auch, Lernaufträge und -materialien schrittweise freizuschalten und die Studierenden so durch den Arbeitsprozess zu führen. Wird die Seite mit Akkordeons aufgebaut, kann das jeweils aktuelle «Arbeitspaket» ausgeklappt deutlich sichtbar sein, während die anderen zugeklappt gleichermassen zugänglich sind. Interaktive Videos mit ILIAS eignen sich zur Anwendung, Vertiefung oder auch Analyse des gelernten auf ein praktisches Videobeispiel (z.B. Unternehmensvideo, aufgezeichnete Gesprächssituationen).
    • Blogbeiträge mit WordPress eigenen sich für jede Form der schriftlichen Auseinandersetzung mit Lerninhalten oder auch des damit verbundenen Lernprozesses. Ebenso können auf diese Weise Arbeitsergebnisse mit anderen geteilt und über die Kommentarfunktion Feedback (Peer-Feedback) eingeholt werden.
    • Verschiedene Audience Response Systeme wie KlickerUZH oder Tweedback eignen sich, um anonym offene Fragen aus der Selbstlernphase an die Dozent:in zu senden.
    • Ein umfassenderes Leitprogramm lässt sich mit dem ILIAS-Lernmodul Möglich ist diese auch mit Pressbook oder mit Articulate, welche anschliessend in ILIAS verlinkt werden. Da beide Varianten unterschiedliche Stärken / Schwächen haben, empfiehlt sich ein kurzer Austausch mit dem Lernmedienteam, um sich für das geeignete Tool zu entscheiden.
    • Miro-Board: Auch über Miro lässt sich das Selbststudium initiieren, Lernaufträge und Materialien verteilen sowie Ergebnisse sammeln und vertiefen. Insbesondere über einen längeren Prozess mit unterschiedlichen Arbeitsgruppen kann Miro vorteilhaft sein.

    Quellen

    • Herren, D. (2014). Das Selbststudium begleiten: ein Leitfaden für Hochschuldozierende. Praxisbeispiele – Problemstellungen – Lösungshinweise. Bern: hep
    • Landwehr, N. & Müller, E. (2006). Begleitetes Selbststudium. Didaktische Grundlagen und Umsetzungshilfen unter Mitwirkung der Projektgruppe “Begleitetes Selbststudium” der Fachhochschule Aargau Nordwestschweiz. FHA: Bern: hep
    • Zellweger Moser, F. & Jenert, T. (2018). Konsistente Gestaltung von Selbstlernumgebungen. In H. Bachmann (Hrsg.). Kompetenzorientierte Hochschullehre. Die Notwendigkeit von Kohärenz zwischen Lernzielen, Prüfungsformen und Lehr-Lern-Methoden, S. 86-121., Pädagogische Hochschule Zürich, Bern:hep
    • Duale Hochschule Baden-Württemberg (2013). Handbuch Begleitetes Selbststudium. Eigenverlag

     

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